IWC-Vorsitzender unter Bestechungsverdacht
Agadir (LiZ). Die Tagung der Internationalen Walfangkommis- sion (IWC) in Agadir begann mit einem Eklat: Der IWC-Vorsitzende Anthony Liverpool steht unter Korruptionsverdacht. Wie die britische 'Sunday Times' enthüllte, werden seine gesamten Spesen von Japan bezahlt. Eine japanische Firma mit Sitz in den USA habe sowohl die Hotelrechnung in Höhe von 4000 Pfund (4800 Euro) als auch seine Flüge bezahlt, berichtete die Zeitung. Dennoch soll Liverpool die Verhandlungen weiter leiten.
Als Lobbyisten getarnt, boten Journalisten der 'Sunday Times' Regierungsvertretern mehrerer Staaten Geld an, damit sie statt mit Japan künftig mit den Walschutzländern stimmen sollten. Diese zeigten sich kooperativ und plauderten vor versteckter Kamera aus, daß Japan ihnen Geld, Reisen und Prostituierte zur Verfügung gestellt hatte. Die 'Sunday Times' deckte zudem auf, daß Japan für den IWC-Vorsitzenden Anthony Liverpool, zugleich Botschafter von Antigua und Barbuda in Japan, alle Spesen seines Aufenthaltes in einem Luxushotel in Agadir bezahlt. Auch die Hotelrechnungen von fünf anderen Delegierten sollen beglichen worden sein.
"Die Kommission stellt sich als undemokratisches Gremium heraus," sagte Nicolas Entrup von der Wal- und Delfinschutzorganisation WDCS. "Ein mögliches Ende des Walfang-Moratoriums wäre eine weitere bittere Niederlage für den Artenschutz und ein fatales Signal im Internationalen UN-Jahr der Artenvielfalt", sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. "Wenn die IWC-Staaten diesen Vorsitzenden weiter dulden, dann dulden sie eine korrupte Walfangkommission. Die IWC verliert damit ihre Glaubwürdigkeit", erklärte Dr. Sandra Altherr von der Artenschutz-Organisation 'Pro Wildlife'. Der Skandal ist allerdings nicht neu, lediglich seine Dimension: Bereits in den vergangenen 20 Jahren hatte Japan Milliarden US-Dollar an Staaten der Karibik, des Pazifiks und Afrikas gezahlt, die seither der IWC beitraten und Japans Walfanginteressen unterstützen. "Wenn Geld und Callgirls nicht reichen, wird gedroht. Kollegen aus Lateinamerika und der Karibik berichten, wie groß der Druck Japans auf ihre Regierungen ist", berichtet Altherr von der Konferenz.
Auch andere IWC Teilnehmer überrascht der Stimmenkauf Japans nicht. Doch die 'Sunday Times' konnte Japan erstmals die schmutzigen Geschäfte nachweisen. "Die IWC-Statuten fordern, daß jedes Land die Kosten für seine Teilnehmer selbst tragen muß. Die Enthüllungen hätten heute zum Rücktritt des IWC-Vorsitzenden führen müssen", so Altherr. Die aktuellen Verhandlungen um einen sogenannten Walfang-Kompromiß sollen offenbar um keinen Preis gestört werden. So sollen die Verhandlungen nunmehr für zwei Tage hinter geschlossenen Türen stattfinden sollen - Verbände werden ausgeschlossen. Das in Agadir vorliegende "Kompromiß-Papier würde Japan, Island und Norwegen die Waljagd für zehn Jahre erlauben. Die Quoten sollen jedoch geringer werden als die rechtlich umstrittenen Fänge von derzeit insgesamt rund 1500 Großwalen pro Jahr. Weitere Nationen dürfen nach dem Papier keine Wale kommerziell fangen.
"Bis zu 33 IWC-Mitgliedsstaaten sind vermutlich an Japans Gängelband. Diese Länder haben ihre Souveränität verkauft", erklärte Altherr. Anfangs baute Japan vor allem seine "Kooperation" mit karibischen Inselstaaten aus, die nacheinander der IWC beitraten: St. Lucia sowie St. Vincent und die Grenadinen traten 1981 bei, Antigua und Barbuda folgten 1982, Dominika sowie St. Kitts und Nevis 1992 und Grenada 1993. Aber auch Senegal (1982) und die Salomonen (1993) wurden schnell Verbündete. Danach wurden Afrika und Inselstaaten im Pazifik Schwerpunkt der Einflußnahme: Guinea (2000), Marokko (2001), Benin, Gabun und Palau (2002), Belize und Mauretanien (2003), Elfenbeinküste, Mali, Surinam, Kiribati und Tuvalu (2004), Kamerun, Gambia, Togo und Nauru (2005), Marshall-Inseln (2006), Eritrea und Guinea-Bissau (2007), Republik Kongo und Tansania (2008), Ghana (2009). Auch asiatische Länder wie Mongolei (2002), Kambodscha (2006) und Laos (2007) gehören mittlerweile zu den Befürwortern des Walfangs.
VertreterInnen aus 88 Mitgliedländern beraten in Agadir darüber, ob das seit 1986 geltende Walfangverbot aufgehoben und erstmals Fangquoten für die drei Walfangnationen Norwegen, Island und Japan eingeführt werden sollen. Und dies, obwohl diese drei Länder permanent gegen das Verbot verstießen. Trotz des 1986 vom IWC erlassenen Fangverbotes jagen Fangflotten dieser Länder weiterhin die Meeressäuger, auch in den Schutzgebieten der Antarktis. Über 33.500 Tiere haben Walfänger in den vergangenen 24 Jahren abgeschossen - trotz des Moratoriums, gegen das die beiden skandinavischen Länder Widerspruch eingelegt haben. Japan nutzt ein Schlupfloch in dem bestehenden Verbot, denn der Walfang zu wissenschaftlichen Zwecken ist weiterhin erlaubt. Es ist jedoch offensichtlich, daß dies japanischen Walfängern nur als Vorwand dient.
Angeblich um den Streit zwischen Walfang-BefürworterInnen und Walfang-GegnerInnen zu beenden und wieder Bewegung in die Debatte zu bringen, hat IWC-Chef Cristian Maquieira ein sogenanntes Kompromiß-Papier vorgelegt. Maquieira läßt sich allerdings auf der Konferenz aus Gesundheitlichen Gründen durch Liverpool vertreten. Nach diesem vorliegenden Papier soll das kommerzielle Fangverbot für die Meeressäuger für zehn Jahre aufgehoben werden, gleichzeitig würden erstmals Fangquoten erlassen. Das bestehende Verbot würde damit zwar gelockert, im Gegenzug müßten Norwegen, Island und Japan allerdings unter Aufsicht der IWC Wale jagen und ihre Fangquote kontrollieren lassen. In anderen Bereichen des kommerziellen Fischfangs hat sich jedoch längst erwiesen, daß keine effizienten Kontrollen auf den Weltmeeren möglich sind. Die im "Kompromiß" angepeilten Quoten sind niedriger als die Zahl der bis zu 2000 Wale, die derzeit nach offiziellen Angaben jährlich getötet werden. Kritisiert wird unter anderem, daß bei dieser Regelung auch Wale abgeschossen werden dürften, die auf der Roten Liste stehen, wie der stark gefährdete Finnwal. Für diesen "Kompromiß" benötigt der IWC 66 von 88 Stimmen.
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Anmerkungen
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