Historische soziale Errungenschaft oder Sozialabbau?
Washington (LiZ). Ähnlich wie vor der Wahl Barack Obamas zum US-Präsidenten wird von den Mainstream-Medien bis hin zur 'taz' ("historischer Präsident") das Bild eines Messias der Armen und Bedrängten gezeichnet. Doch ebenso wie sich Obama inzwischen als Kriegsherr und Handlanger der Rüstungs-Konzerne offenbart hat, wird die hinter der Propaganda der "Gesundheitsreform" verborgene Realität schon bald sichtbar werden. Die hauptsächlichen Profiteure dieser "Reform" sind die US-Pharma- und Versicherungs-Konzerne.
Die öffentlichkeitswirksam vorgetragenen Attacken des US-Präsidenten gegen Versicherungs-Konzerne dienten ebenso der Irreführung der Mehrheit der US-AmerikanerInnen wie seine pazifistische Rhetorik und seien verlogene Wertschätzung von Martin Luther King und Mahatma Gandhi. Das Konzept der "US-Gesundheitsreform" wurde im Verborgenen längst von Obamas Stab in Zusammenarbeit mit Pharma- und Versicherungs-Konzernen ausgearbeitet. Die haßerfüllten Kampagnen der "republikanischen" Partei und der "Tea-Party"-AktivistInnen dienten nur als Begleitkonzert, um das Schauspiel um so glaubwürdiger aufzuführen. Dieses "historische" Gesetzeswerk hat ebenso wenig den Namen Reform verdient wie die Hartz-Gesetze der "rot-grünen" Bundesregierung unter Gerhard Schröder und Joseph Fischer.
Es wird nicht lange verborgen bleiben, daß die "US-Gesundheitsreform" ebenso wie die deutschen Hartz-Gesetze hauptsächlich dazu dient, Staatsausgaben zu vermindern und bei den Ärmsten zu kürzen. So wird von den Mainstream-Medien nicht zufällig unterschlagen, daß mit dieser "Gesundheitsreform" hunderte Milliarden US-Dollar bei der Gesundheitsversorgung US-amerikanischer RentnerInnen, bei Medicare, gekürzt werden. Arme und Erwerbslose werden in Zukunft in den USA mit Billigst-Krankenversicherungen abgespeist, die weit weniger abdecken als es in Europa noch überwiegend Standard ist. Zugleich soll neben Medicare auch das Nothilfe-Programm Medicaid gekürzt und "effektiviert" werden. Mehr als 5 Prozent der US-AmerikanerInnen sollen auch in Zukunft ohne Krankenversicherung bleiben, beispielsweise die Indianer, die in Reservationen leben. Auch für Abtreibungen, gleich nach welcher Indikation, ist in der "US-Gesundheitsreform" kein Geld vorgesehen.
Nach offiziellen Angaben veranschlagt die US-Regierung, daß die "Gesundheitsreform" in den kommenden zehn Jahren rund 900 Milliarden US-Dollar kosten werde. Abgesehen davon, daß die US-Regierung allein für das Jahr 2010 im Rüstungs-Etat 534 Milliarden US-Dollar eingeplant hat, sind die Einsparungen, die durch die "Gesundheitsreform" erreicht werden, weitaus höher als die Ausgaben. Selten erwähnt wird, daß die obersten Rechnungsprüfer der USA in ihrer Kalkulation feststellten, daß die "US-Gesundheitsreform" unterm Strich wegen Kostensenkungen und der damit verbundenen Steuererhöhungen für Wohlhabende aufkommensneutral bleiben werde. Ausgaben und Einnahmen würden sich demnach gegenseitig aufheben. Nur vor ausgewähltem Publikum erwähnte Obama, daß mit der "Gesundheitsreform" die "größte Reduktion der Staatsausgaben seit Jahrzehnten" (Neue Züricher Zeitung) geplant ist. Schließlich hat er bereits in den vergangenen Monaten seiner Präsidentschaft Billionen US-Dollar für die Rettung der Banken verschleudert.
Wenn davon die Rede ist, daß 32 Millionen US-AmerikanerInnen, die bislang ohne jeglichen Krankenversicherungsschutz dastanden, nunmehr einen solchen Schutz bekommen sollen, wird dabei unterschlagen, daß dies - nach den nun gesetzlich geregelten Bedingungen - ein gigantisches Geschäft für die Versicherungs-Konzerne wird. Unterschlagen wird auch, daß gerade durch den bislang fehlenden Versicherungsschutz gigantische Kosten für die Allgemeinheit verursacht wurden. Arme und Unversicherte mußten im Notfall in die "Emergency"-Stationen der Krankenhäuser aufgenommen werden. Wurden Krankheiten wegen fehlendem Gesundheitssystem verschleppt, verursachte dies am Ende oft ein Vielfaches der Kosten, die bei einer funktionierenden Krankenversicherung entstehen. Für ihr ineffektives Gesundheitswesen mußten die US-AmerikanerInnen bislang nicht weniger als ein Sechstel ihrer Wirtschaftsleistung aufbringen (Neue Züricher Zeitung). Die Kosten des US-amerikanischen Gesundheitssystems sind nicht nur exorbitant hoch, sie waren sogar am Explodieren. Mit Hilfe der "Gesundheitsreform" versucht Obama, die maroden Staatsfinanzen zu sanieren (Neue Züricher Zeitung). Immerhin räumt die 'Zeit' als eine der wenigen Ausnahmen unter den deutschen Zeitungen ein, mit der "Gesundheitsreform" sei die Belastung für die Staatskasse "immer noch um hundert Milliarden geringer, als wenn es gar keine Reform gäbe".
Anders als in Europa - und anders als Anfangs verkündet - wird es keine staatlichen Krankenkassen geben, die in Konkurrenz zu den Konzernen treten könnten. Von einem staatlichen Gesundheitssystem war Anfangs allein deshalb die Rede, um linke und liberale Kräfte in den USA zur Unterstützung des Projekts zu gewinnen. Tatsächlich jedoch wird mit der beabsichtigten Defizitverminderung mit Hilfe der "Gesundheitsreform" eine Verschlechterung des US-amerikanischen Gesundheitssystems erreicht werden. Die Leistungen im Gesundheitssystem werden reduziert, zumal die Pharma-Konzerne nichts zu befürchten haben. Es handelt sich um Sozialabbau.
Die "US-Gesundheitsreform" ist keinesfalls mit echten sozialen Errungenschaften zu vergleichen wie der Einführung der Renten in den Zeiten des "New Deal" 1935 (Franklin D. Roosevelt) oder der Krankenversorgung für US-RentnerInnen 1965 (Lyndon B. Johnson). Diese konnten damals mit Hilfe des Drucks einer starken Opposition der unteren Schichten, in der Zeit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre mit einer noch existierenden starken ArbeiterInnen-Bewegung, durchgesetzt werden. Wegen der Massenentlassungen der vergangenen Jahrzehnte und der drastisch gesunkenen Zahl der Erwebstätigen ist von einem solchen Druck heute nichts mehr zu spüren.
LINKSZEITUNG
Anmerkung
Siehe auch folgende Artikel:
Gerichtsurteil: Britische Regierung muß
Folterdokumente veröffentlichen
Obama in Verlegenheit (11.02.10)
Obama verspricht
Bau neuer Atomkraftwerke in den USA (30.01.10)
Obamas neue Terrorfront im Jemen
Bis zu 120 Tote bei Angriff mit Marschflugkörpern
(23.12.09)
Obama zeigt erneut Flagge
Ein Verbot von Landminen wäre nicht
im Interesse seiner Finanziers (25.11.09)
"Friedens"-Präsident Obama erhöht Militär-Etat
Neuer Weltrekord: 680 Milliarden US-Dollar (29.10.09)
Obama schürt Konflikt in Somalia
US-Waffenlieferung ins Krisengebiet (27.06.09)
Obama erhöht den US-Kriegsetat
Größtes Militär-Budget der Weltgeschichte (8.04.09)
Barack Obama und das Nadelöhr
Ist von Obama anderes zu erwarten als von Bush?
(9.10.08)