24.03.2019

Hilft die NATO endlich Opfern von DU-Munition
auf dem Balkan?

Warnung vor uran-kontaminiertem Gebiet, Balkan - Foto: IPPNW - Creative-Commons-Lizenz CC0
Berlin (LiZ). Am 24. April vor 20 Jahren begann der illegale Krieg der NATO auf dem Balkan, bei dem auch tonnenweise DU-Munition ver­schossen wurde. Mit diesen radioaktiven und toxischen Geschossen verseuchte das Militär ganze Landstriche und verursachte bei Tausenden Menschen Krebs und schwere Krankheiten. Vier internationale Nichtregierungs-Organisationen - IPPNW, ICBUW, IALANA und IPB - fordern erneut Hilfe von den Verursachern.

Zu den Beteiligten am völkerrechtswidrigen Kosovo-Krieg gehörte im März 1999 auch die "rot-grüne" Bunderegierung unter Kanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joseph Fischer. Immerhin hat Schröder im März 2014 öffentlich zugegeben, daß es sich bei der Bombardierung Jugoslawiens in dem vom 24. März bis zum 10. Juni 1999 dauernden Kosovo-Krieg um einen Bruch der Völkerrechts gehandelt hat. Von den Pseudo-Grünen jedoch, die 1990 eine bis dahin pazifistische Partei gekapert hatten, wird das Thema bis heute tabuisiert.

Im Rahmen der sogenannten NATO-Operation 'Allied Forces', die Kanzler Schröder im März 1999 ausdrücklich nicht als Krieg bezeichnen wollte, wurde im Kosovo, in Serbien, in Montenegro und zuvor bereits in Bosnien-Herzegowina bei der Zerschlagung Jugoslawiens radioaktive und chemisch giftige DU-Munition eingesetzt. Die Abkürzung DU steht für Depleted Uranium - zu Deutsch: abgereichertes Uran. Der Stoff, der bei der Herstellung von Uran-Brennelementen für Atomkraftwerke als Abfall übrig bleibt, ist bei Militär höchst beliebt, da DU-Geschosse aufgrund der hohen Dichte des Urans auch 70 Zentimeter dicken Panzerstahl durchschlagen können. Allerdings verursacht der auf den Gefechtsfeldern zurückbleibende uranhaltige Staub schwere Gesundheits- und Umweltbelastungen bis hin zu Krebs und Gen-Veränderungen.

Die in den Organisationen IPPNW, ICBUW, IALANA und IPB zusammengeschlossenen ÄrztInnen, RechtsanwältInnen und BürgerrechtlerInnen klagen die kriegführenden Militärs der NATO und die beteiligten PolitikerInnen wegen der massiven, von ihnen angerichteten Schäden an. Diese Schäden zeigen sich demnach gerade jetzt, 20 Jahre nach dem Kosovo-Krieg, in ihrem ganzen Ausmaß. Viele Menschen in den betroffenen, toxisch belasteten Regionen seien an Krebs erkrankt oder bereits in der Folge gestorben. Die medizinische Versorgungs-Situation sei oft unzureichend, und es habe sich als zu kostspielig oder völlig unmöglich erwiesen, verseuchte Gebiete zu dekontaminieren. Dies erbrachte etwa das 1. Internationale Symposium zu den Folgen des DU-Eisatzes im Kosovo-Krieg, das im Juni 2018 in Nis stattfand und bei dem es um mögliche humanitäre Aktionen zur Hilfe für DU-Opfer ging, bis hin zur Option rechtlicher Schritte. Die ICBUW (International Coalition to Ban Uranium Weapons - zu Deutsch: Internationale Koalition zur Ächtung von Uran-Waffen) war durch ihren Sprecher, Professor Manfred Mohr, vertreten.

Die Tagung war Ausdruck eines neuen, gestiegenen Interesses der wissenschaftlichen und politischen Öffentlichkeit am Thema DU-Munition. Es wurde eine spezielle Untersuchungs-Kommission des serbischen Parlaments hierzu eingesetzt. Sie arbeitet mit der entsprechenden parlamentarischen Kommission in Italien zusammen, wo es immerhin bereits eine ausgeprägte Rechtsprechung zugunsten der Opfer von DU-Einsatz - im Falle von betroffenen Angehörigen des italienischen Militärs - gibt. Hinzu kommen Interesse und Engagement von Medien und Künstlern, beispielsweise in Gestalt des Films "Uran 238 – my story" von Miodrag Miljkovic, der auf dem Internationalen Uranium Film Festival im vergangenen Jahr in Berlin besondere Erwähnung fand.

Beginnend mit dem Ad-hoc-Komitee zu DU bestreitet die NATO bis heute jegliche Zusammenhänge zwischen dem Einsatz von DU-unition und Gesundheits-Schädigungen. Diese Haltung ist typisch für das Militär, das andererseits präventiv tätig ist, um die eigene Truppe vor DU-Risiken zu schützen. In Standards und Papieren der NATO ist von Vorsichtsmaßnahmen und der Notwendigkeit der Vermeidung von "Kollateralschäden" auch in Bezug auf die Umwelt die Rede. Vorrang hätten allerdings stets "operative Erfordernisse".

Fraglich ist, ob zivile, ausländische DU-Opfer in Staaten, die zur NATO gehören, mit Gerichtsverfahren Erfolg haben werden. Immerhin stehen auch menschenrechtliche Beschwerdeverfahren zur Verfügung; es gibt so etwas wie ein Menschenrecht auf gesunde Umwelt, das auch in und nach Kriegszeiten gilt. In einer öffentlichen Erklärung fordern die vier internationale Nichtregierungs-Organisationen - IPPNW, ICBUW, IALANA und IPB - , daß sich die NATO und die Regierungen kriegführender NATO-Staaten zu ihrer politischen und humanitären Verantwortung für die DU-Verwüstungen bekennen, die im 78-Tage-Krieg gegen Ex-Jugoslawien angerichtet wurden. Die gemeinsame Erklärung enthält zudem die Forderung nach Unterstützung des UN-Prozesses, der - in Gestalt einer Serie von Resolutionen der UN-Generalversammlung, zuletzt Nr. 73/38 - die entscheidenden Punkte beim Umgang mit dem Einsatz von DU-Munition hervorhebt:

  • Das Vorsorgeprinzip („precautionary approach“)
  • (vollständige) Transparenz (der Einsatzkoordinaten)
  • Hilfe und Unterstützung für die betroffenen Regionen.

Der Appell, im 70. Jahr der NATO-Gründung, richtet sich in besonderer Weise an die Bundesrepublik Deutschland, die über keine Uranwaffen verfügt, jenen UN-Prozess aber seit Jahren durch obstruktives Verhalten, insbesondere Stimmenthaltung in der Generalversammlung, behindert. Es müsse alles getan werden, um Uranmunition zu ächten und den Opfern ihres Einsatzes zu helfe.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Deadly Dust
      Die schleichende Katastrophe Uran-Munition (17.07.18)

      Absturz von US-Kampfflugzeug bei Laufeld
      Verseuchung durch Uran-Munition? (2.04.11)

      Unfall in der UAA Gronau
      Arbeiter radioaktiv verstrahlt (23.01.10)

      21.000 Tonnen Yellow Cake nach Sibirien
      ZDF: 3 Tote bei Atom-Unfällen (12.06.07)

      Radioaktive Verseuchung
      im Irak (25.06.03)

      CASTOR
      und Uranmunition (3.04.01)

      Uranmunition
      Untersuchungsergebnisse wurden verharmlost (20.03.01)

      Uranmunition
      Die Massenmedien verschleiern... (16.01.01)

      Uran-Munition
      Halbe Wahrheiten und ganze Lügen, Teil 1 (14.01.01)

      Uran-Munition
      Halbe Wahrheiten und ganze Lügen, Teil 2

      Uran-Munition
      Das wahre Ausmaß der Katastrophe (6.01.01)

      Die Grenzen technischer Kriegführung
      Eine vorläufige Bilanz des Kosovo-Krieges (Januar 2000)

      TV-Sendung: Monitor
      Apache-Hubschrauber mit radioaktiver Munition (24.04.99)

      Uran-Geschosse
      Prof. Dr. Dr. med. habil. Siegwart Horst Günther