Hamburg (LiZ). Wenn es eines Beweises bedurft hätte, daß die bestehenden Gesetze bei einer weiteren Verbreitung von Gen-Food keinen ausreichenden Schutz bieten, hat diesen Greenpeace heute geliefert: Ohne Hinweis auf der Zutatenliste - wie etwa beim kürzlich entdeckten Genfood-Riegel "Reese's Peanut Butter Cup" - und deshalb schlicht und ergreifend illegal finden sich zwei Schoko-Riegel des multinationalen Konzerns Nestlé in deutschen Supermärkten, die gleich mehrere genmanipulierte Komponenten enthalten.
Poppige, knallbunte Verpackungen mit großen Aufdrucken sind ein gängiges Bild in deutschen Supermärkten. Wer sicher sein wollte, Nahrungsmittel ohne genmanipulierte Zutaten zu kaufen, mußte das Kleingedruckte auf der Verpackung studieren oder in den Bioladen ausweichen. Nun deckt Greenpeace auf, daß auch das Lesen der kleingdruckten Zutatenliste keinen Schutz bietet: In den Nestlé-Schokoriegeln "Butterfinger" und "Baby Ruth" fand sich ein Sammelsurium genmanipulierter Zutaten - auf der Packung jedoch keinerlei Hinweis. Laboruntersuchungen im Auftrag von Greenpeace belegen, daß "Butterfinger" und "Baby Ruth" mit Gen-Soja hergestellt werden. Der "Butterfinger" enthält zudem Zutaten aus sechs unterschiedlichen Gen-Maissorten.
"Die meisten Verbraucher in Deutschland wollen sich kein Gen-Food unterjubeln lassen," sagt Stephanie Toewe, Gentechnik-Expertin bei Greenpeace. Mit illegalen genmanipulierten Lebensmitteln müssen sie unfreiwillig den Anbau der riskanten grünen Gentechnik unterstützen. Nach Greenpeace-Recherchen werden die beiden aus den USA importierten Riegel in den deutschen Supermärkten Karstadt/Perfetto, Edeka, REWE sowie an Tankstellen, Kiosken, in Videotheken und im Internet angeboten. Da der Verkauf von nicht gekennzeichnetem Gen-Food und der Anbau von Gen-Pflanzen zahlreiche Risiken für die Umwelt und die ökologische Landwirtschaft birgt, fordert Greenpeace umfassende Kontrollen der Lebensmittelüberwachung.
Die entdeckten Nestlé-Schokoriegeln sind typisch für Lebensmittel aus den USA. Laut den Laboruntersuchungen enthalten sie überwiegend Gen-Soja. In den USA werden generell genmanipulierte Zutaten wie Gen-Zucker, Gen-Sojaöl oder Gen-Maisstärke für die Lebensmittelherstellung verwendet. Über 90 Prozent der in den USA angebauten Soja und 85 Prozent des Maises sind gentechnisch verändert. Eine Kennzeichnungspflicht für Produkte aus Gen-Pflanzen existiert dort nicht.
In Europa machen sich Importeure, die diese ungekennzeichnete Gen-Ware hier auf den Markt bringen, strafbar. Der Gesetzgeber sieht bei solchen Verstößen Gefängnis- oder Geldstrafen vor. Doch bei der chronischen Unterfinanzierung und mangelhaften Personalaustattung der deutschen Lebensmittelüberwachung greifen diese Gesetze nicht und entfalten offenbar keinerlei Abschreckungswirkung. Laut einer EU-Verordnung dürften höchstens 0,9 Prozent pro Zutat aus genmanipulierten Pflanzen stammen, wenn auf der Zutatenliste kein entsprechender Vermerk aufgedruckt ist. Und auch dann sind - laut Gesetz - nur Verschmutzungen erlaubt, die zufällig sind und sich technisch nicht vermeiden lassen.
Einige deutsche Supermärkte bieten ein breites Sortiment an US-Importwaren wie Marshmallows, Suppen, Frühstücksflocken und Barbecue-Sossen an, sagt Toewe. Greenpeace fordert den Handel auf, nur Importprodukte aus den USA zu verkaufen, die garantiert keine Zutaten aus Gen-Pflanzen enthalten.
Ganz legal versucht hingegen der US-Schokoladenhersteller Hershey, Gen-Schokolade in Deutschland zu etablieren. Die Produkte "Reese's Peanut Butter Cup" und "Nutrageous" sind als Gen-Food gekennzeichnet und enthalten laut Zutatenlisten Gen-Zucker, Gen-Mais und Gen-Soja. Gen-Zucker taucht mit diesen Artikeln zum ersten Mal auf dem deutschen Markt auf. So verkaufen zum Beispiel Filialen der Supermarktkette Edeka die Süssigkeit.
Gentechnisch veränderte Zuckerrüben werden seit 2007 in den USA angebaut und dürfen als Lebens- und Futtermittel in die EU importiert werden. Der Anbau der Gen-Rübe ist selbst in den USA inzwischen umstritten, da sie sich leicht mit artverwandten Pflanzen kreuzt. Ihre Ausbreitung ist kaum kontrollierbar. Greenpeace hat den Handel aufgefordert, die Gen-Schokolade aus dem Sortiment zu nehmen.
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Anmerkungen
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