15.11.2010

Mißbrauch von Ein-Euro-Jobs?
Der Zweck ist Lohndumping

Agentur für Arbeitslosigkeit Berlin (LiZ). Der Bundesrech- nungshof kommt in seinem aktuellen Prüfbericht zum Ergebnis, daß "Ein-Euro-Jobs" in den meisten Fällen mißbräuchlich eingesetzt werden. Überwiegend werden Menschen in diese moderne Form der Zwangsarbeit gepreßt, obwohl die angebotenen Jobs nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Sie entsprechen nicht den Kriterien der "Zusätzlichkeit" und Wettbewerbsneutralität oder verbessern nicht die Arbeitsmarkt-Chancen der Betroffenen.

Laut Gesetz müssen "Ein-Euro-Jobs" im öffentlichen Interesse liegen und "zusätzlich" sein, was bedeutet, daß sie keine am Arbeitsmarkt angebotenen Jobs verdrängen dürfen. So sollte angeblich vermieden werden, daß der Staat mit der finanziellen Förderung von "Ein-Euro-Jobs" reguläre Arbeitsplätze verdrängt. Tatsächlich jedoch werden "Ein-Euro-JobberInnen" häufig in einem Tätigkeitsbereich eingesetzt, der etwa ansonsten von Hausmeistern an Schulen oder Altenheimen ausgeführt wird. Es kam auch schon vor, daß Erwerbslosen "angeboten" wurde, für Städte als Archivar zu arbeiten. Als Ausrede heißt es dann, für die Einstellung eines regulären Hausmeisters oder Archivars fehle der Kommune das Geld - also werde ja niemandem ein regulärer Job weggenommen. Daß mit solch einer vordergründigen Argumentation Lohndumping auf dem Arbeitsmark und zusätzlicher Arbeitslosigkeit Vorschub geleistet wird, ist offensichtlich. Denn immer mehr Kommunen können Hausmeister, Archivare und andere Beschäftigte entlassen oder sie zum Abschluß schlechtbezahlter Arbeitsverträge zwingen, weil Hartz-IV-Abhängige als Ersatz bereit stehen.

Auch der Bundesrechnungshof hat nun herausgefunden, daß "Ein-Euro-JoberInnen" vor allem von "öffentliche Stellen (insbesondere Kommunen) und soziale Einrichtungen" dazu mißbraucht werden, "ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen oder die dafür notwendigen Einrichtungen zu pflegen und zu unterhalten." Vielfach hätten Kommunen, Wohlfahrtsverbände oder Unternehmen der Weiterbildungsbranche "ungeförderte Tätigkeiten im ersten Arbeitsmarkt durch öffentlich geförderte Beschäftigung ersetzen und so ihre Personalkosten reduzieren können," heißt es im Prüfbericht des Bundesrechnungshofes.

Der Bundesrechnungshof führt auf 46 Seiten eine Reihe von Beispielen an: So wurden "Ein-Euro-JobberInnen" eingesetzt, um Müll zu beseitigen, beim Umzug eines Bauhofs zu helfen oder Naßzellen in einem Altenheim zu reinigen. Daß solche Tätigkeiten denen von Stammbelegschaften entsprechen, daß sie mitnichten zusätzlich oder gemeinnützig sind und daß mit ihnen reguläre Beschäftigung verdrängt wird, spielte bei der Bewilligung offenbar keine Rolle.

Der Prüfbericht datiert vom August, konnte aber bislang nicht veröffentlicht werden. Aus Ursula von der Leyens Ministerium für Arbeitslosigkeit ist zu vernehmen, die offizielle Stellungnahme fehle noch. Beschwichtigend heißt es, die "Ein-Euro-Jobs" würden stark genutzt. Laut Statistischem Bundesamt sind rund 275.000 Menschen in "Ein-Euro-Jobs" geparkt und müssen so in der offiziellen Arbeitslosen-Statistik nicht mitgezählt werden. Neben diesen "Arbeitsgelegenheiten in der Mehraufwandsvariante" (so die amtliche Bezeichnung) sind weitere 55.000 Menschen in "Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante" geparkt. Mit einer ganzen Reihe weiterer Tricks (siehe unseren Artikel v. 28.10.2010) wird aus der Zahl von real über 9 Millionen Arbeitslosen die offizielle Zahl von 2,9 Millionen, für die sich von der Leyen im Oktober von den Mainstream-Medien feiern ließ.

"Sinn und Zweck dieser Maßnahmen ist es, prekäre Beschäftigung und den Niedriglohnsektor auszuweiten, damit muß Schluß sein", sagte heute die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linkspartei- Bundestagsfraktion, Sabine Zimmermann. In keinem anderen europäischen Land konnte in den vergangenen Jahren der Niedriglohn-Sektor so massiv ausgeweitet wie in Deutschland. Die BRD hat mittlerweile eine ganze Reihe anderer europäischer Länder, die etliche Jahre zuvor mit einer neoliberalen Umgestaltung begannen, überholt und liegt in Europa seit Anfang 2008 an der Spitze. Nach einer Studie des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen lag der Anteil des Niedriglohn-Sektors in Deutschland im April 2008 bei 22,2 Prozent. In den USA lag der Anteil der Billig-Jobber zu diesem Zeitpunkt bei 25 Prozent. Und in Dänemark beispielsweise bei nur 8,5 Prozent. (Siehe hierzu unseren Artikel vom 19.12.2009)

Die von "Rot-Grün" eingeführten "Ein-Euro-Jobs", die auf den damaligen VW-Manager Peter Hartz zurückgehen, verschlingen nach offiziellen Angaben jährlich rund 1,7 Milliarden Euro. Diese Investition dient nicht in erster Linie der Fälschung der Arbeitslosen-Statistik, sondern ist eine verdeckte Subvention der deutschen Wirtschaft. Sie war einer der Faktoren, die bewirkten, daß in den vergangenen zehn Jahren die Löhne in Deutschland real - also nach Abzug der offiziellen Inflationsrate - sanken.

Der wirtschaftliche Effekt dieser 1,7-Milliarden-Euro-Subvention beträgt in Folge des dadurch ausgelösten Lohndumpings ein Vielfaches dieses Betrages. Ein Teil dieser Subvention kommt direkt einer Armutsverwaltungsbranche zugute. Rund 300 Millionen Euro fließen aus dem "Ein-Euro-Job"-Etat laut Untersuchung des Bundesrechnungshofes in die Kassen von öffentlichen, halb-öffentlichen und privaten Einrichtungen, die sich die Ausbeutung der Betroffenen mit saftigen Zuschüssen von der Bundesagentur für Arbeitslosigkeit, dem sogenannten Hartz-Amt, honorieren lassen.

Nebenbei bemerkte der Bundesrechnungshof, daß das angebliche Ziel, das mit "Ein-Euro-Jobs" erreicht werden sollte, verfehlt wird. Ein individueller Nutzen der Maßnahmen kaum erkennbar. In der Regel würden "Ein-Euro-Jobs" nicht dazu beitragen, die Vermittlungshemmnisse erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger zu verringern. Nicht untersucht wurde, welcher Druck mit dieser neuen Form von Zwangsarbeit auf Erwerbslose ausgeübt wird. Denn wie nicht selten offen von "FallmanagerInnen" ausgesprochen werden "Ein-Euro-Jobs" eingesetzt, um angeblich die "Arbeitsbereitsschaft" zu testen - und Erwerbslose so zur Annahme jedes noch so wenig ihrer Qualifikation entsprechenden oder schlecht bezahlten Jobs zu nötigen.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Real über 9 Millionen Arbeitslose
      Die Tricks der Bundesregierung (28.10.10)

      Aufschwung oder Weltwirtschaftskrise?
      Ist Deutschland eine Insel der Seeligen? (1.10.10)

      Von der Leyens Hartz-IV-Reform:
      Nominal 5 Euro Plus ab 2011 - real ein Minus (26.09.10)

      Bilanz von fünf Jahren Hartz IV
      Repression als "Arbeitsmarkt-Reform"
      Niederiglohn-Sektor massiv ausgeweitet (19.12.09)