12.07.2018

AKW-Projekt Hinkley Point C
EU-Gerichtshof weist Österreichs Klage ab

Justitia pro Atomenergie - Grafik: Samy - Creative-Commons-Lizenz Nicht-Kommerziell 3.0
Luxemburg (LiZ). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute die Klage Österreichs gegen die massive Subventionierung des britischen AKW-Projekts Hinkley Point C abgewiesen. Die Tory-Regierung unter Premierminister David Cameron hatte 2013 vertraglich vereinbart, in einem Zeitraum von 35 Jahren staatliche Subventionen in Form eines garantierten Stromabnahmepreises und damit insgesamt 108 Milliarden Euro zu zahlen.

Am AKW-Standort Hinkley Point, wo nach wie vor die beiden über vierzig Jahre alten Reaktorblöcke B1 und B2 in Betrieb sind, sollen zwei neue Atomreaktoren vom Typ EPR gebaut werden. Mit entsprechenden EPR-Projekten im französischen Flamanville (seit 2006) und im finnischen Olkiluoto (seit 2005) schaufelt sich die Kernkraftkirche ihr eigenes Milliardengrab (Siehe unsere Artikel v. 31.05.18 und v. 13.03.18). Im Gegensatz zu diesen Mahnmalen der Hybris und des Pfuschs sind die Grabmale der ägyptischen Pharaonen Meisterwerke der Baukunst.

Im September 2016 hatte die britische Regierung unter Premierministerin Theresa May nach einigem Hin und Her die Subventions-Entscheidung für das AKW-Projekt Hinkley Point C bestätigt. Anfang März 2016 war Thomas Piquemal, Finanzvorstand des französischen Strom-Konzerns und AKW-Betreibers EdF, zurückgetreten, weil er trotz der massiven Subventionen die Finanzierbarkeit von Hinkley Point C als äußerst riskant einschätzt und ein Scheitern des Projekts den gesamten Konzern in den Abgrund reißen kann. Im Oktober 2015 waren die beiden chinesischen Konzerne CGN und CNNC mit einem 33-Prozent-Anteil ins Hinkley-Point-Projekt eingestiegen. Und am 15. Juli 2015 hatte sogar die ARD-Tagesschau von den britischen Subventionsplänen in Höhe von über 100 Milliarden Euro berichtet (Siehe Tagesschau v. 15.07.2015).

Im Juli 2015 reichte die österreichische Regierung Klage gegen die Subventionierung des AKW-Projekts Hinkley Point C ein (Aktenzeichen: T-356/15) und forderte, daß diese für nichtig erklärt wird. Doch der EuGH entschied nun, daß das Ziel eines "gemeinsamen Interesses", wie es im EURATOM-Vertrag formuliert ist und mit dem die britische Regierung die Subventionierung zu rechtfertigen versucht, nicht unbedingt im Interesse aller Mitgliedstaaten - ja nicht einmal im Interesse der Mehrheit der Mitgliedstaaten - liegen müsse. Und ganz offensichtlich deckt sich das Ziel der britischen Regierung mit der im EURATOM-Vertrag von 1957 festgeschriebene Zielvorgabe einer Förderung der Atomenergie (die 1957 auch offiziell noch Atomenergie hieß - als noch nicht versucht wurde, sie aus Image-Gründen und zur Distanzierung von der wenig beliebten Atombombe in "Kernenergie" umzubenennen.)

Dabei hielt die EU-Kommission das neoliberale Credo vom freien Markt im Jahr 2004 noch hoch und bereitete der damaligen Labour-Regierung unter Premierminister Anthony (Kosename: "Tony") Blair erhebliche Schwierigkeiten, als dieser den AKW-Konzern British Energy mit einer Subvention von 7,6 Milliarden Euro vor dem Untergang bewahren wollte (Siehe unseren Artikel v. 11.04.04).

Und so wird der österreichischen Regierung nichts anderes übrig bleiben, als die seit vielen Jahren - mehr still als laut - erhobene Drohung einer Kündigung des EURATOM-Vertrags wahr zu machen - so sie denn nicht weiterhin den atomaren Irrsinn anderer europäischer Regierungen über die EURATOM-Mitgliedsbeiträge mit jährlich zweistelligen Millionenbeträgen mitfinanzieren will. Noch zu Zeiten eines deutschen Außenministers Joseph (Kosename: "Joschka") Fischer wurde verbreitet, ein Austritt aus EURATOM sei völkerrechtlich nicht möglich, da der Vertrag keine entsprechende Klausel enthalte. Nun hat gerade Großbritannien mit dem Austritt aus der EU, welcher vertraglich eben so wenig vorgesehen ist, bewiesen, daß auch eine Kündigung solcher Verträge durchaus möglich ist. Aus dem Hause der österreichischen sogenannten Umweltministerin Elisabeth Köstinger von der rechten ÖVP war allerdings nur zu vernehmen, daß Österreich zwei Monate Zeit habe, um eine Berufung gegen das EuGH-Urteil einzureichen.

Zudem melden sich in Österreich bereits Kräfte zu Wort, die eine vermeintlich weitergehende Forderung erheben: die Aufhebung des EURATOM-Vertrages. Mit der Ablenkung auf ein unrealistisches Ziel kann der Elan für eine österreichische Kündigung des EURATOM-Vertrags effektiv geschwächt werden. Unrealistisch ist diese Forderung nach Aufhebung des EURATOM-Vertrags, da die Regierungen von Staaten wie Frankreich oder Großbritannien dem keineswegs zustimmen werden und eine solche Initiative in Bälde blockiert wäre. Bei einer Kündigung des EURATOM-Vertrags durch Österreich bestünde hingegen die Chance, daß andere Regierungen - wie etwa die italienische, die ebenso wenig wie die österreichische unter der Fuchtel eines nationalen AKW-Konzerns steht - dem Beispiel einer EURATOM-Kündigung folgen. Sowohl Österreich als auch Italien haben keinerlei Vorteile aus dem EURATOM-Vertrag und müssen dennoch bislang Jahr für Jahr Millionen Euro zahlen.

Auch die Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin ihrer Fraktion, folgte einem merkwürdigen Verständnis von "Realpolitik", als sie heute forderte, die deutsche Bundesregierung solle auf eine "Neuausrichtung" des EURATOM-Vertrags drängen. Einmal hypothetisch vorausgesetzt, die Merkel-Regierung habe ein Interesse an einem Atom-Ausstieg, ist unverkennbar, daß ein vergleichsweise bescheidenes Begehr, dessen Vortrag auf der öffentlichen Politbühne seit vielen Jahren durch deutsche PolitikerInnen verschiedener Couleur zu vernehmen ist, das Drängen auf eine Stilllegung der Atomkraftwerke Fessenheim und Cattenom, von der französischen Regierung in Ablage P einsortiert wird.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      AKW-Projekt Hinkley Point C
      EU-Gericht schmettert Subventions-Klage ab (29.09.16)

      Hinkley Point: EdF spielt Vabanque
      Der Einsatz beträgt 22 Milliarden Euro (28.07.16)

      Hinkley Point: Chinesischer Staats-Konzern
      investiert in schwarzes Loch (21.10.15)

      Atom-Konzern Areva pleite
      2 Milliarden Euro von François Hollande (21.11.14)

      EU-Kommission genehmigt Subvention
      für AKW Hinkley Point (9.10.14)

      Atom-Ausstieg?
      Ein Vergleich zwischen D und GB (2.11.13)

      Neubau britischer AKWs
      aus Steuermitteln? (11.01.08)

      Zwangsweiser Atom-Ausstieg
      in Großbritannien? (11.04.04)

      EURATOM-Täuschung
      und weitere Atom-Subventionierung (27.07.03)