Paris (LiZ). Die französische Atom- aufsicht ASN genehmigte am vergangenen Freitag den Antrag des Strom-Konzerns EdF auf Verlängerung der Betriebszeit des AKW Tricastin am Unterlauf Rhône bei Avignon um zehn Jahre. In dem Atomkraftwerk, das im Jahr 2008 durch eine Reihe von "Pannen" traurige Berühmtheit erlangte, wurden allein bei einem Vorfall im Juli 2008 über 100 MitarbeiterInnen radioaktiv konta- miniert. Das AKW wurde in den Jahren 1980/81 in Betrieb genommen und ist das fünftälteste der 19 noch im Betrieb befindlichen französischen AKW.
Das AKW Tricastin ist das erste Atomkraftwerk, dem - noch vor dem AKW Fessenheim (Betriebsbeginn: 1977) oder dem AKW Bugey (Betriebsbeginn: 1978) - nach 30 Jahren Laufzeit eine 10-jährige Verlängerung der Betriebsgenehmigung genehmigt wurde. Die Entscheidung der ASN wurde in den französischen Mainstream-Medien fast vollkommen unterdrückt. Lediglich die Sonntagszeitung 'Journal du Dimanche' brachte eine Kurzmeldung von acht Zeilen. Das französische Pendant zur deutschen pseudo-grünen Partei, 'Les Verts', hat keine Stellungnahme veröffentlicht.
Das Vorgehen der ASN stellt eine neue Taktik dar: Bislang wurde die Betriebsgenehmigung der französischen AKW bei einer 10-Jahresrevision von 20 auf 30 Jahre verlängert - nunmehr sollen alle Atomreaktoren einzeln geprüft und beurteilt werden. Der Dachverband der französischen Anti-AKW-Initiativen 'Réseau Sortir du Nucléaire' sieht in diesem schrittweisen Vorgehen den Versuch, der Anti-AKW-Bewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen und so eine öffentliche Debatte um den Atomausstieg wie in Deutschland zu vermeiden. Anfang 2011 ist mit der Genehmigung weiterer 10 Jahre Betrieb des AKW Fessenheim zu rechnen.
Entgegen der von den deutschen Mainstream-Medien verbreiteten Legende einer "Laufzeitverlängerung" durch die Bundesregierung gibt es jedoch in Deutschland im Gegensatz zu Frankreich nach wie vor keine zeitlich terminierten Betriebsgenehmigungen. Bereits die im Jahr 2000 als "Atom-Ausstieg" von der damaligen "rot-grünen" Bundesregierung vertraglich vereinbarten Reststrommengen wurden irreführender Weise der Öffentlichkeit als "Restlaufzeiten" verkauft. Real bedeutete der damalige Vertrag lediglich eine Garantie des Betriebs der Atomkraftwerke für die jeweilige Legislaturperiode, für die die Regierung gewählt war. In der Amtszeit der "schwarz-roten" Bundesregierung von 2005 bis 2009 bestätigte sich nach und nach, daß die zuvor veröffentlichten "Abschalttermine" reine Phantasie-Daten waren. Auch nach der Anfang September 2010 von "Schwarz-Gelb" beschlossenen und dieser Tage von Bundespräsident Christian Wulff unterzeichneten "Laufzeitverlängerung" existieren in Deutschland keine gesetzlich fixierten Abschaltzeitpunkte für die 17 noch nicht stillgelegten deutschen Atom-Reaktoren und somit auch keine festgelegten "Laufzeiten". Das zuletzt am 11. Mai 2005 stillgelegte AKW Obrigheim war 37 Jahre in Betrieb.
Anmerkungen
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