Dortmunder Betrieb bleibt geschlossen
Dortmund (LiZ). Bei Mitarbeiter- Innen der Dortmunder Firma Envio wurde eine extrem hohe Belastung mit dem Umweltgift PCB (Polychlorierte Biphenyle) im Blut nachgewiesen. Dies ergab eine auf freiwilliger Basis durchgeführte Blutanalyse. Die Vergiftung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Folge einer jahrelangen Belastung am Arbeitsplatz. Envio-Geschäftsführer Dirk Neupert erklärte hingegen, regelmäßige arbeitsmedizinischen Vorsorge- untersuchungen hätten "nie Hinweise auf irgendwelche erhöhten PCB-Konzentrationen im Blut unserer Beschäftigten ergeben."
Eine ExpertInnenrunde um Professor Michael Wilhelm von der Ruhr-Uni Bochum hat mittlerweile die von einem Erlanger Institut erhobenen Untersuchungsergebnisse bewertet. Allein beim niedrig-chlorierten PCB 28 sind 95 Prozent der ermittelten Werte bis zu 8.500-fach erhöht, der Maximalwert weist eine 25.000-fache Erhöhung auf. Die Untersuchung und medizinische Betreuung der Envio-MitarbeiterInnen solle daher über die nächsten Jahre fortgesetzt werden. Darüber hinaus solle ihr Blut kurzfristig auch auf Dioxine und Furane hin untersucht werden. Die zuständige Bezirksregierung Arnsberg bestätigte, daß die vor einem Monat verfügte Stilllegung des PCB-Entsorgers Envio bis auf weiteres bestehen bleibe. Wegen der verschobenen Jahresbilanz wird die Deutsche Börse Envio nunmehr aus dem Entry Standard entfernen.
Envio-Geschäftsführer Dirk Neupert erklärte zu den Ergebnissen der PCB-Blutuntersuchung bei 30 Beschäftigten: "Das heute bekannt gegebene Ergebnis der amtlichen Blutuntersuchung bei 30 Mitarbeitern hat uns tief erschüttert und ebenso überrascht. Alle bisherigen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen, die wir regelmäßig extern vornehmen lassen, haben nie Hinweise auf irgendwelche erhöhten PCB-Konzentrationen im Blut unserer Beschäftigten ergeben. Wir werden unsere Bemühungen intensivieren, den Sachverhalt gemeinsam mit den Arbeitsmedizinern umfassend aufzuklären." Weiter sagte Neupert, die Vorsorgeuntersuchungen der Envio-MitarbeiterInnen seien von einem unabhängigen arbeitsmedizinischen Zentrum in Dortmund durchgeführt worden, das rund 65 weitere Firmen in der Region betreue. Hinsichtlich der auf dem Envio-Firmengelände im Dortmunder Hafen festgestellten erhöhten PCB-Werte sei geplant, alle betrieblichen Abläufe eingehend mit einem von der Bezirksregierung Arnsberg vorgeschlagenen Gutachter zu untersuchen. Neupert wies mit Nachdruck "den Vorwurf zurück, von kriminellen Motiven getrieben zu sein."
Polychlorierte Biphenyle (PCB) wurden in den Industriestaaten über fünf Jahrzehnte hin wegen ihrer chemische und physikalische Eigenschaften vielfältig eingesetzt, bevor ihre toxische Wirkung erkannt wurde. Daher ist heute noch eine breite Verteilung in der Umwelt festzustellen. PCB wurde als Kühl- und Isoliermittel in der Elektroindustrie, als Hydraulikflüssigkeit in der Maschinenindustrie und als Wärmeübertragungsflüssigkeit in vielen Industriezweigen eingesetzt. Es geriet bei Bränden und nicht selten bei unsachgemäßer Entsorgung in die Umwelt.
Während die Produktion von PCB in Deutschland bereits 1983 eingestellt wurde, verzögerte sich der stufenweise Verzicht auf die Verwendung über zwei Jahrzehnte bis zum Jahr 1999. Zwar wurde PCB seit 1984 in der BRD im elektrotechnischen Bereich etwa bei Anwendungen in Transformatoren nicht mehr in Verkehr gebracht. Doch bestehende Anlagen wurden erst nach und nach durch PCB-freie Anlagen ersetzt. Erst zum 1. Januar 2000 wurde das Betreiben von Geräten, die mehr als einen Liter PCB-haltige Flüssigkeit enthalten, endgültig verboten. Doch auch hierbei gab es eine Ausnahmeregelung, die unter gewissen Bedingungen den Weiterbetrieb solcher Geräte noch bis 2010 erlaubte. Noch heute besteht ein beträchtliches Umweltproblem, da PCB, das in früheren Jahrzehnten beispielsweise als Fugendichtungsmassen im Baubereich eingesetzt wurde, nach wie vor weitgehend unbemerkt in den Bauabfall gelangt.
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