Widerstand gegen AKW-Müll für Deponien
auch in Norddeutschland und Sachsen
Hannover (LiZ). Kürzlich wurde bekannt, daß radioaktiver Abriß-Schutt aus dem im Jahr 2011 stillgelegten AKW Unterweser auf der niedersächsischen Deponie Brake-Käseburg oberflächennah abgeladen werden soll. Der Landkreis Wesermarsch gab Anfang Mai bekannt, es handele sich dabei um "freigemessenen Abfall" vom Gebäude des Atomkraftwerks.
Wie zum Hohn heißt das Gesetz, auf das sich die deutsche Kernkraftkirche und die subalternen Behörden berufen, "Kreislaufabfall-Wirtschaftsgesetz". Tatsächlich muß damit gerechnet werden, daß radioaktive Partikel aus dem Abriß-Müll nicht etwa für immer auf der Deponie verbleiben, sondern durch Wind und Wetter in den Naturkreislauf gelangen. Im Falle von Radioaktivität führt also unbeabsichtigtes Recycling letztlich zu einem Anstieg der Krebsfälle in Deutschland.
Vor Ort kämpft die Bürgerinitiative 'DepoNIE' gegen das Abladen des AKW-Mülls auf die Deponie Brake-Käseburg. Auch ein niedersächsischer Landtagsabgeordneter, der zumindest dem Namen nach dieselbe parteipolitische Orientierung wie der baden-württembergische Ministerpräsident aufweist, hat sich nun klar geäußert: "Die Deponie ist für die Entsorgung von AKW-Bauschutt nicht geeignet. Es darf nicht nur darum gehen, dem Betreiber einen billigen Entsorgungsweg zu garantieren." Der Bauschutt würde einen unzulässig großen Anteil an den Einlagerungen auf der Deponie in Anspruch nehmen, was ein erhöhtes Strahlungsrisiko für MitarbeiterInnen, AnwohnerInnen und die Umwelt bedeute. Das Minimierungsgebot des Strahlenschutzes müsse beachtet werden - so der Abgeordnete Dragos Pancescu.
Auch Miriam Staudte, eine weitere niedersächsische Abgeordnete, die derselben Fraktion wie Pancescu angehört und deren atompolitische Sprecherin ist, fordert eine grundlegende Änderung der Praxis des sogenannten Freimessens. Ebenso wie die deutsche Ärzteschaft (siehe unseren Artikel v. 23.03.18) sagt Staudte: "Jede Strahlenbelastung ist ein Gesundheitsrisiko – es gibt keinen Schwellenwert, der unbedenklich wäre." Auch der parteilose Landrat des betroffenen Kreises, Thomas Brückmann, stellt sich jetzt dieser grüngefärbten "Entsorgung" von AKW-Abriß-Material entgegen. Und im Stadtrat von Brake will die Basis jener Partei, die in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten und den Atom-Minister stellt, die Einlagerung des Abriß-Materials verhindern.
Das im Jahr 2011 stillgelegte AKW Unterweser wird seit Februar dieses Jahres rückgebaut. Nach offizieller Auskunft soll dieser Rückbau in 13 Jahren - also im Jahr 2031 mit der legendären "grünen Wiese" abgeschlossen werden.
Auch im Falle des 2003 stillgelegten AKW Stade stoßen die Rückbaupläne auf Widerstand. Stade liegt rund 45 Kilometer westlich von Hamburg. Doch der radioaktive Abriß-Müll soll nach offiziellen Plänen mehrere hundert Kilometer quer durch Ostdeutschland in die Lausitz transportiert werden. Dort ist die Industrieabfalldeponie in Wetro für die ungeliebte Fracht auserkoren. Doch deren Geschäftsführer Johannes Mahr erklärte nun, in Zukunft keinen AKW-Schutt anzunehmen.
Noch vor knapp einem Jahr, im Juni 2017, hatte der Deponie-Betreiber der zuständigen sächsischen Landesregierung bekannt gegeben, bis zum Sommer 2022 jährlich rund 300 Tonnen Abfall vom Rückbau des ehemaligen Atomkraftwerks Stade annehmen zu wollen. Auch in Sachsen gibt es ein sogenanntes Umwelt-Ministerium - und dieses gab die Auskunft, die Deponie dürfe den radioaktiven Müll annehmen. Ergänzt wurde dies aus jenem Ministerium um die Information, es handele sich um "freigegebene gemischte metallische Abfälle" - also um Material, das ein noch größeres Risiko als Bauschutt birgt, mit radioaktiven Alphastrahlern kontaminiert zu sein.
In Sachsen gibt es mindestens drei Deponien, die nach offiziellen Informationen dafür geeignet sind, Abfälle aus dem Rückbau von Atomkraftwerken anzunehmen. In diesem Bundesland, das schon in Folge des Braunkohleabbaus großflächigen Umwelt- und Naturzerstörungen ausgesetzt ist, stößt die Annahme von Atommüll aus anderen Bundesländern in der Bevölkerung auf breites Unverständnis, da auch die beiden Atomkraftwerke Rheinsberg und Greifswald zu DDR-Zeiten weit entfernt lagen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Konflikt um radioaktiven Müll
Ärzte-Präsident Clever widerspricht Untersteller (23.03.18)
Atom-Müll aus Obrigheim auf Deponie?
Landrat Brötel verweigert die Einlagerung (13.07.17)
Konflikt um radioaktiven Müll
Hin und Her bei ÄrztInnenkammer (26.01.17)
Gegen "Freimessen" von Atommüll
LandesärztInnenkammer Ba-Wü warnt (3.12.16)