Nano in Lebensmitteln?
Bundesregierung gegen VerbraucherInnen
Berlin (LiZ). Entgegen dem erklärten Willen einer weit überwiegenden Mehrheit der VerbraucherInnen, versucht die "schwarz-rote" Bundesregierung den Einsatz von Nano-Technologie auch im Lebensmittelbereich voranzutreiben. Das geht aus einem kürzlich beschlossenen 'Aktionsplan Nanotechnologie 2020', hervor. Eine weite Bandbreite von Einsatzbereichen für die Nano-Technologie wird in rosigen Farben ausgemalt.
Durch ein Schrumpfen von Inhaltsstoffen in den Nano-Bereich ließen "sich Lebensmittel mit einem geringeren Salz-, Zucker- und Fettgehalt herstellen, ohne daß das Geschmacksempfinden beeinträchtigt wird," heißt es in diesem 'Aktionsplan'. Vorgeschoben wird hierbei das vermeintliche Ziel, Lebensmittel "gesünder" zu machen.
"Wir halten das für den falschen Weg, Lebensmittel noch stärker zu industrialisieren in ihrem Herstellungsprozeß. Weil immer mehr Fremdstoffe in diese Lebensmittel reinkommen - statt den umgekehrten Weg, mehr zu naturbelassenen Lebensmitteln hin", kommentiert Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft in Berlin. Aus seiner Sicht treibt die Bundesregierung eine längst negative Entwicklung zu immer mehr "Hightech" bei der industriellen Lebensmittelproduktion weiter voran. Er hält es für abwegig, zu glauben, daß "die Probleme der heutigen Ernährung - nämlich zu viel Fett, Zucker, Salz - und überhaupt auch das Problem, daß Menschen gar nicht mehr wissen, was in den Lebensmitteln drin ist, dadurch gelöst werden, daß man sie jetzt noch weiter technologisch aufrüstet."
In der Lebensmittelforschung werden heute Nano-Technologien entwickelt, die dazu dienen sollen, die Schädlichkeit von Pommes oder von Süßigkeiten zu reduzieren, ohne ihr Aussehen oder ihren Geschmack zu verändern. Zu diesem Zweck werden etwa Fettkügelchen auf Nano-Größe verkleinert. Diese haben eine relativ größere Oberfläche im Verhältnis zur Masse. Damit soll bei einer Verringerung der Fettmenge - etwa bei Pommes - derselbe Geschmack erzielt werden.
Die Bundesregierung ließ sich etwa von Ralf Greiner, dem Leiter des Instituts für Lebensmittel- und Bioverfahrenstechnik am Max-Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe, beraten. Greiner schwärmt von der Idee, Nano-Kügelchen herzustellen, die im Inneren aus Wasser bestehen auf das eine Emulgator-Schicht aufgebracht ist, die wiederum eine winzige Schicht Fett umhüllt. So könnte - bei unveränderten "Geschmackserlebnis" - noch mehr Fett eingespart werden.
Greiner verfolgt noch weitere Projekte zum Einsatz von Nano-Technologie im Lebensmittel-Bereich: "Zucker, Salz sowie Aromastoffe könnten auf die Oberfläche von Nano-Materialien aufgebracht werden und dadurch bereits kleinere Mengen ein stärkeres Geschmackserlebnis auslösen." Einen gut dotierten Forschungs-Auftrag der Bundesregierung hat er auch ergattert. Hier geht es um es um den Einsatz von Nano-Trägersystemen zum Beispiel für Vitamine.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unter dem ansonsten so forschen Christian Schmidt mag zum 'Aktionsplan Nanotechnologie 2020' offenbar am liebsten gar nichts sagen und gibt sich äußerst wortkarg. Auch in den Mainstream-Medien wird das Thema weitgehend ausgeblendet. Greiner sieht die Gründe für die Zurückhaltung in gesetzlichen Problemen - und: Nach eigenen Aussagen ist ihm die "eher negativen Einstellung der Bevölkerung" zur Nano-Technologie durchaus bewußt.
Klar ist jedenfalls, daß die Risiken der Nano-Technologie heute noch kaum abzuschätzen sind (Siehe hierzu unseren Hintergrund-Artikel). "Noch wissen wir zum Beispiel nicht, ob Nano-Teilchen die Immunprozesse an der Darmwand in irgendeiner Weise beeinflussen können," sagt Baptist Gallwitz, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Auch er plädiert für einen ganz anderen Ansatz im Lebensmittelbereich: "Die Hersteller müssen dazu angehalten werden, ihre Rezepturen zu ändern und nicht noch mehr Zusatzstoffe in die Lebensmittel einzubringen," so Gallwitz.
Eine bis heute ungeklärte Frage ist etwa, ob sich die Nano-Partikel im Körper anreichern, falls sie über die Darmwand in den Körper gelangen. Noch fehlt es sogar an Verfahren, um Nano-Teilchen in Lebensmitteln oder Organen und Geweben nachzuweisen. Denn an einer Erforschung der Risiken haben Konzerne wie Unilever, Nestlé und Bayer, die Millionen an Euro in Nano-Forschung und in neue Nano-Produktions-Anlagen investieren, kein Interesse. Hier zählt allein der Profit.
Auch Jessica Fischer, Lebensmittelexpertin von der Verbraucherzentrale Berlin, ist in Hinblick auf den Einsatz von Nano-Technologien bei Lebensmitteln skeptisch. Sie moniert: "Wenn ein übler Geschmack maskiert wird, dann ist das im Prinzip auch eine Täuschung, weil das Lebensmittel manipuliert wird. Und das ist natürlich entgegen der eigentlichen Lebensmittelrechtspraxis." Die Verbraucherzentralen lehnen eine Anwendung von Nanomaterialien ab und berufen sich darauf, daß bis heute keine ausreichenden Sicherheitsdaten vorliegen. Auch das Bundesamt für Risikobewertung, BfR, erachtet die derzeitige Datenlage für unzureichend.
Eine effektive Kennzeichnungspflicht für enthaltene Nano-Partikel besteht bisher nur bei Kosmetika. Seit dem 13. Dezember 2014 müssen laut EU-Lebensmittelinformations-Verordnung zwar alle Zutaten, die in Form technisch hergestellter Nano-Materialien eingesetzt werden, im Zutaten-Verzeichnis eindeutig aufgeführt werden. Nach der Bezeichnung solcher Zutaten folgt dann das in Klammern gesetzte Wort "Nano". Allerdings gibt es bisher keine abschließende rechtlich verbindliche Definition für "technisch hergestellt Nano-Materialien".Im Zusammenhang mit Nano-Materialien werden immer wieder die beiden Zusatzstoffe Titandioxid (E 171) und Siliziumdioxid (E 551) genannt. Doch in der Form, in der sie zugelassen sind und verwendet werden, fallen auch sie nicht unter die Kennzeichnungspflicht.
Anmerkungen
Zum Thema Nano-Technologie siehe auch unsere Artikel:
Gefahren durch Chemie und Nano-Silber
in imprägnierter Bekleidung (12.01.12)
Kritik an Bayer-Konzern
Produktionsanlage für Nano-Röhren (28.04.10)
Hygiene-Hype bietet Schlupfloch
für Nano-Technologie (19.04.10)
Gefahren durch Nano-Silber
BUND fordert Verbot (2.12.09)
Großes Gefahrenpotential
Umweltbundesamt warnt vor Nanotechnologie (20.10.09)
Nano-Technik und Kosmetik
Europa-Parlament: Deklaration erst ab 2012 (24.03.09)
Nano-Partikel in Lebensmitteln
Bundesregierung verweigert Schutz der Bevölkerung
(12.03.08)
Nano-Technologie
Eine neue Durchsetzungs-Strategie (18.12.07)
Nano-Technologie - Ebenso vielfältig wie gefährlich
(10.06.07)
Warnung vor Nano-Technologie
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