Nagoya (LiZ). Die Delegierten aus 193 Staaten verständigten sich bei der UN-Artenschutzkonferenz im japanischen Nagoya darauf, bis zum Jahr 2020 etwa 17 Prozent der Landfläche und 10 Prozent der Meeresfläche unter Schutz zu stellen. Die Überfischung der Meere und die Überdüngung der Äcker sollen künftig eingestellt werden. Nicht festgelegt wurde allerdings, welchen Beitrag die einzelnen Staaten zu leisten hätten. Woher die Finanzmittel kommen sollen, um die hehren Ziele zu realisieren, soll in zwei Jahren geklärt werden. Die US-Regierung beteiligte sich erst gar nicht an der Konferenz. 1992 war auf einer Vorgänger-Konferenz in Rio de Janeiro das "Millenniums-Ziel" vereinbart worden, das globale Artensterben bis 2010 einzudämmen. Bereits 2007 war klar, daß dieses Ziel weit verfehlt würde und die Artenvernichtung im Gegenteil beschleunigt wurde. Dennoch setzten etliche Umweltverbände Hoffnungen in die aktuellen Beschlüsse.
Immer mehr Arten sind auf der Roten Liste zu verzeichnen. Rund ein Drittel aller Amphibien ist bedroht. Noch düsterer als für die Fauna steht es um die Zukunft der Flora: Bei den Pflanzen gelten über 70 Prozent als akut gefährdet. Betroffen sind rund 3 Millionen von insgesamt rund 10 Millionen Tier- und Pflanzenarten unseres Planeten. Täglich werden 150 Tier- und Pflanzenarten ausgerottet. Die Artbestände in den Tropen sind seit 1970 um 60 Prozent geschrumpft. In den Weltmeeren muß wegen der anhaltenden Überfischung mit einem Zusammenbruch des gesamten Ökosystems innerhalb der kommenden Jahre gerechnet werden.
Die UN-Artenschutzkonferenz in Nagoya hat nun das Ziel, den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen, von 2010 auf 2020 verlegt. Etliche Umweltverbände begrüßen dessen ungeachtet die aktuellen Beschlüsse der UN-Artenschutzkonferenz. Sie hätten auch für Deutschland konkrete Folgen. Mehrere Umweltverbände feierten das beschlossene Maßnahmenpaket zum Erhalt der Natur als "historisches Ergebnis." "Das ist ein starkes Signal an die Weltgemeinschaft, die Artenvielfalt und damit die eigene Lebensgrundlage zu sichern," sagte der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger in Nagoya. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU), sprach von einem "Meilenstein im internationalen Naturschutz." So sieht etwa NABU-Präsident Olaf Tschimpke, die "schwarz-gelbe" Bundesregierung nun in der Pflicht. Im 'Deutschlandradio Kultur' sagte er heute: "Das Abkommen von Nagoya bedeutet für Deutschland, in den nächsten zehn Jahren eine naturverträgliche Landwirtschaft und Fischerei auf den Weg zu bringen, die den Artenschutz berücksichtigt." Dazu müsse auch die Agrar-Reform auf EU-Ebene verändert werden. Da jedoch die ökonomischen Bedingungen, die für die Artenvernichtung ursächlich sind, fortbestehen, ist nicht erkennbar, worauf Tschimpke seine Hoffnung auf eine politische Wende stützt.
Eines der umstrittensten Themen in Nagoya war die Biopiraterie. Gefeilscht wurde um eine Aufteilung der Profite aus biologischen Wirkstoffen zwischen Ursprungsländern und Industrie. Künftig sollen Gewinne aus biologischen Rohstoffen - etwa in der Medizin - "gerecht" zwischen den Ursprungsländern und den meist aus den westlichen Industrienationen stammenden Konzernen aufgeteilt werden. Es geht um ein Finanzvolumen von jährlich mehreren hundert Milliarden US-Dollar.
Kein Beschluß kam jedoch in Nagoya darüber zustande, wie die konkrete Umsetzung der wohlklingenden Ziele zum Artenschutz finanziert werden soll. Ursächlich hierfür war vor allem, daß sich die europäischen Staaten weigerten, sich festzulegen. Hier wird einmal mehr deutlich, daß diese Regierungen nur Marionetten im Interesse mächtiger Konzerne sind.
Mit der beschleunigten Artenvernichtung und dem weiterhin angeheizten Klimawandel sägt sich die Menschheit den Ast ab, auf dem sie selbst sitzt. Allein mit dem Verschwinden der Bienen, wäre das Aussterben des Menschen unwiderruflich besiegelt. So hatte bereits Albert Einstein erkannt: "Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr - keine Bestäubung mehr - keine Pflanzen mehr - keine Tiere mehr - keine Menschen mehr..." Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, daß die Artenvernichtung nur gestoppt werden kann, wenn weltweit der auf Profit-Maximierung basierende Kapitalismus durch ein demokratisches Wirtschaftssystem ersetzt wird.
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Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Artenschutzkonferenz zündet nächste Stufe
zur Zerstörung der Lebensgrundlagen (18.03.10)
Artensterben ungebremst
Weltnaturschutzunion IUCN hilflos (3.11.09)
IUCN-Studie:
Artensterben weltweit beschleunigt (2.07.09)
Immer mehr Vögel sterben aus
Jede achte Vogel-Art bedroht (23.09.08)
2007: Negativ-Rekord
bei bedrohten Arten (28.12.07)
Auch Elefanten wieder
von der Ausrottung bedroht (15.09.04)
Ozeane
bald leer gefischt (26.05.03)