12.05.2016

Glyphosat in konventionellem Wein
und Traubensaft

Weintrauben mit Glyphosat - Grafik: Samy - Creative-Commons-Lizenz Nicht-Kommerziell 3.0
Hamburg (LiZ). Eine Untersuchung im Auftrag von Greenpeace brachte zutage, daß in über 63 Prozent der getesteten konventionellen Weine und Traubensäfte das Pestizid Glyphosat enthalten ist. Die Proben aus der Bio-Landwirtschaft waren dagegen rückstandsfrei.

Nach dem Skandal um Glyphosat im Bier, den das Umwelt-Institut München im Februar - ausgerechnet zum 500-jährigen Jubiläum des Reinheits-Gebots - aufgedeckt hatte (Siehe unsere Artikel v. 25.02.16 und v. 27.02.16) wurde die Problematik in den Mainstream-Medien schnell wieder in den Hintergrund gerückt. Als "schockierend" sind die Ergebnisse kaum mehr zu bezeichnen. Bundes-Landwirtschafts-Minister Christian Schmidt gedenkt daher offenbar, die öffentliche Empörung aussitzen zu können.

"Durch den Genuß eines Glases Weins besteht keine akute Gefahr," erläutert Christiane Huxdorff, Umweltwissenschaftlerin und Expertin für Landwirtschaft bei Greenpeace. "Dafür sind die Werte zu gering." Allerdings sei dies nicht als Entwarnung zu verstehen. VerbraucherInnen würden durch die "Allgegenwärtigkeit" des Pestizids in der Lebensmittelproduktion täglich mehrere Portionen davon aufnehmen. Fündig wurden beispielsweise das Umweltinstitut München bei Bier und Ökotest bei einer ganzen Reihe von Getreide-Produkten.

Huxdorff kritisiert die offenkundige Abhängigkeit der industriellen Landwirtschaft von Pestiziden wie dem weitverbreiteten Glyphosat des US-amerikanischen Agro- und Chemie-Konzerns Monsanto. "Unerwünschte Pflanzen in der Plantage werden einfach totgespritzt. In der Tat ist das Prinzip Glyphosat recht praktisch: Es ist ein Totalherbizid. Landwirte besprühen ihre Äcker vor der Aussaat, um sicherzugehen, daß dort absolut nichts mehr gedeiht – außer der anschließend gesäten Kulturpflanze. So kommt es allein in Deutschland zu einem jährlichen Verkauf von 6000 Tonnen – Glyphosat ist weltweit der meistverwendete Wirkstoff," so Huxdorff.

Wind und Regen sorgen zudem dafür, daß die Chemikalie nicht nur auf den behandelten Flächen bleibt, sondern sich auch über angrenzende Felder ausbreitet. So werden Kräuter vernichtet, die auf dem Speiseplan von zahlreichen Insekten stehen. Eine Kettenreaktion: Wenn sich deren Bestände verringern, fehlt auch Vögeln die Nahrung (Siehe unseren Artikel v. 30.10.15). Daß Glyphosat sich negativ auf die Artenvielfalt auswirkt, ist nicht neu.

Neu hingegen ist die Einstufung des Mittels als wahrscheinlich krebserregend durch WissenschaftlerInnen der WHO im vergangenen Jahr. Davor galt das seit 1974 vermarktete Glyphosat als unbedenklich für die menschliche Gesundheit. "Alkohol gehört zwar auch zu den krebserregenden Substanzen," sagt Huxdorff. "Der Verbraucher kann sich aber entscheiden, ob er ein Glas Wein trinken möchte oder nicht. Bei Glyphosat, das eine Vielzahl konventioneller Lebensmittel belastet, kann er das nicht, weil er es nicht weiß." Eine sichere Alternative bieten lediglich Lebensmittel aus dem Bio-Laden.

Während das Bundesinstitut für Risikoforschung in Deutschland nach wie vor an der Unbedenklichkeit festhält, haben einige Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hamburg den Einsatz auf öffentlichen Flächen verboten. Auch dem Handel wird das Mittel zunehmend suspekt. So haben bereits viele Baumärkte Glyphosat aus dem Sortiment genommen.

Nun "müsse" die EU entscheiden, hofft Greenpeace. Wie bei jedem anderen Pestizid auch, steht derzeit bei Glyphosat eine der regelmäßigen Erneuerungen der Zulassung an. Auch in Hinblick auf die "schwarz-rote" Bundesregierung ist derzeit offen, ob sie in Brüssel mit "Ja" oder "Nein" abstimmt - oder ob sie sich wieder einmal enthält, was in der Vergangenheit in aller Regel einer Zustimmung gleichkam.

Die EU-Kommission hat bereits bekundet, eine Zulassung ohne Einschränkung erteilen zu wollen. Das Europaparlament hat "Bedenken" geäußert. Wie aus den geleakten TTIP-Geheim-Dokumenten hervorgeht, ist der Druck von Seiten der US-Regierung enorm, in der EU die Rechte von VerbraucherInnen den Profit-Interessen unterzuordnen.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      TTIP-Leak
      Greenpeace stellt TTIP-Dokumente online (1.05.16)

      Glyphosat in vielen Lebensmitteln
      Bundesregierung verharmlost Pestizid (27.02.16)

      Pestizid in deutschen Bieren
      Rein trotz Glyphosat? (25.02.16)

      Deutschlands Meeresschutz am Ende?
      Umwelt-Verbände kritisieren Bundesregierung scharf
      (22.02.16)

      Giftiges Trinkwasser in US-Stadt Flint
      seit März 2014 (18.01.16)

      Hendricks schützt Plastiktüten
      nach Vorbild des Klima-Gipfels von Paris (21.12.15)

      Thunfisch und Quecksilber
      EU-Kommission will Grenzwert lockern (16.09.15)

      Industrielle Landwirtschaft gefährdet Grundwasser
      Strenge Düngeverordnung gefordert (24.10.14)

      Industrielle Landwirtschaft tötet
      Fischsterben in der Elbe (24.07.14)

      Todeszonen der Ostsee weiten sich aus
      Bundesregierung untätig (17.06.14)

      Europas Flüsse stärker mit Chemie belastet
      als bislang angenommen (16.06.14)

      Wald-AIDS 2013
      Zustand schlechter - nicht besser (10.03.14)

      Nitrat-Belastung im deutschen Grundwasser
      verschlechtert sich dramatisch (19.10.13)

      Agrar-Subventionen
      BUND fordert Neuausrichtung (28.08.13)

      VGH-Urteil: Natürliches Mineralwasser
      darf Pestizide enthalten (2.08.13)

      Phosphat-Dünger
      Industrielle Landwirtschaft ohne Zukunft (7.05.13)

      Dem deutschen Wald geht es schlechter
      als in den 1980er-Jahren (4.02.13)

      Pestizide vernichten Amphibien
      Umweltbundesamt fordert Beschränkungen (1.02.13)

      Speer-Azurjungfer ist Libelle des Jahres 2013
      Vom Aussterben bedroht (5.01.13)

      Umweltverbände: Aigners Pestizid-Aktionsplan
      ist "mangelhaft" (25.10.12)

      Flächenfraß weiter lebensgefährlich
      BUND fordert Biotopverbund (17.07.12)

      Greenpeace deckt auf
      Pestizide in Obst und Gemüse (26.03.12)

      Wald-AIDS greift um sich
      Zustand der Buchen auf historischem Tiefpunkt (2.02.12)

      Gartenrotschwanz bald ausgerottet
      Vogel des Jahres 2011 (9.10.11)

      Merkel degradiert Wald zum Rohstofflieferanten
      Wald-AIDS in den Medien nahezu vergessen (21.09.11)

      Giftige Grünalgen an der bretonischen Küste
      Sarkozy: "Industrielle Landwirtschaft unschuldig" (29.07.11)

      BUND fordert Aufgabe der Pläne
      zum Elbe-Ausbau und Elbe-Saale-Kanal (9.02.11)

      Uran im Trinkwasser
      foodwatch kritisiert neuen Grenzwert (29.11.10)

      Appell gegen Massentierhaltung
      Für eine Agrar-Wende (23.11.10)

      Die Ostsee stirbt
      Mord per Ackerbau und Viehzucht (27.07.10)

      Hormone im Klärwasser
      Arzneimittelrückstände bedrohen Fische (17.04.10)

      Ostsee-Pipeline gefährdet Ökosystem
      WWF fordert Kompensationen (21.12.09)

      Uran im Trinkwasser
      'Foodwatch' kritisiert zu hohe Belastung (26.11.09)

      Umweltfrevel im Nationalpark
      Nothafen Darßer Ort wird ausgebaggert (6.11.09)

      Deutschlands Wasserverbrauch:
      160 Milliarden Kubikmeter jährlich (3.08.09)

      Der Rhein wird aufgeheizt
      AKW Fessenheim mit maßgeblichem Beitrag (30.06.09)

      Bundesregierung unterliegt:
      Liste der Agrar-Subventionen endlich öffentlich (9.06.09)

      Globale Wasserkrise steht bevor
      Weltwasserforum 2009 in Istanbul (15.03.09)

      Hormone im Mineralwasser
      Plastikflaschen in der Kritik (12.03.09)

      Die Ostsee stirbt
      Immer weniger Schweinswale (28.01.09)

      Wald-AIDS auch in den USA
      Sterberate in 20 Jahren verdoppelt (24.01.09)

      Steigende Pestizidbelastung
      bei konventionellem Obst und Gemüse
      Politik fördert weiterhin einseitig
      agro-industrielle Landwirtschaft (24.07.08)

      Umweltverbrechen Mais-Anbau
      Nitrat und Pestizide verseuchen das Grundwasser (18.05.08)

      "Umwelt"-Minister Gabriel macht den Coca-Cola-Vertreter
      in der Schule
      Was hat Coca-Cola wirklich mit Wasser zu tun? (24.04.08)

      Die Ostsee stirbt
      Gabriel desinteressiert (15.11.07)

      Die Ostsee stirbt
      Deutschland schaut zu (28.09.07)

      Wasser,
      globale Umweltzerstörung und Klimakatastrophe (14.05.07)

      Schmetterlinge in Deutschland
      80 Prozent vom Aussterben bedroht (13.04.05)

      Explosivstoff Wasser
      Nahost braucht eine gerechtere Verteilung... (1.02.04)

      Agrar-Wende
      Nichts als heiße Luft (24.01.04)

      Wasser und Weltbank (13.07.03)

      Wer gräbt den Armen
      das Wasser ab? (30.03.03)

      Wucher mit Wasser
      Die Folgen der Privatisierung der Wasserversorgung
      (22.03.03)