Waren (LiZ). Am 9. Juni 2011 will die SPD des Müritzkreises in Mecklenburg-Vorpommern Menschen auszeichnen, die in der Region ehrenamtlich aktiv sind. Auch die Bürgerinitative 'Müritzregion - gentechnikfrei' gehört zu den Auserwählten. Doch diese verzichten lieber und äußern Kritik.
In einer Medien-Mitteilung erklärt die Bürgerinitative (BI) 'Müritzregion - gentechnikfrei', sie freue sich durchaus über die Anerkennung ihrer Arbeit durch einen SPD-Kreisverband. Dieser habe sich "in den vergangenen Jahren unter maßgeblicher Mitwirkung des Landtagsabgeordneten Rudolf Borchert" gegen Agro-Gentechnik im Müritzkreis engagiert. Auf der Plus-Seite registriert die BI eine "Vielzahl von lokalen Initiativen, die auf gemeindeeigenem Land keine Gentechnik erlauben - neben vielen Dörfern auch die SPD-regierten Städte Waren (Müritz) und Röbel/Müritz. Außerdem habe die Müritz-SPD auf dem Landesparteitag 2010 die Forderung nach Gentechnikfreiheit in Mecklenburg-Vorpommern unterstützt.
Negativ jedoch schlägt nach Ansicht der BI zu Buche, daß das nur hundert Kilometer von Waren entfernte AgroBioTechnikum in Groß-Lüsewitz bei Rostock von der "rot-roten" Landesregierung in der Verantwortung des SPD-geführten Landwirtschaftsministeriums Ende 2004 eingerichtet wurde und durch Steuergelder alimentiert wird. In ihrer jahrelangen Arbeit vor Ort und bei ihren Recherchen stellte die BI fest, daß dieses AgroBioTechnikum zur "rücksichtslosen Durchsetzung der Gentechnik in der Landwirtschaft" dient.
Die BI kämpfte vorrangig gegen den Anbau der Gen-Kartoffel Amflora des BASF-Konzerns. In diesem Jahr hatte die BI zusammen mit "vielen anderen engagierten Menschen und Organisationen" einen Erfolg zu verzeichnen: Vorläufig wurde der Anbau von Amflora eingestellt.
Über das AgroBioTechnikum jedoch versucht ein "verzweigtes Geflecht von Gentechnik-Profiteuren" weiterhin, den Anbau von genmanipulierten Pflanzen zu propagieren. Von dort aus wird Reklame gemacht und dort findet die sogenannte Risikoforschung statt, die in Wirklichkeit selbst ein Risiko darstellt, so die BI. Derzeit befinden sich in Groß-Lüsewitz bei Rostock die einzigen Felder mit genmanipulierten Pflanzen im Nord-Osten Deutschlands. Ein Drittel der bundesweit freigesetzten und angebauten Gentechnik ist dort zu finden. Im vergangenen Jahr erging ein Gerichtsurteil, das der Realität Rechnung trägt und ausdrücklich die Behauptung erlaubt, daß das AgroBioTechnikum der Propaganda und der Veruntreuung großer Mengen von Steuergeldern diene.
Die BI kritisiert außerdem, daß seit Ende 2004 viele Millionen Euro öffentlicher Gelder in das AgroBioTechnikum in Groß-Lüsewitz geflossen sind. Diese Gelder fehlen aus Sicht der BI in anderen, für Land und Leute sinnvollen Bereichen. Auch stelle die Landesregierung eine Fläche von 260 Hektar für Freilandversuche mit genmanipulierten Pflanzen zur Verfügung. Die BI fordert den sofortigen Stop von Freilandversuchen, um die fortgesetzte Ausbreitung der Transgene zu beenden.
Immerhin hat Till Backhaus, der Landwirtschaftsminister, der einst den ersten Spatenstich für das AgroBioTechnikum setzte, mittlerweile Nachdenklichkeit signalisiert. SPD-Mitglied Backhaus äußerte inzwischen dem Nordkurier gegenüber: "Für das Gesundheitsland Mecklenburg-Vorpommern, für diesen wichtigen Agrarstandort, brauchen wir die Gentechnik eigentlich nicht."
Die Mitglieder der BI zweifeln allerdings an der Konsequenz dieser aufkeimenden Einsicht: "Wenn die SPD konsequent alles in ihrer Kraft stehende tut, um Mecklenburg-Vorpommern gentechnikfrei zu machen und das AgroBioTechnikum endlich stillgelegt wird, feiern wir gerne mit. Solange Mecklenburg-Vorpommern noch nicht agro-gentechnikfrei ist, ist die Annahme der uns zugedachten Ehrung für uns ausgeschlossen."
Laut einer Umfrage des Emnid-Instituts vom Januar 2010 lehnen 77 Prozent der Deutschen den Anbau von Amflora ab.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Gen-Kartoffel Amflora vor dem Aus
BASF muß gesamte Ernte vernichten (28.02.11)
"Panne" mit Gen-Kartoffel Amflora
Backhaus stoppt BASF (8.09.10)
Mecklenburg-Vorpommern
Gen-Kartoffel Amflora entschärft (9.07.10)
In Europa wächst Widerstand gegen Gen-Kartoffel
Deutsche Regierung protegiert BASF (30.04.10)
Protest gegen Gen-Kartoffel Amflora
Greenpeace blockiert Lagerhaus (12.04.10)
Bulgarien bleibt gentech-frei
EU-Richtlinien genial ausgetrickst (25.03.10)
EU-Zulassung für Gen-Kartoffel Amflora
Resistenz-Gen: nicht berücksichtigt
Alternativen aus konventioneller Züchtung:
nicht berücksichtigt (2.03.10)
Konkurrenz für Gen-Kartoffel Amflora
aus konventioneller Züchtung (25.11.09)
Aigner genehmigt Anbau
von Gen-Kartoffel Amflora
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Teilerfolg für BASF (19.02.08)
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