24.01.2019

"Nukleare Transparenz":
Atom-Müll wird seit 3 Jahren
in Weißenhorn verbrannt

Wolfgang Fendt mit Atom-Müll - Collage: Samy - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0
Ulm (LiZ). Wolfgang Fendt, Bürgermeister der schwäbischen Kleinstadt Weißenhorn, rund 20 Kilometer südöstlich von Ulm, erfuhr es aus der Zeitung: Bereits seit Januar 2016 wird Atommüll aus dem AKW Gundremmingen in der Müllverbrennungs-Anlage Weißenhorn verbrannt.

Bereits im vergangenen Monat wurde bekannt, daß in der baden-württembergischen Gemeinde Buchen auf der Deponie Sansenhecken radioaktiv kontaminierter Beton aus dem Abriß des AKW Obrigheim vergraben wurde.

Wie Bürgermeister Fendt nach eigener Aussage am gestrigen Mittwoch (23.01.) aus der Zeitung erfuhr, werden Reste des im Dezember 2017 stillgelegten Block B des AKW Gundremmingen in seinem Landkreis "entsorgt" und bereits seit dem 1. Januar 2016 darf radioaktiver Müll aus dem AKW Gundremmingen in der Müllverbrennungs-Anlage Weißenhorn verbrannt werden.

"Ich habe bis zum heutigen Tag noch nie davon gehört," erklärte Wolfgang Fendt öffentlich. Und wenn es so sei, daß radioaktiver Müll, egal ob stark oder schwach strahlend, in seine Stadt komme, dann erwarte er, daß die Stadtverwaltung von Weißenhorn informiert werde. Die mangelnde Transparenz der vergangenen drei Jahre verurteilte Fendt als "absolutes No-Go". Im Stadt-Parlament von Weißenhorn versuchten allerdings sofort ein Gemeinderat von den "Schwarzen" und einer von den "Roten", also: Pseudo-Sozialdemokraten, zu beschwichtigen: Die Sache sei "hochgebauscht". Fendt wurde nahegelegt, ein solches Thema erst einmal "in Ruhe zu behandeln". Dies erinnert an den Spruch aus Kaiserzeiten: "Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!"

Auf Nachfrage erklärte die Müllverbrennungs-Anlage (MVA) Weißenhorn: "Wir sind dazu vom Landkreis Günzburg verpflichtet. Wir sind da nicht frei in unserer Entscheidung. Diese Abfälle müssen lediglich die Freigabe zur Verbrennung besitzen." Das bedeutet: Es handelt sich zu einem erheblich Teil um sogenannten freigemessenen Müll aus dem AKW Gundremmingen, bei dem lediglich ein Grenzwert von zehn Mikrosievert nicht überschritten werden darf. Radioaktiver Alpha-Strahler wie etwa Plutonium werden jedoch bei den vorgeschriebenen Strahlenmessungen gar nicht erfaßt. Geraten Plutonium-Teilchen in eine Müllverbrennungs-Anlage, können sie übers ganze Land verteilt werden und Krebs verursachen.

Propagandistische Vergleiche des 10-Mikrosievert-Grenzwerts mit der Strahlenbelastung durch einen Transatlantik-Flug oder durch eine Granit-Spüle in der Küche, gehen daher völlig an der Realität vorbei. In beiden Vergleichs-Fällen gelangen keine radioaktiven Partikel in den menschlichen Körper. Eher zynisch ist der Vergleich mit einem Sack Kunstdünger, der von Seiten der Kernkraft-Kirche vielfach gestreut wird. Wenig bekannt ist leider, daß Uran über den Phosphat-Abbau in den Kunstdünger und damit in die industrielle Landwirtschaft eingeschleppt wird. Das auf diesem Weg eingeschleppte Uran ist längst im Grundwasser nachweisbar und gerät unweigerlich in die Nahrungskette, an deren Ende der Mensch steht. Der Vergleich "freigemessenen" Atom-Mülls aus dem AKW mit einem Sack Kunstdünger ist tatsächlich also ein gewichtiges Argument gegen die industrielle Landwirtschaft.

Was bisher an Material aus dem AKW Gundremmingen in die Müllverbrennung Weißenhorn gelangte, ließ sich exakt ermitteln. Nach Angaben der MVA waren es 2016 noch 70 Tonnen - davon 14 Tonnen sogenanntes freigemessenes Material. 2017 fiel deutlich mehr an. Damals waren es insgesamt 156 Tonnen Abfall - davon 19 Tonnen freigemessenes Material. Zahlen für 2018 liegen angeblich noch nicht vor.

Am 31. Dezember 2017 wurde Block B des AKW Gundremmingen planmäßig stillgelegt. Block A wurde bei einem katastrophalen Störfall am 13. Januar 1977 geschrottet und es kam nur mit viel Glück nicht zu der gefürchteten Kernschmelze. Rund zehn Minuten nach einer Schnellabschaltung stand im Reaktorgebäude das Wasser rund drei Meter hoch und die Temperatur war auf etwa 80 Grad Celsius angestiegen. Block C wird auf nicht absehbare Zeit weiter betrieben, obwohl er baugleich mit dem stillgelegten Block B ist. Laut dem 2011 verkündeten Atom-Ausstieg soll er am 31. Dezember 2021 vom Netz gehen - doch nach den Erfahrungen mit einem angekündigten Atom-Ausstieg in vier europäischen Staaten (in Schweden 1998, in Spanien 2009, in Deutschland 2010 und in Belgien 2015) ist klar, daß auf solche Versprechen kein Verlaß ist.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Widerstand gegen AKW-Müll für Deponien
      auch in Norddeutschland und Sachsen (23.05.18)

      Konflikt um radioaktiven Müll
      Ärzte-Präsident Clever widerspricht Untersteller (23.03.18)

      Atom-Müll aus Obrigheim auf Deponie?
      Landrat Brötel verweigert die Einlagerung (13.07.17)

      Konflikt um radioaktiven Müll
      Hin und Her bei ÄrztInnenkammer (26.01.17)

      Gegen "Freimessen" von Atommüll
      LandesärztInnenkammer Ba-Wü warnt (3.12.16)