24.11.2013

Durchbruch bei Atom-Streit mit Iran
UN-Veto-Mächte auf Kompromiss-Kurs

Hassan Rohani, Präsident des Iran
Genf (LiZ). Bei den Verhandlungen zwischen der iranischen Regierung unter Hassan Rohani und den UN-Veto-Mächten gelang offenbar in der vergangenen Nacht ein Durchbruch. Statt wie bisher auf einer Uran-Anreicherung bis zu 20 Prozent zu beharren, stimmte die iranische Regierung offenbar zu, diese bei 5 Prozent zu deckeln. Auf der andern Seite gestehen die Atom-Mächte USA, Rußland, China, Großbritannien und Frankreich Rohani nun das "Recht" auf die Nutzung von Atomenergie zur Stromerzeugung zu.

Um einem ähnlichen Fiasko wie bei der Vereinbarungen mit Nordkorea vom Oktober 2007 vorzubeugen, haben sich beide Seiten dem Vernehmen nach auf strenge Kontrollen der iranischen Atomanlagen durch die IAEA geeinigt. Zu dem Kompromiss gehört offenbar auch, daß die scharfen Wirtschaftssanktionen, die der iranischen Bevölkerung schweren Schaden zufügten, aber den politischen Kurs des Iran nicht beeinflussen konnten, nach und nach zurückgenommen werden. Die Vereinbarungen sollen zunächst für ein halbes Jahr gelten. In dieser Zeit werden bestimmte Teile des iranischen Atomprogramms, die angeblich medizinischen Zwecken dienen sollten, ausgesetzt - im Gegenzug werden Sanktionen gelockert.

Der religiöse Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, dankte in einer Erklärung den Unterhändlern seines Landes in Genf für den Erfolg. "Gottes Gnade, die Gebete und die Unterstützung der Bevölkerung" hätten die Einigung ermöglicht. Chamenei bestimmt als einer der Mächtigsten im Staatsgefüge des Iran mit über die Richtlinien der Politik.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Einigung im Atom-Streit als "historischen Fehler" und warnte erneut davor, die iranische Regierung strebe insgeheim weiter danach, in den Besitz der Atombombe zu gelangen und Israel zu vernichten. Israels Präsident Shimon Peres zeigte sich dagegen moderat: "Ich möchte dem iranischen Volk sagen: Ihr seid nicht unsere Feinde und wir nicht eure." Er zeigte sich zugleich optimistisch, daß der Atom-Streit mit diplomatischen Mitteln zu lösen sei.

In Israel ist die Angst, erneut Opfer eines Genozids zu werden, immer noch tief verwurzelt. Antisemitische Propaganda in etlichen Nachbarstaaten hat dieser Angst immer wieder neue Nahrung gegeben. Allerdings hatten seit 1979 sämtliche iranischen Regierungen und auch die religiösen Führer des Iran unzweideutig den Verzicht auf Atomwaffen bekundet und Israel stets als einzige Macht im Nahen Osten angeprangert, die über die Atombombe verfügt.

Historische Erfahrungen belegen, daß noch jeder Staat, der mit dem Bau von Atomkraftwerken begann, letztlich versuchte, in den Besitz der Atombombe zu gelangen. Gerade die USA oder auch Israel sind der beste Beweis für die dem iranischen Regime unterstellten schlechten Absichten. Mittlerweile zählen mehr oder weniger offiziell die Regierungen von neun Staaten zum Atomwaffen-Club: die der USA, Rußlands, Großbritanniens, Frankreichs, Chinas, Israels, Indiens, Pakistans und Nordkoreas.

Die Menschheit sitzt weiterhin auf einem "Pulverfaß", an dem nun neun statt zehn Lunten brennen. Die Welt ist damit sicherlich ein kleines Stück weniger unsicher geworden. Aber weiterhin bleibt festzustellen: Eine Regierung, die auf die "friedliche" Nutzung der Atomenergie beharrt, ist gefährlich, noch gefährlicher und verbrecherischer sind jedoch all jene Regierungen, die Atomwaffen besitzen.

Eine besondere Schande der jetzigen Rohani-Regierung ebenso wie der vorangegangenen unter Mahmud Ahmadinedschad besteht darin, daß in dem sonnenverwöhnten Land kaum Anstrengungen unternommen werden, von der einseitigen Abhängigkeit vom Erdöl wegzukommen und die eigene Energieversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen. Auch wenn alle bisher veröffentlichten Geheimdienst-Dossiers nicht beweisen konnten, daß die Führung des Iran an der Entwicklung der Atombombe arbeitet - Glaubwürdigkeit kann Rohani erst dann beanspruchen, wenn er einen energiepolitischen Kurswechsel vollzieht und auf das "Recht" auf die Nutzung von Atomenergie zur Stromerzeugung verzichtet.

 

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Anmerkungen

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