Speicherung angeblich zum Zweck der Terrorabwehr
Brüssel (LiZ). Per Gesetz will die EU-Kommission alle Fluggesell- schaften verpflichten, Daten über ihre Passagiere an die Behörden weiterzuleiten. Bei Flügen in Länder außerhalb Europas sollen die Passagier-Daten sogar automatisch gesammelt und ausgewertet werden. Die amtlichen EU-DatenschützerInnen halten an ihrer bereits 2007 bei einer ersten Anhörung geäußerten Ablehnung fest. Sie bezweifeln die Zweckmäßigkeit der Daten-Sammlung.
Auch Deutschlands oberster Datenschützer, Peter Schaar, lehnt die EU-Pläne ab. Das Europaparlament und die EU-Staaten müssen dem Entwurf noch zustimmen. Die europäischen DatenschützerInnen fordern seit langem einen Stop der "Sammelwut", zumal diese bislang zu keinem Fahndungserfolg im Kampf gegen Terror und Kriminalität geführt habe. Unbeeindruckt kündigte am gestrigen Mittwoch die zuständige Brüsseler Kommissarin Cecilia Wallström1 an, die EU werde nach US-Vorbild eine Datenbank mit Passagier-Daten aufbauen. Es werde dabei sichergestellt, daß "die Privatsphäre der Fluggäste gewahrt bleibt".
Die US-Behörden sammeln 19 Angaben pro Passagier - neben Name, Geburts- und Flug-Daten unter anderem zu Kreditkarten, Reiseziel, Buchungen für Hotels oder Mietwagen, eMail-Adressen, Telefonnummern und auch Menüwünschen, die Schlüsse auf die Religion der Flugreisenden zulassen. Die Daten werden dort bis zu 15 Jahre gespeichert. Derzeit fordern die USA, Kanada und Australien bereits Passagier-Daten aus der EU an, wofür die Brüsseler EU-Behörde einen eigenen "Harmonisierungs- Entwurf" vorgelegt hat. Die Behörden der drei Staaten erteilen Flugzeugen aus Europa nur dann eine Landeerlaubnis, wenn die Fluggesellschaft zuvor den Zugriff auf die Anmeldedaten ihrer Passagiere ermöglicht hat.
Obwohl die Begehrlichkeit der EU-Schnüffler angeblich bereits reduziert wurde, sollen nach US-Vorbild ebenfalls 19 Daten gesammelt werden. In der neuen EU-Richtklinie ist eine Pflicht der Mitgliedsstaaten vorgesehen, Passagiere, die von außerhalb der EU kommen oder in die EU einreisen, zu registrieren und die Daten anderen EU-Ländern zugänglich zu machen. Ziel sei dabei, daß die Ermittlungsbehörden leichter Bewegungsprofile erstellen können, um so Terrorpläne oder grenzüberschreitende Kriminalität aufzuklären. Die Daten sollen nach einem Monat anonymisiert und statt - wie noch 2007 vorgesehen - 13 Jahre maximal fünf Jahre gespeichert werden. Nur in "Einzelfällen", beim "Verdacht auf schwere oder terroristische Straftaten", sollen Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich sein, heißt es aus Brüssel.
Die Definition der Straftaten, zu deren Abwehr oder Verfolgung Passagier-Daten ohne Anonymisierung gespeichert werden sollen, ist an die der recht vagen Bestimmungen aus dem EU-Haftbefehl geknüpft. Als "schwere Straftaten" gelten dabei neben Delikten der organisierten Kriminalität, Kinderpornographie oder Totschlag etwa auch Computer-Straftaten, Betrug sowie Marken- und Produkt-Piraterie.
Die EU-Kommission plant das System nach eigenen Angaben als dezentralen Datenbank-Verbund. Die Fluggesellschaften sollen die in ihren Buchungssystemen erfaßten Passagier-Daten an eine eigens dafür zuständige Stelle im Ankunfts- oder Abflugmitgliedstaat übermitteln. Eine Daten-Abfrage der Strafverfolger in den Systemen der Airlines sei so laut EU-Kommission damit genauso ausgeschlossen wie sonstige übergreifende "Rasterfahndungen" in einem zentralen System. Die Mitgliedstaaten müssen entsprechend der EU-Planung ihre Sammel- und Auskunftsstellen so einrichten, daß diese die Daten "sicher verarbeiten und verwahren" und für die Kontrolle durch eine unabhängige Einrichtung zugänglich machen. Die Flugreisenden sollen korrekt über die Erfassung unterrichtet werden und Anspruch darauf haben, daß Daten berichtigt oder gelöscht werden.
Anmerkungen
1 Zu Kommissarin Wallström siehe insbesondere
unseren Artikel v. 15.04.10
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