20.02.2013

Enge und häufige Kontakte Merkels
zu Bankern aufgedeckt

Eine Hand wäscht die andere
Berlin (LiZ). Allein Christoph Brand von der US-Investmentbank GoldmanSachs bekam seit Oktober 2009 48 Mal Gelegenheit zu Gesprächsterminen mit der Bundesregierung. Dabei zählt Alexander Dibelius, Vorsitzender von GoldmanSachs Deutschland, ohnehin zu den offiziellen Beratern von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Jürgen Fitschen und andere aus der Chef-Etage der Deutschen Bank kamen immerhin auf 28 Gesprächstermine im selben Zeitraum.

Die engen und zahlreichen Kontakte zwischen Bundesregierung und Chef-Bankern stoßen auf scharfe Kritik. Die Linkspartei richtete wegen der Banker-Kontakte eine kleine Anfrage an die Bundesregierung. Nach der Veröffentlichung der Aufstellung über die enorme Zahl von Gesprächsterminen zeigt die Bundesregierung Unverständnis "über die ganze Aufregung". Intensive Gespräche mit der Finanzbranche seien nun mal eine "notwendige Begleiterscheinung" bei der nun schon mehr als ein Jahr betriebenen "Euro-Rettung".

Um Einfluß und Bedeutung der Kontakte zwischen international tätigen Bank-Konzernen und der Bundesregierung zu ermessen, muß die Zahl der Gesprächstermine in Relation zu entsprechenden Konsultationen mit anderen Unternehmenssparten oder auch zu den Gewerkschaften, VertreterInnen von Verbraucherverbänden oder kritischen ExpertInnen gesehen werden. Und dabei fällt ein enormes Mißverhältnis auf. Dies erklärt zumindest zum Teil, warum die deutsche Bundesregierung seit Beginn der Weltwirtschaftskrise im Juli 2007 keine ernsthaften Anstrengungen unternommen hat, die Macht der Banken einzuschränken.

Sowohl die US-Investmentbank GoldmanSachs als auch die Deutsche Bank haben offenbar ihre Kontakte zu Parteien-VertreterInnen weidlich genutzt. Jedenfalls ist längst sichtbar, daß sie die ihnen drohenden und zu großen Teilen selbst verursachten Schäden weitestgehend auf die Staatshaushalte abwälzen konnten. Wenn allerdings VertreterInnen von Parteien wie etwa der SPD die Bundesregierung mahnen, es sei eine "kritische Distanz zu den Interessen der Großbanken" nötig, spekulieren sie offenbar darauf, daß die Taten eines ehemaligen Bundesfinanzministers Steinbrück (2005 bis 2009) oder die eines "Superministers" Clement (2002 bis 2005) vergessen sind.

Zu erinnern ist auch daran, daß Bundeskanzlerin Angela Merkel sich bei Auslandsreisen - bevorzugt bei solchen nach China - mit den Großen der Finanzbranche umgab. Und während Merkel in den vergangenen Jahren Zeit für Vier-Augen-Gespräche etwa mit den Chefs der Deutschen Bank Jürgen Fitschen und Anshu Jain hatte, lud sie deren Vorgänger, Josef Ackermann, zusammen mit 20 bis 30 Gästen im April 2008 ins Kanzleramt ein, um dort Ackermanns 60. Geburtstag zu feiern.

Der Verbraucherschützer Thilo Bode berief sich auf das neue Informationsfreiheitsgesetz und fragte an, wer geladen und wie hoch die Rechnung für das Geburtstags-Diner gewesen sei. Er wollte mögliche Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft offenlegen. Das Kanzleramt wehrte ab und gab nur wenige der angefragten Informationen preis. Bode klagte und das Berliner Verwaltungsgericht gab ihm recht. Das Kanzleramt mußte daraufhin geschwärzte Namen in den Gästelisten sichtbar machen, zusätzlich zur Sitz- und Tischordnung.

Die Vorsitzende von Transparency International Deutschland, Edda Müller, forderte nach Bekanntwerden der zahlreichen Kontakte mehr Informationen, um die Bedeutung der Gesprächstermine besser einschätzen zu können. Insbesondere würden sie gern wissen, wie oft die Bundesregierung VertreterInnen Verbraucherschutz-Organisationen oder von Financewatch zu Gesprächen empfangen habe.

Bemerkenswert sind auch die personellen Verflechtungen der US-Investmentbank GoldmanSachs in die Politik:

Mark Garney verbrachte 13 Jahre bei GoldmanSachs in London, Tokio, New York und Toronto. Im November 2011 wurde er Chairman des Financial Stability Board (FSB).

Robert Zoellick war Berater für internationale Agenden von GoldmanSachs. Er gehörte den Regierungen der US-Präsidenten George Bush und George W. Bush an. Seit dem 1. Juli 2007 ist Zoellick Präsident der Weltbank.

Adam Storch war Vize-Präsident im Bereich Business Intelligence Group bei GoldmanSachs. Im Oktober 2009 wurde er von der Obama-Regierung engagiert und arbeitet nun für die Security and Exchange Commission, also die US-Börsenaufsichtsbehörde für die Kontrolle des Wertpapierhandels.

Gary Gensler arbeitete für GoldmanSachs, bevor er seine politische Karriere begann. Heute ist er Vorsitzender der Commodity Futures Trading Commission unter US-Präsident Barack Obama.

Robert Rubin arbeitete von 1964 bis 1992 bei GoldmanSachs. Er war unter Präsident Bill Clinton von 1995 bis 1999 Finanzminister. Während Rubins Amtszeit kam es unter anderem zur Aufhebung des Glass-Steagall Act, eines Gesetzes zur Trennung von Kredit- und Investmentbanken. Diese Reform ermöglichte etwa die Fusion der Travelers Group und der Citicorp zur Citigroup. Seit 1999 – nach seinem Rücktritt als Finanzminister – bis zum Januar 2009 war Rubin als Berater beziehungsweise Direktor für die Citigroup tätig. Heute zählt Robert Rubin neben Paul Volcker, Austan Goolsbee und Jason Furman zum engeren Kreis der wirtschaftspolitischen Berater des US-Präsidenten Obama.

Mark Patterson ist ein ehemaliger GoldmanSachs-Lobbyist. Er wurde Stabschef des Treasury Secretary unter Timothy Geithner. Obama hatte im Wahlkampf versprochen, den Einfluß der Lobbyisten in seiner Regierung zu begrenzen.

William Dudley war von 1986 bis 2007 Chef-Ökonom bei GoldmanSachs. Heute ist er Präsident der Federal Reserve Bank of New York und der stellvertretende Vorsitzende des Federal Open Market Committee.

Robert D. Hormats war früher Vize-Chairman bei GoldmanSachs. Heute arbeitet er im Under Secretary of State for Economic Growth, also im Energie- und Umweltministerium.

Mario Monti, Italiens Ministerpräsident, ist internationaler Berater bei GoldmanSachs und Coca-Cola.

Jon Corzine war unter anderem Präsident bei GoldmanSachs. Von 2006 bis 2010 war er Gouverneur des US-Bundesstaates New Jersey.

Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), war zuvor (2002 bis 2005) bei GoldmanSachs Vizepräsident des Europa-Geschäfts. Doch ausgerechnet sein ehemaliger Arbeitgeber hat Athen 2001 geholfen, durch Verschleierung der wahren Finanzsituation überhaupt Mitglied des Euroclubs zu werden.

Der ehemalige italienische Premier Romano Prodi war ein GoldmanSachs-Mitarbeiter. Er war von 1990 bis 1993 International Advisory Director der Bank.

Italiens Vizefinanzminister Massimo Tononi ist ebenfalls ein ehemaliger Direktor von GoldmanSachs.

Ottmar Issing ist seit 1. Januar 2007 International Advisor von GoldmanSachs. Im Oktober 2008 übernahm Issing den Vorsitz einer Expertengruppe, die im Auftrag der Bundesregierung Vorschläge für eine Reform der internationalen Finanzmärkte erarbeiten sollte. Ihren sechsten und letzten Bericht übergab die Kommission "Neue Finanzmarktarchitektur" der Bundesregierung im November 2011 im Vorfeld des G20-Gipfels in Cannes.

Peter Sutherland ist ein ehemaliger GoldmanSachs-Mitarbeiter. Danach war er EU-Kommissar. Außerdem ist Sutherland seit 2006 Berater der Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls. Zudem war er seitdem in verschiedenen Funktionen für die Vereinten Nationen tätig und ist unter anderem Mitglied der Bilderberg-Konferenz, der Trilateralen Kommission und des European Round Table.

Lord Brian Griffiths war Vice Chairman von GoldmanSachs International und enger Berater von Margaret Thatcher.

Antonio Borges war Vice Chairman von GoldmanSachs und bis zum November 2011 Europadirektor des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Charles Wiener de Croisset war bis zum März 2004 Vize-Präsident von GoldmanSachs Europa. Er ist ein Mitglied der französischen Finanzaufsicht Inspection générale des finances (IGF).

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Steinbrück für höhere Strompreise
      Der "rote" Lobbyist für ThyssenKrupp (12.12.12)

      Strompreiserhöhungen wegen Energie-Wende?
      Zur Zeit werden Lügen verbreitet (9.11.12)

      Atomminister Altmaier
      und das soziale Gewissen (15.08.12)

      Merkels "Atom-Ausstieg"
      Täuschungsversuch wie vor 11 Jahren
      Wie Kretschmann 2002 einen
      "politischen Selbstmord" überlebte (30.05.11)