11.12.2012

Festung Europa
Tödliche Mauer am Bosporus

Die Mauer
Athen (LiZ). Das DDR-Regime verbrämte die Mauer als "antifaschistischen Schutzwall". Am Bosporus wurde mittlerweile die EU-Grenze mit einer drei Meter hohen Sperranlage befestigt. Und trotz einer weitaus größeren Zahl an Toten an den Außengrenzen der Festung Europa werden die europäischen Institutionen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Auch heute wieder geben sich deutsche Polizisten für die Optimierung einer mörderischen Grenzanlage her. "Keine besonderen Vorkommnisse!", meldet Christoph D. am Ende einer Nachtschicht. "Wir stellen wesentlich weniger illegale Grenzübertritte fest, seit der Zaun im Bau ist." Mit "Zaun" meint der deutsche Bundespolizist, der für die EU-Grenzschutzagentur Frontex in Griechenland arbeitet, eine neue Grenzbefestigung mit einer Länge von zehn Kilometern. Sie besteht aus Stahlpfosten, Maschendraht, dahinter Stacheldraht in Rollen, der mit messerscharfen Klingen versehen ist - dann wieder ein Stahlgerüst und Maschendraht. Drei Meter hoch und 1,20 Meter breit ist dieses monströse Sperrwerk. Es gilt als unüberwindlich. Mit Hilfe von Infrarot- und Wärmebildkameras überwachen die Polizisten den "Zaun" auf seiner ganzen Länge Tag und Nacht. Die Kosten dieser Anlage, die in diesem Monat fertiggestellt sein soll, belaufen sich auf rund 5,5 Millionen Euro.

An der Errichtung und Sicherung des europäischen "Schutzwalls", die unter dem Operationsnamen "Poseidon Land" von der EU-Grenzschutzagentur Frontex geleitet werden, nehmen Polizisten aus zehn Nationen teil. Indem die Industrienationen jährlich Waren und Geld im Volumen von hunderten Milliarden US-Dollar aus den armen Ländern absaugen (siehe unseren Artikel vom 17.10.12) und so dort den Hunger verschlimmern, erhöhen sie zugleich den Druck auf die Menschen, diesem Elend zu entfliehen. Im Jahr 2010 wurden 47.000 Flüchtlinge an der türkisch-griechischen Grenze aufgegriffen. Mehr als die Hälfte aller Migranten, die ohne gültige Papiere in die EU gelangten, kamen über Griechenland.

An den Ursachen, warum immer mehr Menschen aus Afrika fliehen, ändert die Sperranlage in Griechenland ebenso wenig wie der "antifaschistische Schutzwall" die Ostdeutschen zwischen 1961 und 1989 von den Segnungen der DDR-Diktatur zu überzeugen vermochte. Und so kommen die Flüchtlinge aus Afrika jetzt vermehrt über das Mittelmeer, wo sie in großer Zahl Schiffbruch erleiden und ertrinken. Allein in der nördlichen Ägäis stieg die Zahl der aufgegriffenen Flüchtlinge von 125 auf 1900. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zählte bereits im Jahr 2011 mehr als 1.500 Flüchtlinge, die im Mittelmeer ertranken oder auf der Passage verdursteten - so viel wie in keinem anderen Jahr zuvor. Die Dunkelziffer beträgt vermutlich ein Vielfaches. In den vergangenen 25 Jahren kamen infolge der inhumanen EU-Politik nahezu 15.000 Flüchtlinge ums Leben.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Hunger und Kapitalismus
      "Der Süden finanziert den Norden" (17.10.12)

      Festung Europa
      Die NATO und der Tod von 63 Bootsflüchtlingen (5.04.12)

      Festung Europa
      Bollwerk am Bosporus geplant (1.01.11)

      Festung Europa
      Grenzregime am Bosporus verstärkt (2.11.10)

      Festung Europa
      Libyen als EU-Grenzposten (29.06.09)

      Berlusconi: Besser in Afrika verhungern
      als in Italien interniert (20.05.09)

      Verfahren gegen Lebensretter in Italien
      Stefan Schmidt und Elias Bierdel von 'Cap Anamur'
      vor Gericht (17.05.09)

      Italien schiebt afrikanische MigrantInnen ab
      Proteste zum Teil scheinheilig (9.05.09)

      Festung Europa: Mehr als 300 Flüchtlinge
      im Mittelmeer ertrunken (31.03.09)

      Ausbeutung durch die Industrie-Nationen
      Eine Nahaufnahme aus Burkina Faso (11.03.09)

      Weitere Proteste auf Lampedusa
      Italiens Asylpolitik unverändert unmenschlich (18.02.09)

      Weiter Demonstrationen auf Lampedusa
      gegen europäische Abschottungs-Politik (28.01.09)

      Protest gegen Festung Europa
      MigrantInnen auf Lampedusa demonstrieren
      gegen Lager-Bedingungen (24.01.09)

      Positive Wende in Australien:
      Ende der menschenverachtenden Asylpolitik (28.07.08)

      Festung Europa
      Menschenverachtende Politik gegen Flüchtlinge (20.06.08)

      Flüchtlingselend und Artenschwund in Nordafrika
      Führt Tierschutz zu mehr Menschenschutz? (22.01.08)

      Frontex und die toten Flüchtlinge
      Immer mehr Leichen im Mittelmeer (25.12.07)

      Europa, schäme dich!
      Flüchtlingselend im Mittelmeer (28.05.07)

      Eine mörderische Weltordnung
      Ceuta und Melilla (21.10.05)

      ai: "deutsche Asylpolitik verantwortungslos" (25.05.05)

      Festung Europa fordert Tote
      Mehr Leichen als Krabben in den Netzen (26.03.05)

      Tag des Flüchtlings 2004:
      Europa macht dicht! (30.09.04)

      Menschenverachtender Umgang
      mit Flüchtlingen beim FdAaF-Bundesamt (3.06.04)

      Zuwanderungsgesetz
      oder Abschottungsgesetz? (27.05.04)

      Nach wie vor werden in Deutschland
      Kinderrechte mit Füßen getreten (16.01.04)

      60 Tote infolge europäischer Unchristlichkeit (22.12.03)

      Sind Sie darauf stolz, Herr Schily? (13.01.03)

      Europa hat eine Verantwortung (11.10.00)