Rede von Jürgen Grässlin auf der Kundgebung des
Deutschen Gewerkschaftsbundes zum 1. Mai 2010 in Freiburg
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zuallererst möchte ich mich beim DGB Südbaden für die Einladung
bedanken, im Namen des Freiburger Friedensforums und des
RüstungsInformationsBüros bei der heutigen Kundgebung zum 1. Mai einige
Worte an euch richten zu dürfen. Ich selbst bin Mitglied des
Schriftstellerverbandes von ver.di und Mitglied der GEW, Mitbegründer des
Freiburger Friedensforums und Vorsitzender des RIB e.V., zudem
Bundessprecher der größten deutschen Friedensorganisation, der Deutschen
Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK).
Zurzeit leben wir wirtschafts- wie finanzpolitisch in einer bedrohlichen
Zeit. Deutschland, selbst hoch verschuldet, stemmt sich gemeinsam mit
anderen EU-Staaten gegen den Kollaps Griechenlands. Was jedoch kein
Regierungspolitiker anspricht: Das monetäre Sponsoring mit deutschen
Steuergeldern dient zu einem erheblichen Teil auch der Absicherung
milliardenschwerer Waffengeschäfte.
Mit den Geldern aus Deutschland soll der Kauf von Leopard-Kampfpanzern von
Krauss-Maffei-Wegmann und Kriegsschiffen von Thyssen-Krupp-Marine Systems
finanziell abgesichert werden. Griechenland stellt gerademal 0,2 Prozent
der Weltbevölkerung, leistet sich jedoch Anteil am Weltwaffenmarkt von 4
Prozent - also das Zwanzigfache.
Der Tod ist ein Meister aus Deutschland. Wir Deutschen sind
Europameister - jedoch nicht beim Erhalt und Ausbau des Sozialstaates,
nicht in ökologisch definierter Nachhaltigkeit und schon gar nicht in der
Friedenspolitik. Nein, Deutschland steht auf Platz 3 der
Weltwaffenexporteure. Von Deutschland aus werden Waffen an NATO-Partner,
wie die USA und Großbritannien, exportiert, die im Irak und in
Afghanistan Krieg führen. Von Deutschland aus werden seit Jahrzehnten
Scheindemokratien und Diktaturen in aller Welt mit Waffen versorgt. Laßt
uns heute als DGB Südbaden klar und unmißverständlich die Forderung an
die Adresse der Bundesregierung richten: Stoppen Sie Rüstungsexporte!
Der Tod ist ein Meister aus dem Regierungsbezirk Freiburg. Gemessen an der
Zahl der Kriegstoten gibt es keinen anderen Regierungsbezirk in
Deutschland, dessen Rüstungsfirmen derart hohe Opferzahlen zu
verantworten haben. Bis zum heutigen Tag haben mehr 1,5 Millionen Menschen
ihr Leben durch eine Waffe verloren, entwickelt von Heckler & Koch in
Oberndorf. Weitaus mehr Menschen sind zeitlebens verstümmelt. Seit über
50 Jahren stirbt durchschnittlich alle 14 Minuten ein Mensch durch eine
Kugel aus dem Lauf einer H&K-Waffe.
Der Tod ist aber auch ein Meister aus Freiburg. Das Fraunhofer-Institut
ist in der Militärforschung tätig. Die Freiburger LITEF GmbH, ein
Tochterunternehmen des US-amerikanischen Rüstungsriesen Northrop Grumman,
stellt faseroptische Navigationssysteme für Kampfflugzeuge, Kriegsschiffe
und Landfahrzeuge her. Litef fertigt den Bordcomputer und
Militärelektronik für das Kampfflugzeug Eurofighter/Typhoon.
Demnächst sollen 70 Eurofighter an Saudi-Arabien geliefert werden, ein
Land, in dem schwere Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind.
Viele weitere menschenrechtsverletzende Empfängerländer der
LITEF-Militärelektronik wären zu nennen. Ich kenne kein anderes
Unternehmen in Freiburg, das so schamlos von den Kriegen in aller Welt
profitiert. Litef ist Freiburgs tödlichstes Unternehmen.
Ich möchte hiermit nachdrücklich anregen, daß der DGB und die IG Metall
bei H&K, Mauser, Junghans, Rheinmetall und LITEF den großen
Waffenschmieden im Regierungspräsidium, "Runde Tische
Rüstungskonversion" einberufen. Laßt uns die Forderung nach der
"Friedenstadt Freiburg" ernst nehmen und bei uns beginnen. Am
"Runden Tisch Rüstungskonversion bei LITEF" sollten Vertreterinnen
und Vertreter der Rüstungsfirmen, die Bundestagsabgeordneten Gernot Erler
und Kerstin Andreae, die Stadtratsfraktionen, die Kirchen sowie die
Friedens- und Menschenrechtbewegung teilhaben. Denn in Südbaden dürfen
nicht länger Todesprodukte entwickelt, produziert und exportiert werden.
Laßt uns Arbeitsplätze in Südbaden durch die Fertigung sinnvoller,
sozial und ökologisch verträglicher Produkte sichern!
In der Kürze der Redezeit kann ich vieles nicht näher ausführen.
Deshalb nur stichwortartig drei weitere zentrale Forderungen aus der
Friedens- und Menschenrechtsbewegung. In einer Woche, am 8. Mai, feiern
wird das Ende des Faschismus vor 65 Jahren. Grund zum Feiern gibt es
allerdings wenig. Denn heute führt Deutschland wieder Krieg. Soldaten der
Deutsch-Französischen Brigade in Müllheim werden weltweit zu
Kampfeinsätzen abgeordnet. Zu Recht fordern, je nach Umfrage, 60 bis 80
Prozent der Bevölkerung in Deutschland den Abzug der Bundeswehr aus
Afghanistan. Erst wenn die Militäreinheiten abgezogen sind, wird der
zivile Aufbau des Landes möglich sein. Erst dann können die zivilen
Aufbauhelfer wieder tätig sein, ohne daß sie beschossen werden. Laßt
uns deshalb als DGB Südbaden klar sagen: Die Bundeswehr und mit ihr alle
anderen Armeen müssen sich aus Afghanistan zurückziehen!
Als Mitglied der GEW fordere ich: Die Bundeswehr darf nicht in Schulen
für ihre Kriegspolitik werben. Wenn Schulen Veranstaltungen mit der
Bundeswehr durchführen, dann müssen auch immer ein Vertreter der
Friedensbewegung eingeladen werden. Und noch ein absolut bedeutendes
Thema: das Schicksal von Flüchtlingen. Roma-Flüchtlinge sollten aus
historischen Gründen Arbeitsplätze in Freiburg erhalten. Menschen, die
vor Waffengewalt und Hunger zu uns fliehen, muß Asyl gewährt werden. Die
menschenverachtende Abschiebepolitik muß beendet werden!
In unserer Satzung haben wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter uns
zur Friedensverantwortung bekannt, nämlich zum "Eintreten für eine
allgemeine und weltweite kontrollierte Abrüstung, für die Verwirklichung
und Erhaltung des Friedens und der Freiheit im Geiste der
Völkerverständigung". (Satzung DBG 2006, Punkt 3a) Unsere Satzung ist
uns Verpflichtung. Laßt uns alle daran arbeiten, daß zukünftig von
Südbaden und von Freiburg aus das Signal für Abrüstung und
Völkerverständigung ausgeht - und nicht länger todbringende
Waffenexporte und Kampfeinsätze.
Vielen Dank.
LINKSZEITUNG
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Kundus-Massaker
Skandal
Bundesanwaltschaft kneift (19.04.10)
Irak-Krieg
Video zeigt Kriegsverbrechen
US-Hubschrauberbesatzung schießt auf Unbewaffnete
(6.04.10)
50 Jahre Ostermarsch
Gegen Atomwaffen und für Abzug aus Afghanistan
(3.04.10)
Friedensorganisationen kritisieren
deutschen Rüstungsexport
"Ohne moralische und ethische Basis" (1.04.10)
Kundus-Massaker: Organisation 85
versucht zu vernebeln (19.03.10)
Scheinwahl im Irak
"... von einer korrupten Regierung ausgeplündert"
(8.03.10)
Europameister Deutschland
Legale Waffenexporte...
Gastbeitrag von Jürgen Grässlin (7.03.10)
Joint Venture:
Rheinmetall und MAN gründen neuen Rüstungs-Konzern
(13.01.10)
60 Jahre Heckler&Koch
Kein Grund zu feiern! (28.12.09)
Rüstungsexporte
Der Tod ist ein Meister aus Deutschland
Steigerung auf 5,78 Milliarden Euro (15.12.09)
Obama zeigt erneut Flagge
Ein Verbot von Landminen wäre nicht
im Interesse seiner Finanziers (25.11.09)
"Friedens"-Präsident Obama erhöht Militär-Etat
Neuer Weltrekord: 680 Milliarden US-Dollar (29.10.09)
Hoher US-Militär gibt auf
Persönlicher Rückzug aus Afghanistan (27.10.09)
Globale Militärausgaben
auf 1.464 Milliarden US-Dollar gestiegen (9.06.09)
Das Geschäft mit dem Tod blüht
Deutschland behauptet Platz 3
auf Top Ten der Terrorstaaten (28.04.09)
Obama erhöht den US-Kriegsetat
Größstes Militär-Budget der Weltgeschichte
Ahmadinedschad bestreitet Pläne
zum Bau einer Atom-Bombe (8.04.09)
Ehemaliger US-General John Abizaid
bezeichnet Irak-Krieg als Krieg ums Öl (16.10.07)
Drei Kriegsgründe - drei Lügen
US-Kommissionsbericht bestätigt indirekt
einen Kriegsgrund (18.06.04)