Kiel (LiZ). Das schleswig-holsteinische Justizministerium teilte heute mit, daß der TÜV Nord am 10. Januar verrostete Fässer mit angeblich schwach- und mittelradioaktivem Atommüll im stillgelegten AKW Brunsbüttel entdeckt hatte. Der Betreiber-Konzern Vattenfall wußte offenbar seit Dezember 2011, daß die Fässer teils durchgerostet, teils zersetzt sind, hielt die Information aber zurück.
Die Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Atommüll lagern nach den vorliegenden Informationen bereits seit 1981 in Kellerräumen des AKW Brunsbüttel. Seit 2004 wird der Inhalt der Fässer in Behälter aus Gußeisen umgefüllt, um diese ab 2019 im Schacht Konrad zu deponieren. Bei 500 Fässern soll dieser Vorgang bereits abgeschlossen sein, bei 500 weiteren waren diese Arbeiten im Gange, bis sie Anfang dieses Jahres von der zuständigen schleswig-holsteinischen Atomaufsicht gestoppt wurden.
Wegen Transformatorbränden ereigneten sich im Juni 2007 in den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel gefährliche Schnellabschaltungen. Dabei kam es zumindest im Falle des AKW Krümmel fast zu einer Nuklear-Katastrophe. Vergeblich wurde versucht, diese Atomkraftwerke zu reparieren und wieder hochzufahren. Die beiden Atomkraftwerke waren nach 2007 nur noch an wenigen Tagen am Netz.
Wie heute bekannt wurde, entdeckte der TÜV Nord bereits bei einer Routinekontrolle am 10. Januar 2012 die verrosteten, teils zersetzten Fässer und informierte die schleswig-holsteinische Atomaufsicht. Doch auch diese erachtete es nicht für nötig, umgehend die Öffentlichkeit zu informieren. Der in SWH zuständige Justizminister Emil Schmalfuß stoppte die Arbeiten und benachrichtigte zunächst das Bundes-Atom-Ministerium unter Nobert Röttgen. Dieser war aber vermutlich zu dieser Zeit allzu sehr damit beschäftigt, die Details des im Februar zu verkündenden Solar-Ausstiegs auszuarbeiten.
Bei einer Untersuchung der "Panne" stellte sich heraus, daß Vattenfall spätestens am 15. Dezember 2011 Informationen über die durchgerosteten Fässer im AKW Brunsbüttel vorlagen. In einer Stellungnahme bekundete Vattenfall mittlerweile Bedauern über den "Fehler", die Informationen zurückgehalten zu haben. Der Vorfall werde unternehmensintern analysiert und aufgearbeitet. Der schwedischen Konzern Vattenfall, der nach dem Zusammenbruch der DDR die Stromversorgung der neuen Bundesländer übernahm und seither zu den "Großen Vier" gehört, die den deutschen Strommarkt beherrschen, ist allerdings in der Vergangenheit wiederholt dabei aufgefallen, wichtige Informationen zurückzuhalten. Jedes mal gelobten die Verantwortlichen Besserung - geändert hat sich offensichtlich bis heute nichts.
Die fehlende Transparenz ging bei Vattenfall stets einher mit einer ebenso schlechten Sicherheitskultur. Das haben die Skandale um die Atomkraftwerke Krümmel und Forsmark gezeigt. "Vattenfall bleibt seiner Linie der Geheimhaltung und Vertuschung treu," kommentiert Dirk Seifert, Energiereferent von 'Robin Wood'. Auch daran scheine sich nichts geändert zu haben, kritisiert auch Greenpeace-Atomexperte Tobias Riedl. Greenpeace hat schon vor Jahren im Zusammenhang mit dem AKW Krümmel gefordert, dem Konzern die Betriebserlaubnis zu entziehen.
Laut 'Robin Wood' zeigt der aktuelle Fall im AKW Brunsbüttel erneut, daß selbst grundlegende technische Standards bei der Lagerung von Atommüll nicht beherrscht werden. So war es im Jahr 1988 zu einem bundesweit beachteten Skandal gekommen, als so genannte Blähfässer im Faßlager Gorleben entdeckt wurden. Im Innern der Atommüll-Fässer war es zu Gasbildung und einem erhöhten Innendruck gekommen. Es bestand die Gefahr, daß die Fässer aufplatzen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
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