Blockupy-Proteste in Frankfurt
Flughafen von Polizei abgeriegelt
Frankfurt a.M. (LiZ). Am frühen Freitag morgen kamen hunderte DemonstrantInnen aus mehreren Protest-Camps, in denen sie die Nacht verbracht hatten, zum Hochhaus der Europäischen Zentralbank (EZB). Gegen 8 Uhr waren dort rund 3000 versammelt (nach Polizeiangaben: 1000 bis 1400) und versuchten eine "Umzingelung" oder eine "massenhafte Blockade". Polizeisperren erwarteten sie. Bereits kurz nach 7 Uhr war zu erfahren, daß die MitarbeiterInnen der EZB über eine Schleuse an der Untermainbrücke zu ihrem Arbeitsplatz gelangen konnten. Von offizieller Seite hieß es, die Polizei habe die Lage im Griff. Für viele der DemonstrantInnen schien es das Wichtigste zu sein, daß die "Stimmung trotz Regen gut" sei.
An manchen Orten in Frankfurt setzte die Polizei Pfefferspray ein. Mehr als ein bißchen Rütteln an den Absperrgittern war nicht drin. Am Willy-Brandt-Platz drängte die Polizei DemonstrantInnen von den Absperrgittern zurück. Rufe wie etwa "Brecht die Macht der Banken und Konzerne" waren zu hören, untermalten aber eher die Ohnmacht der DemonstrantInnen. "Die Blockade steht. Der Geschäftsbetrieb der EZB ist erfolgreich gestört," erklärte dagegen Blockupy-Sprecherin Ani Dießelmann. " Bereits um 10:30 Uhr sollten die "Blockaden" beendet werden. Ani Dießelmann verkündete: "Das Blockupy-Bündnis hat sein erstes Aktionsziel erreicht. Im Laufe des Tages werden wir weitere Akteure der Krise mit entschiedenen Aktionen in der Stadt markieren."
Für 10:30 Uhr war der Protest vor der Deutschen Bank angekündigt, doch gegen 11 Uhr befanden sich dort erst rund 500 DemonstrantInnen. Schon eine dreiviertel Stunde später wurde das Ende der "Kundgebung" durchgesagt. Ab 12:30 Uhr sollte auf der Frankfurter Zeil gegen die schlechten Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie und wenig später im Flughafengebäude gegen die "schwarz-rot-gelb-grüne" Asylpolitik und gegen Abschiebungen demonstriert werden.
Auf der Zeil fanden sich rund 500 DemonstrantInnen ein, die immerhin erreichen konnten, daß einige der "feinen" Läden die Rolläden herunterließen. Bei einer Sitzblockade vor dem Einkaufszentrum MyZeil war der Slogan zu hören: "Eure Mode ist so fesch, wie der Tod in Bangladesch."
Am gestrigen Donnerstag hatte der Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Kassel in einer Eilentscheidung festgelegt, daß zwar eine Demo im Flughafengebäude stattfinden dürfe - jedoch nur mit 200 Personen. So soll nun wohl die "repräsentative Demokratie" bei Demonstrationen durchgesetzt werden. Zuvor hatte die Frankfurter Stadtverwaltung verfügt, daß eine Demonstration nur außerhalb des Terminals zwischen Busbahnhof, Parkhaus und Autobahn stattfinden dürfe. "Die Stadt ist endgültig gescheitert mit ihrem Versuch, den Flughafen zur grundrechtsfreien Zone zu machen," freute sich Blockupy-Sprecher Martin Sommer ein wenig voreilig.
Gegen 13 Uhr versuchten viele DemonstrantInnen aus allen Himmelsrichtungen vergeblich zum Frankfurter Flughafen zu gelangen. Manche der S-Bahn-Strecken zum Flughafen wurden lahmgelegt - offenbar durch die Polizei. Alle S-Bahnen von der Innenstadt zum Frankfurter Flughafen fielen aus. Auch der S-Bahn-Verkehr zwischen Frankfurt und Wiesbaden kam für einige Zeit zum Erliegen.
Mit der Kundgebung mußten die Blockupy-OrganisatorInnen auf den Platz vor der Abflughalle B des Terminals 1 ausweichen. Im Unterschoß des Regionalbahnhofs - unter dem Flughafengebäude - wurde eine Sitzblockade mit etwa 250 TeilnehmerInnen fortgesetzt. Sie riefen: "Kein Mensch ist illegal, Bleiberecht überall!" Später sollten von Blockupy-"Verantwortlichen" nach einem noch unbekannten Kriterium 200 Personen ausgewählt werden, die dann im Terminal 1 demonstrieren dürfen. Doch noch gegen 14:30 Uhr stand die Polizei in Dreierreihen vor der Abflughalle B des Terminals 1 und ließ niemanden durch. Die "repräsentative Demokratie" beim Demonstrieren sollten sich die Anwesenden offenbar erst erbetteln, damit sie sie hinterher als Errungenschaft wertschätzen können.
Obwohl Blockupy-"Verantwortliche" tatsächlich die 200 Personen, die laut Gerichtsbeschluss im Terminal demonstrieren dürfen, ausgewählt hatten, wurde zunächst auch nach stundenlangem Palaver mit der Polizei niemand ins Terminal 1 hineingelassen. Erst gegen 15:30 Uhr schien das erforderliche Maß an Bettelei erbracht worden zu sein und 200 Personen wurde es gestattet, der Verrichtung ihrer demokratischen Gepflogenheiten nachzukommen.
Auf Deutschlands meistverkauften Toilettenpapier mit dem Logo war die Warnung zu lesen: "Frankfurt droht Radale-GAU". Frankfurt, EZB und Zeil seien am Freitag "im Würgegriff von Blockupy" und "Polizei, Stadt und Fraport" seien in Sorge. Bei Fraport handelt es sich um das Unternehmen, das den Frankfurter Flughafen betreibt.
Eine Blockupy-Sprecherin erklärte gegen 17 Uhr: "Das Blockupy-Bündnis hat sein erstes Aktionsziel erreicht. Wir machen den europaweiten Widerstand gegen die verheerende Verarmungspolitik sichtbar." Zu einer Demo am Samstag erwarten das Blockupy-Bündnis 20.000 TeilnehmerInnen in Frankfurt. Im Blockupy-Bündnis zusammengeschlossen haben sich Gruppen wie die Interventionistische Linke, Attac, gewerkschaftliche Jugendorganisationen, die Linkspartei, das "Ums Ganze"-Bündnis sowie AktivistInnen von 'Occupy', die im Herbst 2011 vor der EZB ihre Zelte aufgeschlagen hatten. In einem wenig theorielastigen Nebeneinander von antikapitalistischen und "globalisierungskritischen" Positionen will das Blockupy-Bündnis gegen die Austeritäts- und "Spar"-Politik in Europa, gegen Nahrungsmittelspekulationen von Banken, gegen Mietpreiserhöhungen und gegen die deutsche Asylpolitik und die Abschiebungen von Flüchtlingen protestieren.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Enge und häufige Kontakte Merkels
zu Bankern aufgedeckt (20.02.13)
Steinbrück für höhere Strompreise
Der "rote" Lobbyist für ThyssenKrupp (12.12.12)
Strompreiserhöhungen wegen Energie-Wende?
Zur Zeit werden Lügen verbreitet (9.11.12)
Atomminister Altmaier
und das soziale Gewissen (15.08.12)
Blockupy - erfolgreich oder gescheitert?
Eine Analyse und Kritik (27.05.12)
Merkels "Atom-Ausstieg"
Täuschungsversuch wie vor 11 Jahren
Wie Kretschmann 2002 einen
"politischen Selbstmord" überlebte (30.05.11)