Greenpeace-AktivistInnen in U-Haft
Weltweite Proteste gegen russische Justiz
Moskau (LiZ). Nach einer versuchten Aktion gegen Ölbohrungen in der Arktis hatte eine russische Spezialeinheit das Greenpeace-Schiff 'Arctic Sunrise' geentert. Ein Gericht Murmansk schickte nun 28 Greenpeace-AktivistInnen und zwei sie begleitende Journalisten für eine zweimonatige U-Haft hinter Gitter.
Schon am Donnerstag (26.09.) hatte ein russisches Gericht für zwanzig der Greenpeace-AktivistInnen und die beiden Journalisten Untersuchungshaft angeordnet. Heute (Sonntag) wurde dieser Beschluß auf die übrigen acht Greenpeace-AktivistInnen ausgedehnt. Der Antrag auf Freilassung gegen Kaution wurde abgewiesen. Greenpeace International will die Entscheidung des Gerichts anfechten.
Laut verschiedenen Verlautbarungen erwägt die russische Staatsanwaltschaft offenbar, Anklage unter anderem wegen Piraterie zu erheben. Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte allerdings mittlerweile, daß eine Anklage wegen Piraterie unwahrscheinlich sei. "Unsere friedlichen Aktivsten und die zwei freiberuflichen Bildjournalisten werden dafür eingesperrt, daß sie das Augenmerk der Weltöffentlichkeit auf das Ölförderprogramm von Gazprom lenkten. Es handelt sich um einen durchsichtigen Versuch, diejenigen einzuschüchtern, die sich gegen die Gefahren der Öl-Bohrungen in der Arktis einsetzen wollen," sagte Kumi Naidoo, Geschäftsführer von Greenpeace International, zu der Entscheidung des russischen Gerichts.
Die Besatzung des Greenpeace-Schiffs 'Arctic Sunrise', die aus 18 Ländern zusammengewürfelt ist, hatten am 18. September gegen Ölbohrungen in der Arktis protestiert. Zwei von ihnen versuchten dabei, auf die Ölbohr-Plattform 'Prirazlomnaya' des russischen Ölkonzerns Gazprom in der Petschorasee zu klettern, um gegen die drohenden Gefahren für die Umwelt zu protestieren. Am 19. September hatte eine russische Spezialeinheit das Greenpeace-Schiff geentert (siehe unseren Artikel v. 19.09.13). Das Schiff mitsamt Besatzung wurde zum nächstgelegenen Hafen von Murmansk geschleppt.
Iwan Blokow, der die Protestaktion in der Aktis geleitet hatte, bezeichnete die Beschlagnahmung des Schiffs als "den aggressivsten und feindlichsten Akt" gegen Greenpeace seit der französische Geheimdienst das Greenpeace-Schiff 'Rainbow Warrior' 1985 mit einem Bombenanschlag versenkte (siehe unsere Dokumentation). Bei diesem Geheimdienst-Anschlag kam ein Mensch ums Leben. Peter Willcox, der damals Kapitän der 'Rainbow Warrior' war, steuerte auch die 'Artic Sunrise'. Der US-Amerikaner wird ebenfalls seit Donnerstag in Untersuchungshaft festgehalten.
Greenpeace weist die Vorwürfe zurück, nach denen die Aktivisten der Umweltorganisation vor eineinhalb Wochen eine Ölplattform des Staatskonzerns Gazprom in der Petschorasee besetzen wollten. "Ich bin keine Piratin. Ölbohrungen im Eis sind eine gewaltige Gefahr für die Natur weltweit," sagte die finnische Aktivistin Sini Saarela in einem vergitterten Käfig vor Gericht. Außerdem prüft mittlerweile niederländische Regierung - die 'Artic Sunrise' fährt unter niederländischer Flagge - rechtliche Schritte vor dem internationalen Seegerichtshof, da das Greenpeace-Schiff in internationalen Gewässern illegal geentert worden sei. "Unser Schiff wurde gegen internationales Recht geentert, ebenso unzulässig sind die Inhaftierungen unserer Aktivisten. Über eine halbe Millionen Menschen haben Briefe an russische Botschaften geschickt. Die Solidarität wächst mit jeder verstreichenden Stunde," bekräftigte Kumi Naidoo.
Wie in Rußland üblich, mußten die Beschuldigten die Verhandlung in einem vergitterten Käfig verfolgen. Die russische Anwältin der finnischen Aktivistin hatte Hausarrest oder Freilassung auf Kaution beantragt, da die junge Frau gesundheitlich angeschlagen sei und ärztliche Betreuung benötige. Das Gericht lehnte die Freilassung gegen Kaution jedoch mit der Begründung ab, es bestünde Fluchtgefahr, die Möglichkeit weiterer Straftaten und der potentiellen Vernichtung von Beweismitteln.
Die Crew der 'Arctic-Sunrise' sei in Murmansk und der rund 200 Kilometer entfernten Stadt Apatity eingesperrt, sagte die Stadträtin Irina Paikatschewa. Für alle Inhaftierten gebe es eine separate Zelle. Allerdings wollten die Behörden diese Praxis aus Kostengründen schon bald ändern. Zudem sei die Verständigung der JustizbeamtInnen mit den AktivistInnen aus 18 Ländern ein großes Problem.
Weltweit protestierten am Sonntag hunderte von Menschen in größeren Städten vor der russischen Botschaft. Mehr als 640.000 Menschen weltweit haben bereits einen Appell an die russische Regierung unterschrieben, in dem die sofortige Freilassung der Greenpeace-AktivistInnen gefordert wird. Bislang waren Greenpeace-AktivistInnen allenfalls in den USA, wo sie auch schon als "Ökoterroristen" verunglimpft wurden, einer vergleichbaren Repression ausgesetzt.
Der Vater eines der Greenpeace-Aktivisten erklärte auf einer Solidaritäts-Kundgebung in Bern: "Mein Sohn und seine Mitkämpfer haben sich stellvertretend für uns alle vorne hingestellt. Sie haben ihre Angst überwunden, weil ihr Anliegen so wichtig ist. Sie nehmen ihre Verantwortung als Bewohner des Planeten Erde ernst, weil sie nicht akzeptieren wollten, daß die Welt für kurzfristigen Gewinn rücksichtslos ausgebeutet wird."
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Russische Küstenwache entert Greenpeace-Schiff
Protest gegen Zerstörung der Arktis (19.09.13)
Shell-Bohrinsel auf Grund gelaufen
Risikospiel der Öl-Konzerne (2.01.13)
BP und 'Deepwater Horizon'
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