16.12.2011

AKW Fukushima Daiichi jetzt sicher?
Groteske Informationspolitik in Japan

AKW Fukushima Daiichi, Cryptome 14, verkleinert Tokio (LiZ). Seit neun Monaten müssen die TechnikerInnen und MitarbeiterInnen dem permanenten Super-GAU von Fukushima weitestgehend untätig zuschauen. Nach wie vor können die Ruinen von vier Reaktorgebäuden wegen der hohen Strahlung und Hitze nicht betreten werden. Die geschmolzenen Brennelemente haben die Reaktordruckbehälter zerstört und befinden sich irgendwo unterhalb von diesen - niemand weiß genau wo. Doch heute trat der Betreiber-Konzern TEPCO mit Regierungsvertretern im Schlepptau vor die japanische Öffentlichkeit und erklärte, die "Kaltabschaltung" sei erreicht.

Unter einer Kaltabschaltung ist in der Nukleartechnik zu verstehen, daß in einem intakten Reaktordruckbehälter eine Temperatur von unter 100 Grad Celsius erreicht ist. Bei einem zerstörten Reaktordruckbehälter von einer Kaltabschaltung zu sprechen ist ungefähr so sinnig, wie bei einem Auto mit einem durch Unfallfolge zerstörten Motorblock zu behaupten, es sei nun gelungen den Motor abzustellen.

Offenbar soll der seltsame Auftritt lediglich dazu dienen, die japanische Bevölkerung zu beruhigen. Regierungs-Chef Yoshihiko Noda sagte in der Öffentlichkeit: "Auch bei unvorhersehbaren Zwischenfällen kann die Strahlung am Rande der Anlage jetzt auf einem niedrigen Niveau gehalten werden." Ebenso gut könnte er behaupten, er sorge dafür, daß der Ozean nicht brennt. Japanische UmweltschützerInnen haben umgehend reagiert und Noda der Lüge bezichtigt. Mit ihren Äußerungen beschwören TEPCO und Regierungs-Chef Noda die Gefahr herauf, daß ein Teil der rund 80.000 Menschen, die das Gebiet in einem Radius von 20 Kilometern rund um das Atomkraftwerk verlassen mussten, in ihre Heimat zurückkehren.

Von einem sicheren Zustand sind die vier zerstörten Reaktorblöcke des AKW Fukushima Daiichi nach Ansicht unabhängiger ExpertInnen noch weit entfernt. Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis das AKW endgültig stillgelegt ist. Vermutlich weist die lavaähnliche Masse der geschmolzenen Brennelemente noch eine Temperatur von über 3000 Grad Celsius auf. Nicht auszuschließen ist, daß zumindest in einem der Reaktorgebäude die Kernschmelze durch das gesamte meterdicke Betonfundament hindurch gedrungen ist und in der Folge das Grundwasser weiträumig gefährdet. Das einzige, was die ArbeiterInnen von TEPCO seit Monaten tun können, ist, Wasser von außen in die Ruinen zu leiten. Ob es ihnen mittlerweile überhaupt gelungen ist, so etwas wie ein Zirkulationssystem aufzubauen, ist fraglich. Da bislang weder TEPCO noch die japanische Regierung präzise Daten über die Messungen von Radionukliden vor Ort herausgeben, kann nicht einmal eine Aussage getroffen werden, ob weiterhin mit Kernreaktionen in einer oder mehreren der Kernschmelzen gerechnet werden muß.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Der permanente Super-GAU von Fukushima
      Kernschmelze gravierender als zugegeben (2.12.11)

      Der permanente Super-GAU von Fukushima
      Hinweise auf fortdauernde Kernspaltung (2.11.11)

      Hohe Radioaktivität in Tokio
      Behörden leugnen Zusammenhang mit Fukushima
      (13.10.11)

      Der permanente Super-GAU von Fukushima
      Wie viele Menschen sind bisher betroffen? (7.09.11)

      Der permanente Super-GAU von Fukushima
      Regierung verteilt Radioaktivität über Japan (27.08.11)

      Weiteres starkes Erdbeben in Japan
      Atom-Ruine in Fukushima angeblich nicht betroffen
      (19.08.11)

      Steigende Strahlungswerte
      in Atom-Ruine Fukushima (2.08.11)

      Verstrahltes Fleisch aus Fukushima
      Liefer-Stop für japanische Rinder (19.07.11)

      AKW Fukushima Daiichi
      Erneute Explosion am 14. Juni? (16.06.11)

      Stark erhöhte Radioaktivität
      in Fukushima (4.06.11)

      Fukushima: Der permanente Super-GAU
      TEPCO bestätigt Kernschmelze in 3 Reaktoren (24.05.11)

      Explosionsgefahr in Fukushima
      Situation weitaus schlimmer als bislang dargestellt
      (12.05.11)

      Roboter in Reaktor-Ruinen von Fukushima
      Hohe Radioaktivitäts-Werte (18.04.11)

      Anti-Atom-Demo in Japan
      (10.04.11)

      Aktuelle Hintergrund-Informationen
      zur Reaktor-Katastrophe von Fukushima
      US-ExpertInnen befürchten negative Entwicklung
      in den kommenden Monaten
      Fotos von cryptome.org (6.04.11)

      Japanischer AKW-Experte:
      Reaktor I vermutlich schon am 11. März leck (29.03.11)

      Fragen zur Situation in Japan,
      zur Atomenergie und zu Deutschland (25.03.11)

      Gesellschaft für Strahlenschutz:
      Super-GAU ist längst Realität (23.03.11)

      Die Situation in den havarierten japanischen AKW
      Stand: Sonntag 16 Uhr (13.03.11)

      Notkühlfall in japanischem AKW
      Situation in Reaktor Fukushima Daiichi I spitzt sich zu
      (11.03.11)

      Nach jahrelangem Stillstand
      Japanischer Schneller Brüter Monju im Probebetrieb
      (7.05.10)

      Feuer in japanischem AKW
      Ein Arbeiter verletzt (5.03.09)

      Brand im weltgrößten AKW
      Seit Juli wegen Erdbeben-Schäden
      auf unabsehbare Zeit abgeschaltet (20.09.07)

      Japanisches AKW durch Erdbeben schwerer beschädigt
      als bisher bekannt
      Über 50 Prozent mehr Radioaktivität ausgetreten
      (18.07.07)

      Erdbeben verursachte Unfall in japanischem AKW
      Radioaktives Wasser trat aus (16.07.07)

      Schweres Erdbeben erinnert an
      AKW-Stilllegung vor einem Jahr (26.03.07)

      Japan: AKW Shika abgeschaltet
      Gericht erkennt auf mangelhafte Erdebebensicherheit
      (25.03.06)

      11 AKWs in Japan abgeschaltet
      Zweiter japanischer Strom-Konzern
      muß Konsequenzen ziehen (14.08.04)

      Atom-Ausstieg ist möglich
      in Japan 17 AKWs abgeschaltet (22.04.03)