27.11.2010

Wald-AIDS in Baden-Württemberg
Schäden innerhalb der Schwankungsbreite

Zustand der Eichen nach wie vor "alarmierend"

Schwarzwald Stuttgart (LiZ). Die Landes- regierung erhielt gestern von den staatlichen GutachterInnen den baden-württembergischen "Wald- schadensbericht 2010" und will diesen in den kommenden Tagen veröffentlichen. Die Diagnose einer anhaltenden umwelt- bedingten Immunschwäche, AIDS, wird von den 2010 erhobenen Zahlen, die der Redaktion vorliegen, bestätigt. Außer bei den nach wie vor stark geschädigten Eichenbeständen sind punktuelle Verbesserungen des Krankheitsbildes zu verzeichnen. Diese liegen allerdings im Schwankungsbereich der vergangenen Jahre.

Die von den staatlichen ForstbeamtInnen erstellte Diagnose im Jahr 2010 bezeichnet 35 Prozent (2009: 42) des baden-württembergischen Waldbestandes als deutlich geschädigt, 33 Prozent (2009: 32) als mittel geschädigt und 32 Prozent (2009: 26) als gesund. Damit ist der Anteil der stark geschädigten Bäume wieder auf dem Niveau des Jahres 2008 angelangt. Als schlechter Scherz kann daher die Aussage des baden-württembergischen Agrar-Ministers Rudolf Köberle gewertet werden, wonach die vorliegende Erhebung "belegt, daß unsere Maßnahmen zur Verbesserung des Ökosystems greifen." Über den Hauptschadens- verursacher, die industrielle Agar-Wirtschaft und insbesondere die Ammoniak-Emissionen aus der Massentierhaltung wird offiziell kein Wort verloren.

Während sich die negative Einwirkung auf die Waldböden durch "sauren Regen" aus Kohlekraftwerken, Straßenverkehr und Hausheizungen verminderte, wuchs die Belastung durch Ammoniak-Emissionen aus der Massentierhaltung um so stärker. Auch in den Mainstream-Medien ist hierüber mit gelegentlichen Ausnahmen nichts zu erfahren. Immerhin konnte Agrar-Minister Köberle offenbar nicht verhindern, daß die GutachterInnen schrieben, der Zustand der baden-württembergischen Eichen müsse nach wie vor als "alarmierend" gewertet werden. Der Zustand der Baumkronen stagniert bei einem durchschnittlichen Blattverlust von 34,3 Prozent auf hohem Niveau und übertrifft damit das Schadens-Niveau aller Hauptbaumarten im Land.

Über alle Baumarten hinweg liegt der durchschnittliche Nadel- oder Blattverlust in diesem Jahr bei 22,5 Prozent (2009: 25,6 Prozent). Leicht verbessert hat sich der Zustand bei dem in Baden-Württemberg am meisten verbreiteten Wald-Baum, der Fichte: Der Nadel-Verlust sank bei den Fichten-Bestand auf 19,2 Prozent (2009: 21,0). Der Zustand der Tannen blieb stabil, und die Buche, die häufigste Laubbaumart Baden-Württembergs, hat sich deutlich verbessert. Ihr mittlerer Blattverlust sank von 36 auf 26,8 Prozent. Dagegen hat sich der Kronenzustand der Kiefern leicht verschlechtert.

Während der "Waldschadensbericht 2010" für den Schwarzwald, den Neckarraum und die Schwäbische Alb punktuell deutliche Verbesserungen konstatiert, stagnierte die Lage im südwestdeutschen Alpenvorland auf hohem Schadens-Niveau. Wie in all den Jahren zuvor bleibt anzumerken, daß die Zahlen infolge des schnellen Einschlags kranker Bäume, die so nicht in die Statistik eingehen, ein geschöntes Bild vermitteln. Im Gegensatz zu AIDS beim Menschen ließe sich die Immunschwäche der deutschen Wälder mit einer konsequenten Agrar-Wende, einer Politik der Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene und einer Energie-Wende zu erneuerbaren Energien innerhalb eines überschaubaren Zeitraums heilen.

Die gegenwärtige Politik spielt jedoch mit dem Risiko, daß es bei klimatisch ungünstigen Bedingungen zu einer nicht mehr kontrollierbaren Ausbreitung von Insekten wie dem Borkenkäfer kommt und das Ökosystem Wald umkippt. Gerade die baden-württembergische Landesregierung trägt mit ihrer extremen Verhinderungspolitik gegen erneuerbare Energien in hohem Maße schuld an einer immer gefährlicheren Entwicklung. Doch auch daß die pseudo-grüne Bundesministerin Renate Künast im Jahr 2003 verkündet hatte, sie sei "auf dem besten Wege, das Waldsterben zu besiegen," sollte angesichts der anhaltenden Misere nicht in Vergessenheit geraten.

Waldschäden von 1983 bis 2009

vergrößerte Grafik: hier

 

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Appell gegen Massentierhaltung
      Für eine Agrar-Wende (23.11.10)

      Globale Waldvernichtung:
      13 Millionen Hektar pro Jahr (26.03.10)

      Wald-AIDS weiter virulent
      Aigner veröffentlicht "Waldzustandsbericht 2009"
      (22.01.10)

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg:
      Oettinger legt desaströsen "Waldzustandsbericht" vor
      Haupt-Verursacher Massentierhaltung weiter verleugnet
      (1.12.09)

      Baden-Württemberg: Wald liefert 37 Prozent
      weniger Gewinn
      Wald-AIDS, Nachwirkungen von Sturm Lothar
      und Klimawandel spürbar (21.08.09)

      Trotz Wald-AIDS:
      Deutsche Forstwirtschaft nicht nachhaltig (21.07.09)

      "Waldzustandsbericht" 2008 veröffentlicht
      Wald-AIDS verschlimmert sich schleichend (21.02.09)

      Wald-AIDS auch in den USA
      Sterberate in 20 Jahren verdoppelt (24.01.09)

      Wald-AIDS:
      Elende Zustände in Baden-Württemberg (18.11.08)

      Wald-AIDS wird beschwiegen
      Mainstream-Medien leugnen weiterin Hauptverursacher
      (19.03.08)

      Wald-AIDS im Jahr 2007
      und das Elend der Politik (30.01.08)

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg
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      Wald-AIDS im Jahr 2006
      Haupverursacher Landwirtschaft (25.01.07)

      Seehofer will die jährlichen
      "Waldschadensberichte" canceln (14.07.06)

      Wald-AIDS im Jahr 2005
      Der Waldzustandsbericht und die Ursachen (22.01.06)

      Der Wald hat AIDS
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      Wald-AIDS so schlimm wie nie zuvor (8.12.04)

      Wald-AIDS - Zustand schlimmer als 1983 (19.10.04)

      WWF sieht "Rot-Grün" auf dem Holzweg
      "Holz-Charta" offenbart Mißachtung der Wälder (3.09.04)

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      Aktuelle Befunde am Krankenbett (28.06.04)

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