Stuttgart (LiZ). 16.000 Demon- strantInnen protestierten am heutigen Samstag gegen die Absicht von Landesregierung und "schwarz-rot-gelber" Mehrheit im Stadtrat das Prestige-Projekt "Stuttgart 21" gegen den Willen der Mehrheit durchzusetzen. Auf der Kundgebung sprachen Matthias von Herrmann von den 'Parkschützern', der Präsident von Eurosolar Hermann Scheer und der Schauspieler Walter Sittler. Es zeichnet sich ab, daß bei einem Beginn des Abrisses des historischen Hauptbahnhofs sich viele Menschen wie zu Wyhler Zeiten an gewaltfreien Aktionen und Bauplatzbesetzungen beteiligen werden.
"Was hier getrieben wird, ist einfach eine Sauerei", sagte der Pressesprecher der 'Parkschützer', Matthias von Herrmann zu Beginn der Demo gegen 19 Uhr. Die Bahn AG und die Spitzen der Parteienpolitik arbeiteten mit allen Tricks, um Interessen weniger gegen den Willen des Volkes durchzusetzen. "Mit unseren Steuergeldern sind sie großzügig. Gleichzeitig vergammeln öffentliche Gebäude und werden Schwimmbäder geschlossen, weil das Geld für die Instandhaltung fehlt", sagte Herrmann. Aus der Menge waren immer wieder die Rufe "Oben bleiben!" und "Schuster weg!" zu vernehmen. Die eine Parole spielt darauf an, daß mit dem Mega-Projekt der Stauttgarter Hauptbahnhof unter die Erde verlegt werden soll. Mit der anderen ist Stuttgarts Oberbürgermeisters Wolfgang Schuster gemeint, der das Projekt gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit durchsetzen will und derzeit im Urlaub ist.
Hermann Scheer forderte in seinem Redebeitrag ein sofortiges Moratorium, um so den unmittelbar bevorstehenden Abriß des Nordflügels des historischen Gebäudes abzuwenden. Er wies darauf hin, daß sich GegnerInnen wie BefürworterInnen in einem gemeinsam unterzeichneten "Stuttgarter Appell" für eine Bürgerbefragung ausgesprochen haben. Das hatte Oberbürgermeister Schuster aber erst am Freitag in einem offenen Brief abgelehnt.
Zwischen 20 und 21 Uhr zogen 16.000 DemonstrantInnen durch die Stuttgarter Innenstadt und besetzen - als Probe für zukünftige gewaltfreie Aktionen - für zwanzig Minuten den Charlottenplatz. Die Polizei bestätigte am Ende, daß die Demo ohne "nennenswerte polizeiliche Vorkommnisse" verlaufen sei. Kurz nach 22 Uhr beendete der Versammlungsleiter die Demo.
Das Mega-Projekt provoziert zunehmenden Widerstand, weil auch von renommierten ExpertInnen immer wieder Bedenken hinsichtlich der Umsetzbarkeit und der Risiken für Umwelt und Verkehrsplanung geäußert werden. Die Gesamtkosten, die mittlerweile auf 4 bis 10 Milliarden Euro geschätzt werden, sind laut den KritikerInnen des Projekts angesichts der Rekordverschuldung der öffentlichen Kassen nicht zu verantworten. Nicht zuletzt entzündet sich der Widerstand daran, daß für das Prestige-Projekt rund 300 Bäume im nahen Schloßpark gefällt werden sollen.
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Anmerkungen
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