29.10.2012

Bundesweite Herbst-Konferenz
der Anti-Atom-Initiativen
Verstärkte Kooperation mit Ost-Europa

Bundesweite Herbst-Konferenz der Anti-Atom-Initiativen 2012 in Berlin
Berlin (LiZ). Der Schwerpunkt der Anti-Atom-Herbst-Konferenz lag auf dem Informations-Austausch und der Kooperation zwischen deutschen und ost-europäischen Anti-AKW-Initiativen. So waren Atomkraft-GegnerInnen aus Polen, Rußland, Tschechien, Litauen Belarus und der Ukraine zu der dreitägigen Konferenz nach Berlin gekommen.

Anwesend waren VertreterInnen von Anti-Atom-Gruppen aus Berlin, Hannover, Kassel, dem Wendland, Hamburg, von '.ausgestrahlt', den Naturfreunden, der 'Ökologischen Linken', Göttingen, Freiburg, Gronau, und Wiesbaden, aus Rußland, Polen, Belarus und Tschechien.

Schon in den 1980er-Jahren war die polnische Anti-AKW-Bewegung sehr erfolgreich. Sie konnte 1991 das Atom-Programm der Regierung stoppen. Seit 2005 verfolgen Regierung und der Energiekonzern PGE allerdings erneut AKW-Projekte. "Polen steht am Scheideweg, entweder Dekaden mit Atomkraftwerken oder die Chance auf mehr erneuerbare Energien," so eine Delegierte aus Polen.

Kontakte zwischen russischen und deutschen Atomkraft-GegnerInnen waren in den vergangenen Jahren schon öfter wegen Transporten von Nuklearmaterial zustande gekommen. So wurden etwa Brennstäbe aus russischen Armee-Beständen über St. Petersberg zu deutschen Atomkraftwerken transportiert. Der russische Konzern ROSATOM drängt auf den europäischen Markt und bei Petersburg wird ein neues Atomkraftwerk gebaut. Die russischen AktivistInnen berichteten davon, daß bei diesem Neubau-Projekt keine Rücksicht darauf genommen werde, daß Risse im Beton festgestellt wurden.

Die tschechische Anti-AKW-Bewegung klagt darüber, daß Strom aus dem AKW Temelin auch nach Deutschland und Österreich exportiert werde. Dies sei viel zu wenig bekannt. Sie fordern, daß Deutschland und Österreich keinen Strom aus Tschechien beziehen, solang dort Atom-Reaktoren in Betrieb sind.

An die Atomkraft-GegnerInnen in ganz Europa gerichtet ist ein Appell zur Unterstützung des "Nein" der litauischen Bevölkerung beim Atomkraft-Referendum. Es war das erste Referendum in Ost-Europa, das Atomkraft abgelehnt hat. Nun steht allerdings in Frage, ob das "Nein" von der litauischen Regierung akzeptiert wird.

Eine Petition der Atomkraft-GegnerInnen aus Belarus mit der Forderung "Sofortiger Stop des AKW-Baus in Belarus" - wurde mit großer Mehrheit verabschiedet. Aus der Ukraine erfuhren die TeilnehmerInnen der Herbstkonferenz, daß dort die Laufzeiten maroder Reaktoren mit Hilfe von EURATOM-Mitteln verlängert werden. Die Atomkraft-GegnerInnen aus Deutschland und den ost-europäischen Ländern beschlossen einen regelmäßigen Informationsaustausch und koordinierte Aktionen.

Einen großen Teil der Zeit widmeten die TeilnehmerInnen der Anti-Atom-Konferenz der Fortentwicklung ihrer Positionen in Arbeitskreisen. Die Themen der Arbeitskreise waren: Anti-Atom-Bewegung in Ost-Europa, Anti-Atom-Bewegung in Japan, Anti-Atom-Bewegung in Skandinavien, Atommüll, Uranabbau und Urananreicherung, Atom-Konzerne und Atom-Lobby, Atom-Transporte, Atomwaffen, Agenda 3 und Hermesbürgschaften, EURATOM, Strahlungsrisiko und Energiekämpfe.

In dem Arbeitskreis zum Thema Atommüll wurde die Frage diskutiert, wie am klügsten auf die in diesem Jahr von Parteien und Mainstream-Medien lancierte "Endlager"-Debatte zu reagieren sei. Dabei wurde festgestellt, daß es den ProtagonistInnen dieser Debatte derzeit gar nicht um eine wirkliche Lösung der "Endlagerfrage" gehe. Das dahinter stehende Interesse sei vielmehr, lediglich baldmöglichst einen "Endlager-Standort" in Deutschland ausrufen zu können, um so den im § 9a Atomgesetz geforderten "Entsorgungsnachweis" formal zu erfüllen. Ziel sei dabei die Legitimierung eines erneuten "Ausstiegs aus dem Ausstieg" und die Etablierung einer vierten Generation von Atomkraftwerken.

So wurde erneut der Standpunkt bekräftigt, der bei der Herbst-Konferenz 2011 in Göttingen in einer Resolution formuliert wurde: "Über das Atommüll-Dilemma kann nicht durch ein Festschreiben eines Endlagersuchgesetzes hinweggetäuscht werden. Die Ereignisse um das Atommüll-Lager ASSE II und die willkürliche Entscheidung eines »Endlagers« Gorleben sind nicht aufgearbeitet, die politisch Verantwortlichen wurden nicht zur Verantwortung gezogen. Die Stilllegung aller Atomanlagen ist zwingend notwendig vor der Suche nach Standorten für die Lagerung von Atommüll."

Weiter wurde die Befürchtung laut, nach dem Ende des nuklearen Zeitalters werde die "Endlagerfrage" an all jenen hängen bleiben, die weder dem Bau von Atomkraftwerken zustimmten noch davon profitierten. Die Kosten werden kaum von den "Großen Vier" (RWE, E.on, Vattenfall und EnBW) übernommen werden, da diese nach eine erfolgreichen Energie-Wende vermutlich pleite sind. Es wird sich dann zeigen, ob die Rückstellungen noch rechtzeitig gerettet, d.h. etwa in einen staatlich kontrollierten Fonds überführt werden konnten - oder ob sie sind verloren sind wie dies das Beispiel der britischen BNF bereits gezeigt hat.

Festgestellt wurde, daß es zwei grundlegend verschiedene Ansätze gibt, sich an der öffentlichen Diskussion um die "Endlagerfrage" zu beteiligen. Die eine wäre, sich nach dem Modell des "AK End", der vom damaligen Atom-Minister Jürgen Trittin ins Leben gerufen wurde, einbinden zu lassen. Der andere wäre, von außen Sachkritik zu üben und immer wieder darauf hinzuweisen, daß Gorleben ungeeignet sei, daß die nötigen Schlußfolgerungen aus dem Desaster mit Asse II gezogen werden, auf wissenschaftliche Ergebnisse wie etwa jene der ETH Zürich zu Ton hinzuweisen und so weiter.

Zuletzt wurde auch erwogen, ob es nebensächlich sei, sich auf die von außen oktroyierte Diskussion einzulassen, ob ein "Endlager" überhaupt möglich sei. Schließlich genüge es derzeit vollkommen, darauf hinzuweisen, daß bis heute weltweit kein Endlager für hochradioaktiven Müll existiert. Es sei schon schwierig genug, der Erwartungshaltung einer Mehrheit der Bevölkerung zu widerstehen, die "lösungsorientiert" sei. Immer wieder sei die Frage zu hören: "Und welche Lösung habt ihr?" Es sei schwierig und undankbar genug, darauf nur die Antwort zu haben: "Die VerbrecherInnen, die das Problem angerichtet haben, wissen keine Lösung - deshalb muß sofort Schluß damit sein, das Problem - also den Berg von radioaktivem Atommüll - noch weiter zu vergrößern."

Im Arbeitskreis Atomwaffen stellte Marion Küpker von der GAAA (Gewaltfreie Aktion Atomwaffen abschaffen) die Arbeit ihrer Organisation der vergangenen Jahre dar. Bundesweit ist die GAAA zwar weithin unbekannt, laut Küpker erziele sie aber an der Atomwaffen-Standorten eine "gute Resonanz". So konzentrierte sich die GAAA auf die Standorte Ramstein und Büchel. Laut Bundesregierung wurden die US-amerikanischen Atomwaffen aus Ramstein abgezogen. Die GAAA plant zusammen mit anderen Initiativen eine große Blockade-Aktion in Büchel im Zeitraum 9.-12. August 2013 mit Musik, gewaltfreien Aktionen, Redebeiträgen, Info- und Trainingscamps.

Im Arbeitskreis EURATOM breitete Uwe Hiksch von den Naturfreunden vielfältiges Zahlenmaterial aus. So leistet etwa die BRD einen Anteil von 18,9 Prozent an der EURATOM-Finanzierung. Mit diesen Geldern werden beispielsweise mit drei Milliarden Euro die Fusionsforschung und Lehrstühle an Universitäten finanziert.

Die Herbst-Konferenz ging am späten Sonntag Nachmittag zu Ende. Ein Ort oder Termin für die Frühjahrs-Konferenz 2013 konnte nicht vereinbart werden.

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Bundesweite Frühjahrs-Konferenz
      der Anti-Atom-Initiativen
      Endlagersuchgesetz "ohne Chance" (16.04.12)

      Japan: Nur noch 3
      von 54 Atom-Reaktoren am Netz
      Internationale Anti-Atom-Konferenz in Yokohama
      (30.01.12)

      Bundesweite Herbstkonferenz der Anti-Atom-Initiativen
      fordert sofortigen Atom-Ausstieg (2.10.11)

      "Atomkriegs-Gefahr wird unterschätzt"
      IPPNW kämpft für Abrüstung (27.08.10)

      21.000 Tonnen Yellow Cake
      nach Sibirien (12.06.07)

      Französisch-deutsche
      Anti-AKW-Konferenz in Trier (5.05.03)