13.07.2010

OECD kritisiert
lasche Steuerprüfung in Deutschland

Verlust von jährlich 100 Milliarden Euro

Eine Hand wäscht die andere Berlin (LiZ). Angeblich sucht der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble verzweifelt nach Möglichkeiten, die gigantische Staatsverschuldung von 1.700 Milliarden Euro abzubauen. Merkwürdig nur, daß alle Bundesregierungen der vergangenen Jahrzehnte vor der Möglichkeit die Augen verschlossen, bei der Sanierung an der Einnahmen-Seite anzusetzen. Nun weist ausgerechnet die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, darauf hin, daß sich der deutsche Staat mit einer zu laschen Steuerprüfung viel Geld entgehen läßt: 20 Prozent mehr an Steuereinnahmen - in absoluten Zahlen also rund 100 Milliarden Euro pro Jahr - sind laut OECD allein bei einer konsequenten Prüfung der Unternehmen und hierbei vor allem der Banken möglich.

Die Malaise mit der chronisch laschen Steuergerechtigkeit in der BRD wurde gerade in den vergangenen Monaten mehr als deutlich. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, daß die Deutsche Bank offenbar vor einer bevorstehenden Großrazzia gewarnt wurde. Nun sucht die Staatsanwaltschaft nach undichten Stellen. In dem zur Bankenstadt Frankfurt am Main gehörigen Bundesland Hessen wurden gar Steuerfahnder mit Hilfe von psychiatrischen Gutachten kaltgestellt. Ihre erfolgreiche Arbeit war dem Bankenstandort zu lästig geworden. (Siehe unsere Artikel)

Jeffrey Owens, Steuer-Experte der OECD, attestierte der BRD in einem Gespräch mit der 'Berliner Zeitung' eine grundsätzliche Schwäche in der Besteuerung von Banken. Es liegt laut Owens "ein enormes Potenzial brach, um durch einen besseren Steuervollzug den Defizitabbau zu unterstützen." Owens verweist auf das Beispiel Großbritanniens und Australiens. In den vergangenen Jahren wurde die Summe, die dem deutschen Gemeinwesen durch Steuerhinterziehung jährlich entgeht, von unabhängigen ExpertInnen lediglich auf 65 Milliarden Euro geschätzt.

Im Gegensatz hierzu gehen jährlich nach unabhängigen Schätzungen allenfalls bis zu 120 Millionen Euro pro Jahr - also rund ein Tausendstel der hier in Frage stehenden Summe von 100 Milliarden Euro - in Folge mißbräuchlichen Bezugs von Sozialleistungen verloren. Hier wäre also der legendäre Spruch Josef Ackermanns von den "Peanuts" tatsächlich einmal angebracht. Im übrigen werden jährlich nach wie vor mehrere Milliarden Euro an Sozialleistungen nicht in Anspruch genommen von Menschen, die sich ihrer Armut schämen und sich deshalb scheuen, ihr Recht wahrzunehmen.

Schon im Jahr 2009 empfahl die OECD einer Studie "signifikant mehr Ressourcen" in die Steuerprüfung bei verdächtigen Banken zu stecken. Die BRD wurde damals zwar wegen ihrer guten Ausbildung für SteuerbeamtInnen hervorgehoben. Als Beispiel für ein konsequentes Vorgehen dienten jedoch andere Länder wie etwa Großbritannien, wo eine Bank 4 Millionen Pfund Strafe zahlen mußte, nachdem sie falsche Angaben zu ihrem Japan-Geschäft gemacht hatte.

OECD-Experte Owens forderte nicht nur eine konsequente Steuerprüfung und -fahndung, sondern kritisierte die Besteuerung der Banken auch als zu niedrig. Der Steuerexperte der OECD wies insbesondere auf die Umgehungsmöglichkeiten für Banken in Deutschland hin. "Effektiv zahlen Banken weniger Steuern als andere Branchen. Sie haben mehr Gestaltungsmöglichkeiten, um die Steuerlast zu reduzieren." Viele Banken machten bereits wieder beträchtliche Gewinne. Wenn sie dennoch kaum Steuern abführen, sie dies politisch schwer zu verkraften. Owens empfiehlt Deutschland gerade angesichts der Krise, nach dem Vorbild anderer Staaten Geld in den Ausbau von Steuerverwaltung und Steuerfahndung zu stecken: "Investitionen in die Steuerverwaltung sind Investitionen mit hohen Renditen."

Die deutsche Steuergewerkschaft (DSTG) hat bislang die gegenteilige Erfahrung gemacht: Den Finanzämtern fehlten rund 15.000 Beamte, vor allem die Prüfung von Betrieben werde vernachlässigt.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Gesundheitssystem: Weitere Milliarden
      für die Pharma-Konzerne (20.06.10)

      Ausgepreßt
      Sozialabbau schwarz-gelb (7.06.10)

      Kein Aprilscherz:
      BRD-Verschuldung bei 1690 Milliarden Euro (1.04.10)

      Hessen: Steuerhinterziehung in Millionenhöhe
      Michael Wolski verurteilt
      Hessische Staatsrichterin tritt zurück (26.03.10)

      Offizielle Parteispenden über 20 Millionen Euro
      Rund 14 Millionen Euro für "C"-Parteien (16.02.10)

      Steuerfahnder-Affaire Hessen
      Für Roland Koch kommen Erinnerungen
      an Spendenskandale ungelegen (28.01.10)

      Das Ermittler-Team von Frankfurt V
      Wie allzu tüchtige Steuerfahnder
      für verrückt erklärt wurden (2.12.09)

      BRD ruiniert
      86 Milliarden Euro Neu-Schulden nicht rückzahlbar
      (19.06.09)

      Die Subventionierung der Atomenergie
      Info-Serie Atomenergie - Folge 3

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      Wofür wurden sie wohl belohnt? (20.01.07)

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      Gewerkschaften unter 7 Millionen
      Arbeitslose über 7 Millionen (25.10.05)

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      Bilanz von vier Jahren
      rot-grüner Politik (12.05.02)