Berlin (LiZ). Aus bislang unver- öffentlichten Daten der Bundesnetz- agentur geht hervor, daß Mobilfunk- anbieter illegal Bewegungsprofile ihrer KundInnen anlegen. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung veröffent- lichte diese Daten heute und kritisiert, daß in Deutschland rechtswidrig protokolliert werde, an welchem Ort die KundInnen ihr Handy oder Smartphone benutzen.
Unter anderem geht aus den heute publik gewordenen Daten1 hervor, daß etwa der Anbieter Vodaphone solche Daten bis zu 210 Tage lang speichert, The Phonehouse Telecom: 120 Tage, Drillisch/SIMply: 92 Tage, E-Plus: 80 Tage und die Telekom: 30 Tage. Lediglich EWETEL scheint keine solche Speicherung von Ort (Funkzelle) und Zeitpunkt vorzunehmen, an dem ein Handy oder Smartphone genutzt wurde. Auf die Anzeige2 des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) hin rechtfertigte die Deutsche Telekom diese Praxis mit dem Argument, sie verwende die Bewegungsprotokolle zur Überprüfung der Plausibilität von Einwendungen gegen Rechnungen. Die Bundesnetzagentur schrieb der Telekom nun aber, eine Speicherung des Aufenthaltsorts sei "nur (...) bei standortabhängigem Tarif zulässig."3 Die meisten Unternehmen der Telekommunikations-Branche haben die gesetzlichen Vorgaben bislang ignoriert.
Außerdem halten die Mobilfunkanbieter fest, wer wann von wem angerufen wurde, obwohl für eingehende Gespräche normalerweise keine Gebühren anfallen. Wen man anruft oder wem man simst (ausgehende Verbindungen) wird selbst bei Nutzung eines Pauschaltarifs ("Flatrate") bis zu 210 Tage lang gespeichert (Vodafone: bis 210 Tage, EWETEL: 180 Tage, The Phonehouse Telecom: 120, Drillisch/SIMply: 92 Tage, E-Plus: 80 Tage, Telekom: 30 Tage). Auch vor Anrufen zu kostenfreien Rufnummern machen die Anbieter nicht halt. Selbst die von der Telekom angebotene "sofortige Löschung" der Verbindungsdaten erfolgt in Wahrheit erst nach 3 bis 7 Tagen.
Die Bundesnetzagentur beanstandete gegenüber dem Anbieter M-Net inzwischen die "Speicherung von Verkehrsdaten bei eingehenden, für den annehmenden Kunden kostenfreien Verbindungen innerhalb Ihres Netzes, bei denen auch kein anderer Serviceprovider beteiligt ist." Auch bei netzinternen "abgehenden kostenfreien sowie pauschal abgegoltenen Verbindungen" seien "Verkehrsdaten nicht abrechnungsrelevant" und daher "unverzüglich zu löschen". Die Behörde bereitet als Reaktion auf die Anzeige des AK Vorrat einen Leitfaden vor, der erstmals konkret festlegen soll, in welchen Fällen und wie lange die Anbieter welche Kommunikationsdaten speichern dürfen.
Wegen der mit Bewegungs- und Kontaktprotokollen verbundenen Sicherheitsrisiken rät der AK Vorrat allen HandynutzerInnen, die Übersicht der Speicherdauer aller Anbieter4 einzusehen und zu einem "möglichst datenschutzfreundlichen" Telekommunikationsanbieter zu wechseln. Wer rechtsschutzversichert ist, kann seinen Anbieter auch auf Unterlassung der illegalen Kommunikationsprotokollierung verklagen.5 Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Vorteile der Nutzung eines Mobiltelefons die gesundheitlichen Risiken und die offensichtlichen Grundrechtsverletzungen aufwiegen.
Anmerkungen
1 Erhebung der Bundesnetzagentur vom Januar bis März 2011:
http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/images/BNetzA_Speicherdauer.pdf
2 Anzeige des AK Vorrat:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/499/79/lang,de/
3 Stellungnahme der Bundesnetzagentur:
http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/images/BNetzA_Speicherdauer.pdf#page=20
4 Übersicht über die Speicherdauer aller Anbieter:
http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/Speicherdauer
5 Klagen gegen Datenspeicherung:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/551/79/lang,de/
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