23.09.2013

HamburgerInnen gewinnen Volksentscheid
und damit ihre Energie-Netze zurück

Initiative 'Unser Hamburg - Unser Netz'
Hamburg (LiZ). Die Unterstützer- Innen der Initiative "Unser Hamburg - Unser Netz" hatten am Sonntag Grund zu Jubeln: Sie gewannen den Volksentscheid. Die eigentlichen Verlierer sind die Strom-Konzerne E.on und Vattenfall. Hamburgs "roter" Bürgermeister Olaf Scholz räumte die Niederlage von Senat und SPD, CDU und FDP ein.

Scholz sagte: "Volksentscheide sind Abstimmungen über Sachfragen. Und in dieser Frage hat das Volk anders entschieden als Senat und Bürgerschaft zuvor." Der Senat sehe sich dem Votum verpflichtet. Er werde den Volksentscheid nicht ins Leere laufen lassen. Manfred Braasch vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) freute sich: "Wir haben die Mehrheit der Hamburger hinter uns. Ein tolles Ergebnis."

Die Mehrheit der HamburgerInnen entschied sich dafür, ihre Strom-, Gas- und Fernwärme-Netze wieder vollständig in kommunale Hand zurückführen und damit für den Vorschlag der Initiative "Unser Hamburg - unser Netz". Die bisherigen Versorger, die Kohle- und Atomstrom-Konzerne Vattenfall und E.on sind damit "abgewählt". Am frühen Montagmorgen, nach Auszählung von 1.677 der 1.686 Wahlbezirke, kamen die BefürworterInnen auf 440.690 Stimmen. Die GegnerInnen erreichten 425.446 Stimmen. Damit lagen die BefürworterInnen uneinholbar vorn - mit 50,9 gegen 49,1 Prozent der Stimmen. Auch das Quorum, die Mindestzahl an Ja-Stimmen, wurde aller Voraussicht nach erreicht. Insgesamt beteiligten sich demnach etwa 836.000 Bürger an der Abstimmung. Das sind 64 Prozent der Wahlberechtigten. "Ich gehe davon aus - anhand der klaren Zahlen, die wir jetzt haben - daß sich im Ergebnis nichts ändern wird", sagte Landeswahlleiter Willy Beiß.

Im weiteren Verlauf wird die Stadtverwaltung die beiden Konzerne E.on und Vattenfall fragen, ob sie bereit sind, die Strom-, Gas- und Fernwärme-Netze Hamburgs zu verkaufen. Da dies äußerst unwahrscheinlich ist, wird eine kommunale Gesellschaft gegründet werden müssen, die sich bei der bald anstehenden Ausschreibung der Konzessions-Verträge formal bewirbt. Vattenfall-Deutschland-Chef Tuomo Hatakka verkündete bereits, der Konzern werde sich unabhängig vom Volksentscheid mit seinem Tochterunternehmen Stromnetz Hamburg GmbH in den kommenden Wochen mit Hochdruck auf das Konzessions-Vergabeverfahren vorbereiten."

Das Aktionsbündnis "Nein zum Netzkauf" reagierte enttäuscht auf den Ausgang des Volksentscheids. "Das ist kein guter Tag für die Zukunft unseres Standorts," erklärte Michael Westhagemann, Vorsitzender des Industrieverbands Hamburg und Sprecher für das Aktionsbündnis aus 15 Kammern, Verbänden und Vereinen. E.on und Vattenfall versuchten, sich im Hintergrund zu halten. Das Bündnis"Nein zum Netzkauf" hatte beim Wahlkampf um den Netzkauf mit einem Millionen-Etat ein Vielfaches der Finanzmittel zur Verfügung, die von den UnterstützerInnen der Initiative "Unser Hamburg - Unser Netz" aufgebracht werden konnten. Westhagemann sagte nun, auf Hamburg werde eine lange und riskante Phase mit Planungsunsicherheit zukommen. Er erwarte langwierige politische und juristische Verfahren und möglicherweise negative Auswirkungen auf das allgemeine Investitionsklima in der Stadt.

In Berlin findet am 5. November ebenfalls ein Volksentscheid statt, bei dem über die Rekommunalisierung der Energienetze entschieden wird. Die InitiatorInnen hoffen, daß der Hamburger Erfolg ihnen Auftrieb verschafft. Bundesweit haben schon mehr als 70 Kommunen eigene Stadtwerke gegründet. Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß immer mehr Menschen zu der Überzeugung kommen: Eine Energie-Wende ist in Deutschland nur gegen die "Großen Vier", RWE, E.on, Vattenfall und EnBW, durchzusetzen.

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Erneuerbare Energien
      In einer realen Marktwirtschaft
      müßten die Strompreise sinken (12.07.13)

      Sozial ist, Arbeitsplätze
      zu vernichten? (28.03.13)

      OLG Düsseldorf kippt Netzkosten-Befreiung
      Auswirkungen auf den Strompreis? (7.03.13)

      Stuttgart ergrünt
      EWS steigt bei Stuttgarter Stadtwerken ein (19.02.12)

      Baden-Württemberg bleibt schwarz
      Atomenergie unangefochten, Erneuerbare gebremst
      (14.01.12)

      Stimmungsmache gegen Erneuerbare
      im Dienste der "Großen Vier" (13.01.12)

      David gegen Goliath
      8KU in Konkurrenz zu den "Großen Vier" (17.10.11)

      Erneuerbare bei über 20 Prozent
      Energiewende dennoch gebremst (29.08.11)

      David gegen Goliath
      Neckargemünd kann Stromnetz kaufen (20.08.11)

      Merkels "Atom-Ausstieg"
      Täuschungsversuch wie vor 11 Jahren
      Wie Kretschmann 2002 einen
      "politischen Selbstmord" überlebte (30.05.11)

      RWE-Hauptversammlung
      Großmann unbeirrt auf Atom-Kurs (20.04.11)

      Grünes Recycling?
      Greenwashing bei EnBW (19.04.11)

      David gegen Goliath
      Titisee-Neustadt übernimmt Stromnetz (6.04.11)

      Erneuerbare Energien
      Auszeichnung für Planegg (27.01.11)

      Vattenfall
      Ein Fall von Greenwashing (6.01.11)

      Bürger-Energie Alpirsbach
      mit zweiter Photovoltaik-Anlage (19.12.10)

      Ökostrom-Anbieter EWS Schönau
      begrüßt 100.000sten Kunden (13.12.10)

      86 Prozent der Deutschen:
      Erneuerbare Energien sind wichtig
      Wieviel kostet Öko-Strom wirklich? (16.10.10)

      Greenpeace deckt auf: Deutsche Kohle-Subvention
      mit jährlich 13 Milliarden Euro (4.06.10)

      Konkurrenz für die Großen Vier
      Kommunen drängen auf den Strom-Markt (14.04.10)

      Energie-Kommune Wildpoldsried im Allgäu
      Dreimal soviel Ökostrom wie Eigenverbrauch (8.04.10)

      Was ist eigentlich aus Mülheim
      als RWE-Vorzeigestadt geworden? (28.02.10)

      Der Kampf um das Strom-Netz hat begonnen
      EnBW lockt Bürgermeister mit Gänsebraten (23.10.09)

      Zukunftsweisender Gerichtsentscheid
      gegen Strom-Konzerne
      BGH erzwingt Dezentralisierung
      und stärkt Erneuerbare Energien (29.09.09)

      Die Großen Vier treiben die Strompreise hoch
      Kartellamt sitzt auf brisanten Ermittlungsdaten (5.11.07)