12.06.2010

Toscanella = Toxanella

Boykott-Aufruf gegen Syngenta-Tomaten

Toscanella = Toxanella Bern (LiZ). Die Schweizer Organisation 'Erklärung von Bern' (EvB) hat zum Boykott der Tomaten-Sorte "Toscanella" des Chemie-Konzern Syngenta aufgerufen. Gegen das Syngenta-Pestizid Paraquat kämpft die Organisation bereits seit Jahren. Nun will sie den weltweit größten Pestizid-Produzenten auf einem neuen Feld angreifen, da Syngenta laut EvB eine treibende Kraft hinter der Machtkonzentration auf dem Saatgutmarkt ist. Bei "Toscanella" handele es sich nicht um eine Sortenbezeichnung, sondern um eine Marke im Besitz von Syngenta.

Mit der Kontrolle über die Saatgutproduktion, die von den LandwirtInnen verwendeten Spritzmittel bis hin zum "Copyright" an Lebensmitteln im Verkaufsregal versuche der Chemie-Konzern den gesamten Lebenszyklus der Nahrungsmittelproduktion zu beherrschen, so die Schweizer Organisation. Drei Konzerne - Syngenta, Monsanto und DuPont - kontrollieren mittlerweile 40 bis 50 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes. Jede siebte Tomate weltweit stammt laut EvB von Syngenta und so drohe eine weltweite Abhängigkeit von wenigen Konzernen.

Die EvB weist darauf hin, daß Syngenta bislang den größten Teil seines Umsatzes mit der Produktion von Pestiziden macht. Eines der wichtigsten Produkte des Schweizer Chemie-Konzerns ist das "Unkraut"-Vernichtungsmittel Paraquat. Das Herbizid - in der Schweiz seit über 20 Jahren verboten - führt in Schwellen- und Entwicklungsländern jährlich zu Zehntausenden von Vergiftungsfällen und Tausenden von Todesfällen. Vergiftungssymptome sind Kopfschmerzen, Nasenbluten, Atemprobleme, Lungenschäden, Verletzungen der Haut und der Augen. Zudem mehren sich die Hinweise auf eine Verbindung zwischen Paraquat und der Parkinson-Krankheit. Die EvB fordert Syngenta auf, die Verantwortung hierfür zu übernehmen. Dem Konzern sei bekannt, daß Paraquat in vielen Entwicklungsländern nicht korrekt benutzt werden könne. Dennoch forciere Syngenta den Verkauf auch in diesen Ländern. Daß eine Paraquat-freie Produktion möglich ist, haben laut EvB Konzerne wie Chiquita, Dole oder Lipton längst bewiesen.

Die Schweizer Organisation fordert daher die KonsumentInnen auf, die "unverantwortliche Firmenpolitik von Syngenta und die weitere Machtkonzentration auf dem Saatgutmarkt" nicht länger zu unterstützen und daher den Kauf von "Toscanelle"-Tomaten zu boykottieren. Mit Tomaten der Pro-Specie-Rara-Sorte gebe es auch in Coop-Supermärkten eine Alternative, bei der die KonsumentInnen sicher sein können, daß deren Saatgut nicht von Syngenta stammt. Syngenta kontrolliert laut 'Neuer Züricher Zeitung' auch das Saatgut der Tomaten-Kreation "Kumato" und das verschiedener Wassermelonen. Und nach einer neueren Untersuchung von Greenpeace Deutschland fanden sich auf "Kumato"-Tomaten Rückstände von Lambda-Cyhalothrin, einem Uralt-Pestizid von Syngenta. Unter 61 Proben fand Greenpeace dieses Pestizid nur bei "Kumato" und in einer weiteren Probe.

Syngenta ging mittlerweile in die Gegenoffensive. Der Chemie-Konzern bestreitet, eine Strategie der Markt-Beherrschung zu verfolgen. Die Tomaten-Sorte "Toscanella" sei vielmehr auf Anregung von KundInnen "entwickelt worden, die sich über die Fadheit herkömmlicher Tomaten beklagt hatten."

EvB kritisierte unter anderem, daß auf der Verpackung der unter anderem in Coop-Supermärkten verkauften "Toscanella"-Tomaten kein Hinweis auf Syngenta zu finden sei. Neuerdings findet sich nun auf der Verpackung ein Hinweis auf die Internet-Seite www.toscanella.ch. Laut Syngenta fänden KonsumentInnen dort "alle relevanten Informationen, die weit über übliche Lebensmittelinformationen hinausgehen." Dort ist nun auch ersichtlich, daß es sich bei "Toscanella" um eine Tomate handelt, deren Saatgut von Syngenta stammt. Weiter fände sich dort ein link auf die Internet-Seite www.tomatoestoday.com, die Syngenta klar identifiziere.

Dies wird von der EvB durchaus als Verbesserung aus Sicht der KonsumentInnen gewertet. Leider sei diese Information, daß "Toscanella" mit Syngenta zusammenhängt, nach wie vor sehr versteckt. Der Hinweis auf eine Internet-Seite stehe in keinem näher beschriebenen Zusammenhang. Umfragen der EvB hätten ergeben, daß selbst sensibilisierte KonsumentInnen nicht wußten, daß die "Toscanella"-Tomate ein Syngenta-Produkt ist.

Syngenta wies in aktuell verbreiteten Stellungnahmen darauf hin, daß Paraquat in über 100 Ländern registriert sei, darunter auch jenen mit den strengsten regulatorischen Auflagen wie die USA, Australien, Kanada, und Japan. Im übrigen sei das Pestizid in der Schweiz nicht verboten. Syngenta strebe nur in denjenigen Märkten eine Produktzulassung an, wo eine Nachfrage besteht. Deshalb werde in der Schweiz kein Antrag auf Erneuerung einer vormals bestehenden Registrierung gestellt.

Der EvB ist diese Argumentation von Seiten Syngentas nicht unbekannt. Sie verweist daher auf eine Stellungnahme des Schweizer Bundesrats vom 20.11.2002: "Pflanzenschutzmittel, welche den Wirkstoff Paraquat enthalten, sind in der Schweiz seit dem 31. Dezember 1989 nicht mehr zugelassen, dürfen also seit diesem Datum nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Die Schweiz hatte mit dieser restriktiven Maßnahme schon damals auf die hohe akute Toxizität von Paraquat für den Menschen - insbesondere bei mißbräuchlicher Verwendung - reagiert. (…) In der Schweiz ist Paraquat, wie oben erwähnt, aus toxikologischen Gründen seit einigen Jahren nicht mehr zugelassen. Diese Nichtzulassung kommt einem Verbot im Sinne der PIC-Konvention gleich." Und: In der EU wurde Paraquat durch einen Gerichtsentscheid des Europäischen Gerichtshofes im Jahr 2007die Zulassung entzogen.

In aktuellen Stellungnahmen weist Syngenta darauf hin, daß der Konzern sich mit umfassenden Stewardship- und Trainingsprogrammen intensiv und aktiv für eine sichere Anwendung seiner Produkte einschließlich Paraquat einsetze. Im Jahr 2009 habe Syngenta weltweit über 3,9 Millionen LandwirtInnen im sicheren Umgang mit "Pflanzenschutzmitteln" geschult. Bei sachgerechter Anwendung könne Paraquat gefahrlos eingesetzt werden.

Die EvB ist dagegen der Ansicht, daß es nicht entscheidend sei, daß mehrere Millionen LandwirtInnen "geschult" worden seien, sondern daß vielmehr an den nach wie vor in Entwicklungsländern herrschenden, realen Bedingungen zu bemessen sei, ob Paraquat überhaupt gefahrlos angewendet werden kann. Eine von Syngenta selbst in Auftrag gegebene Studie zeige, daß in Ländern wie Bangladesh oder den Philippinen selbst minimale Schutzvorschriften wie etwa langes Hemd, lange Hose, Schuhe oder Stiefel von weniger als 10 Prozent der AnwenderInnen eingehalten werden.

Auch in den USA sei Paraquat - laut EvB - nur unter sehr strengen Auflagen zugelassen worden: Das Produkt darf nur von zertifizierten AnwenderInnen verwendet werden, und diese müssen beim Umgang mit Paraquat einen Overall mit Gummischürze, Schutzbrille mit Schutzmaske und Filter und Handschuhe tragen. Solche Vorkehrungen seien in Entwicklungsländern illusorisch. Es sei daher nicht erstaunlich, daß Studien aus Costa Rica, Korea oder Japan belegen, daß Paraquat zu jenen Produkten gehört, die zu den meisten Vergiftungen führen.

 

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Anmerkungen

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