4.11.2013

Atombombe wird zur Lenkwaffe
Neue Entwicklung entgegen Abrüstungs-Vereinbarungen

Atombombe B61
Washington (LiZ). Die US-Regierung plant, Atombomben des Typs B61 mit steuerbaren Leitwerken auszu­statten, so daß sie präziser ins Ziel gelenkt werden können. Dies wäre ein Bruch der Atomwaffen-Verträge mit Moskau. Solche neuartigen Atombomben sollen auch in Deutschland stationiert werden.

Nach wie vor werden in Deutschland US-amerikanische Atombomben gelagert. Nach unbestätigten Informationen befinden sich zumindest im rheinland-pfälzischen Büchel bis zu 20 Atombomben des Typs B61. Im US-Repräsentantenhaus erläuterten in der vergangenen Woche Militärs, VertreterInnen des Kriegs-Ministeriums und des Atom-Ministeriums Pläne einer neue Variante der Atombombe mit der Bezeichnung B61-12, die nicht nur die älteren Typen 3, 4, 7 und 10 ablösen, sondern auch die bunkerbrechende Atombombe B61-11 und die strategische B83-Bombe überflüssig machen soll. Die B81 besitzt eine Sprengkraft von rund 1,2 Megatonnen TNT, was ungefähr 90 Hiroshima-Bomben entspricht. Auch die im deutschen Fliegerhorst Büchel stationierten Tornado-Jagdbomber sollen mit der neuen Atombombe des Typs B61-12 bestückt werden.

Waffentechnisch bedeutet die B61-12 eine erhebliche Drehung an der Aufrüstungsspirale, denn mit dem neu entwickelten Heckleitwerk wird sie zu einer lenkbaren Atombombe. Entwickelt hat dieses der Boeing-Konzern. Dieses Heckleitwerk soll nach Aussagen der Militärs in mehr als 800 Exemplaren beschafft werden und rund 1,6 Milliarden US-Dollar kosten. Aufgrund der größeren Zielgenauigkeit benötige die B61-12 künftig eine deutlich geringere Sprengkraft als die meisten älteren Versionen. Die kleinste bisherige B61, die B61-4, besitzt eine Sprengkraft von 50.000 Tonnen TNT, dem Vierfachen der Hiroshima-Bombe.

Waffen-ExpertInnen beurteilen die B61-12 als Atombombe mit neuen militärischen Fähigkeiten. Damit verletze der Friedensnobelpreisträger und US-Präsident Barack Obama, der einst Schritte zur Abrüstung der Atomwaffen propagiert hatte, geltende Verträge mit der russischen Regierung. Bereits im November 2012 beschloß das US-amerikanische Nuclear Weapons Council die sogenannte 3-plus-2-Strategie, mit der die Atomwaffen der USA bis weit in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts einsatzbereit gehalten werden sollen. Und was US-Militärs von Abrüstungs-Verhandlungen halten, machte Pentagon-Staatssekretärin Madelyn Creedon Ende Oktober vor dem US-Kongress klar: "Täuschen Sie sich nicht. Selbst wenn die NATO mit Rußland ein Abkommen über eine wechselseitige Reduzierung der taktischen Nuklearwaffen aushandeln würde, müßten wir das B61-12-Programm im Rahmen der derzeitigen Zeitplanung zu Ende bringen."

Hans Kristensen von der 'Federation of American Scientists' schrieb in seinem Blog besorgt, mit jedem neuen offiziellen Statement zur Weiterentwicklung der B61 vergrößerten sich anscheinend die Fähigkeiten der neuen Version B61-12. Er kritisiert, daß die "Verbesserungen nicht zu dem Versprechen passen, die Rolle der Nuklearwaffen zu reduzieren." Es sei eine erstaunliche Entwicklung, daß "eine Waffe, die noch vor wenigen Jahren als schlichter Ersatz für vier ältere B61-Typen" beschrieben wurde, jetzt als "All-in-One-Atombombe auf Anabolika" auftrete.

Ähnlich äußert sich Stephen Young von der 'Union of Concerned Scientists'. Die zuständige Nationale Nukleare Sicherheitsbehörde (NNSA) selbst nenne bei 15 der 16 geplanten Verbesserungen nicht etwa verbesserte Sicherheit und Schutz vor Überalterung als Zweck, sondern eine Verbesserung der Leistung. Das zeigt laut Young, daß die Leistungssteigerung die "treibende Kraft" hinter dem "Modernisierungs-Vorhaben" sei. Und selbst ExpertInnen vom US-Rechnungshof GAO sprachen bereits von neuen Fähigkeiten.

Götz Neuneck vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik befürchtet ein Scheitern der Abrüstungs-Verhandlungen mit der russischen Regierung. In der Konsequenz würden dann "neue taktische Nuklearwaffen in Europa stationiert und nukleare Abrüstung für Jahrzehnte unmöglich."

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Bombengeschäfte mit der A-Bombe
      Deutsche Bank vorne mit dabei (10.10.13)

      Bei einem Absturz 1961 in North Carolina
      entgingen die USA nur knapp einer Nuklear-Katastrophe
      (21.09.13)

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      Blockade, Aktions-Camp und Musik (12.08.13)

      Horror-Clown mit Atombombe
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      Gerücht über Explosion in Fordo zurück (28.01.13)

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      Baldige Vertragsunterzeichnung gegen Atomwaffen
      (4.12.11)

      Atombombe und Wahnsinn
      "..., weil sie das Leben nicht lieben" (Erich Fromm)
      (6.08.11)

      Sarkozy und die Atombombe
      für Gaddafi (23.02.11)

      Streit der atomaren Irren
      Neue Sanktionen gegen den Iran (9.06.10)

      Atom-Deal der Irren aus der zweiten Reihe
      Ausweg für den Iran? (17.05.10)

      Abrüsten durch Aufrüsten?
      Obama gibt 80 Milliarden US-Dollar für Atomwaffen
      (15.05.10)

      Die Gefahr einer iranischen Atombombe
      Die IAEA und dubiose Geheimdienst-Dossiers (19.02.10)

      Verbrecherische Menschenversuche
      bei französischen Atombomben-Tests (17.02.10)

      Westen reagiert auf Verhandlungsangebot des Iran
      mit verschärften Drohungen (9.02.10)

      Ahmadinedschad kompromißbereit
      Lösung im Streit um Uran-Anreicherung? (3.02.10)

      Blackout in Brasilien
      "Das sicherste Stromnetz der Welt" und die Atombombe
      (11.11.09)

      Atombomben
      in Deutschland (12.03.01)

Siehe auch unseren Hintergrund-Artikel:

      Der siamesische Zwilling: Atombombe
      Info-Serie Atomenergie - Folge 4