18.11.2010

Wikileaks-Gründer Assange
erneut mit Vergewaltigungsvorwurf verfolgt

Julian Assange von Wikileaks Stockholm (LiZ). Nachdem der Vergewaltigungsvorwurf bereits im August von der schwedischen Staatsanwaltschaft fallengelasen wurde, dient er nun erneut dazu, Julian Assange, den Gründer des Whistleblower-Portals Wikileaks, mit einem internationalen Haftbefehl zu verfolgen. Der Verdacht drängt sich auf, daß die für die Kriegs-Politik Barack Obamas äußerst unvorteilhaften Veröffentlichungen auf Wikileaks, durch schäbige Tricks gestoppt werden sollen. In den Mainstream-Medien heißt es nun etwa, für die US-Regierung sei Assange ein "Publicity-süchtiger Krimineller".

Gegen Julian Assange, der einen australischen Paß besitzt, wurde heute in Schweden von Staatsanwältin Marianne Ny ein internationaler Haftbefehl erlassen. Die Anschuldigungen gegen Assange wurden bereits August erhoben. Zwei Frauen hatten sich bei der schwedischen Polizei gemeldet und Assange wegen Vergewaltigung und Belästigung angezeigt. Daraufhin beantragte am 20. August die schwedische Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen Assange, zog den Antrag aber nur wenige Stunden später zurück. Am 1. September eröffnete Staatsanwältin Marianne Ny erneut das Verfahren gegen Assange. Sie verzichtete zunächst auf einen Haftbefehl und gestattete es dem Australier, Schweden zu verlassen. Im Oktober verweigerten die schwedischen Behörden Assange eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Ny begründete heute Vormittag ihren Antrag auf Erlaß eines internationalen Haftbefehls damit, daß die ErmittlerInnen Assange zu den Vorwürfen befragen müßten. "Bislang konnten wir ihn nicht treffen, um die Vernehmungen abzuschließen", sagte Ny. Anschließend gab ein schwedischer Richter dem Antrag auf internationalen Haftbefehl statt.

Am Morgen des heutigen Tages hielt sich Assange nach Angaben eines Wikileaks-Sprechers in Großbritannien auf. Sein britischer Anwalt Mark Stephens bestätigte diese Angabe, ergänzte jedoch, daß der aktuelle Aufenthaltsort seines Klienten aus Sicherheitsgründen geheim bleibe. Der gebürtige Australier Assange lebt seit Jahren nach eigenen Angaben ohne festen Wohnsitz in Hotels. In einer vor der Entscheidung des Stockholmer Gerichts verbreiteten Erklärung bezeichnete Stephens den von der Staatsanwaltschaft beantragten Haftbefehl als "unnötig und unverhältnismäßig". Der schwedische Anwalt Assanges, Björn Hurtig, erklärte, daß er noch während Assanges Aufenthalts in Schweden ohne Ergebnis der Staatsanwaltschaft mehrfach ein Gespräch mit Assange angeboten habe und dieser sich nicht auf der Flucht vor der schwedischen Justiz befinde.

Die von Assange 2006 gegründete und geleitete Organisation Wikileaks hat im Juli und im Oktober durch die Veröffentlichung von insgesamt fast 500.000 Geheimdokumenten über die konkreten Umstände und die tagtägliche Grausamkeit der von den USA in Afghanistan und im Irak geführten Kriege Aufsehen erregt und der Friedens-Rhetorik von US-Präsident Barack Obama einen entscheidenden Schlag versetzt. Die von den Mainstream-Medien mitgetragene Propaganda von der "chirurgischen Kriegsführung" wurde von Wikileaks der Lüge überführt. Es ist mittlerweile kaum mehr zu leugnen, daß in diesen Kriegen vor allem ZivilistInnen die Leidtragenden sind. Die Glaubwürdigkeit der vorgeblichen Ziele, Terrorbekämpfung, Errichtung von Demokratie oder Durchsetzung von Frauenrechten hat stark gelitten.

Am 14. August hatte Assange an einer Konferenz mit dem Thema "Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit" der schwedischen Gewerkschaften in deren Hauptsitz in Stockholm teilgenommen. Tags darauf traf er sich mit Rick Falkenvinge, dem Vorsitzenden der schwedischen Piratenpartei. Zusammen mit Falkenvinge erklärte Assange, den Internetserver von Wikileaks in Schweden betreiben zu wollen. Doch diese Pläne zerschlugen sich offenbar, weil die schwedische Regierung auf Druck der US-Regierung den durch Wikileaks gewährleisteten Zeugenschutz in Frage stellte. Zudem wurde ihm plötzlich von den schwedischen Behörden keine weitere Aufenthaltsgenehmigung erteilt.

Am 22. Oktober wurde Assange während eines Interviews mit dem US-amerikanischen TV-Sender CNN über die veröffentlichten Militär-Dokumente auf die Vergewaltigungsvorwürfe angesprochen. Assange verweigerte eine Antwort auf eine solche Frage. Mehrmals wies er die wiederholte Frage zurück und bat die Interviewerin, Atika Shubert, das Thema des Interviews und den Tod von Hunderttausenden Menschen nicht mit der Frage nach Vergewaltigungsvorwürfen zu kontaminieren. Mehrmals erklärte er, ansonsten das Interview abzubrechen. Als die interviewende Journalistin weiter insistierte, brach Assange das Interview ab und verließ das Studio. Vor diesem spektakulären Vorfall war Assange von der schwedischen Zeitung 'Aftonbladet' auf die Vergewaltigungsvorwürfe angesprochen worden und hatte erklärt: "Ich weiß nicht, was dahinter steckt, aber wir sind davor gewarnt worden, daß beispielsweise das Pentagon plant, schäbige Tricks anzuwenden, um uns zu zerstören." Assange gehört nach einem Ranking des 'Time Magazine' zu den 20 wichtigsten Personen des Jahres. Er kam bei einer Online-Abstimmung des Magazins auf Platz drei hinter dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und der US-amerikanischen Sängerin Lady Gaga.

Einen öffentlichen Auftritt hatte Assange zuletzt am 4. November in Genf. Dort erklärte er am Rande seines Vortrags, er erwäge, in der Schweiz Asyl zu beantragen und den Internetserver von Wikileaks dorthin zu verlegen.

 

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Verbrechen Krieg
      Wikileaks veröffentlicht Dokumente zum Irak-Krieg
      (24.10.10)

      Wikileaks deckt Hintergründe
      des Afghanistan-Kriegs auf (28.07.10)

      Irak-Krieg: Video zeigt Kriegsverbrechen
      US-Hubschrauberbesatzung schießt auf Unbewaffnete
      (6.04.10)

      wikileaks.de gesperrt
      Beginn der Internet-Zensur in Deutschland? (11.04.09)

      Hausdurchsuchung bei Inhaber der Domain wikileaks.de
      Aktionismus gegen Kinderpornographie
      als Vorwand für politische Zensur (25.03.09)

      Barack Obama und das Nadelöhr
      ... anderes zu erwarten als von Bush? (6.10.08)