Mord in Pakistan mit Drohnen
Amnesty-Bericht prangert Obama an
London (LiZ). Amnesty International wirft der US-Regierung vor, mit Drohnen-Angriffen mehrfach Völkerrecht gebrochen zu haben. Der Bericht läßt offen, ob es sich bei den Drohnen-Morden in Pakistan um Kriegsverbrechen handelte. Deutsche Geheimdienste sind offenbar beteiligt.
"Mit dem streng geheimen Drohnen-Programm stellt sich die US-Regierung selbst eine Lizenz zum Töten aus, die menschenrechtliche Standards und das Völkerrecht vollkommen ignoriert", erklärt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai). Der heute veröffentlichte Bericht zu den Morden mit US-amerikanischen Drohnen in Pakistan (siehe auch unseren Artikel v. 22.08.13) beruht auf rund 60 Interviews mit Betroffenen, Angehörigen von Ermordeten, AugenzeugInnen, BewohnerInnen, Angehörigen bewaffneter Gruppen und pakistanischen RegierungsbeamtInnen.
"Die US-Regierung hat beim Einsatz bewaffneter Drohnen in Pakistan immer wieder Völkerrecht gebrochen. Bei einigen Angriffen kann es sich sogar um Kriegsverbrechen handeln," heißt es in dem ai-Bericht. Die Ankündigungen von US-Präsident Barack Obama, dem Drohnen-Programm strengere Regeln und mehr Transparenz zu geben, seien bis heute "leere Versprechen".
ai-MitarbeiterInnen haben dem Bericht zufolge 45 Drohnenangriffe untersucht, die zwischen Januar 2012 und August 2013 in der schwer zugänglichen Bergregion Nord-Waziristan geflogen worden seien. Dabei wurde zum Beispiel eine 68-jährige Großmutter im Oktober 2012 vor den Augen ihrer Enkel bei der Feldarbeit getötet.
Die Kinder seien bei einem zweiten Luftangriff verletzt worden. "Besonders perfide ist die Praxis, einem ersten Drohnenangriff kurz darauf den nächsten folgen zu lassen, der dann diejenigen Menschen trifft, die den Verletzten helfen wollten," urteilt der ai-Bericht.
Als weiteres Beispiel beschreibt der Bericht den Angriff auf 18 Zivilisten im Juli 2012. Diese wurden mit einer Drohne bombardiert, als sie sich nach ihrem Arbeitstag zum Abendessen zusammengesetzt hätten. Obwohl die Dorfbewohner nach Erkenntnissen von Amnesty "keinerlei Bedrohung darstellten", seien sie in offiziellen US-Berichten als militante Kämpfer bezeichnet worden.
ai fordert außerdem die deutsche Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel auf, ihre Rolle bei den Drohnen-Angriffen in Pakistan offenzulegen. Nach Aussagen pensionierter pakistanischer Geheimdienstoffiziere aus diesem und dem vergangenen Jahr sollen "die Geheimdienste in Deutschland und anderen europäischen Staaten mit den USA und deren Drohnen-Programm in Pakistan zusammengearbeitet" haben.
So habe deutsche Geheimdienste etwa Daten wir Handy-Nummern von späteren Drohnen-Opfern geliefert. Die deutsche Regierung verlasse sich auf die Selbstauskunft der USA, wonach das Völkerrecht eingehalten werde, teilte ai weiter mit. "Die Bundesregierung muß endlich öffentlich einfordern, daß auch die USA sich an das geltende Recht halten. Deutsche Behörden dürfen die rechtswidrigen Drohnen-Angriffe der USA nicht auch noch unterstützen."
Am vergangenen Freitag hatte der 'UN-Sonderberichterstatter für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terrorismus', Ben Emmerson, in einem Bericht Zahlen der pakistanischen Regierung veröffentlicht. Emmerson hatte sich zusammen mit einem Team auch vor Ort in Pakistan selbst informiert. Nach seinem Bericht gab es in Pakistans halbautonomen Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan von 2004 bis März 2013 mindestens 330 Drohnenangriffe mit 2.200 Toten. 400 bis 600 Tote seien Zivilisten gewesen, schwerverletzt wurden 600 Personen. Laut Emmerson sind die realen Zahlen wohl noch höher. Die US-Regierung behauptet, bei der Region handele es sich um das Rückzugsgebiet "von Kämpfern der Taliban und von Al Qaida", bestätigt jedoch keine einzelnen Drohnen-Einsätze. Emmersons Bericht soll am 25. Oktober der UN-Vollversammlung präsentiert werden.
Der US-amerikanische Geheimdienst CIA setzt Drohnen - also ferngesteuerte Kleinflugzeuge - ein, um gezielt mutmaßliche "feindliche Kombattanten" zu töten. Bei diesen Tötungen wird ein Gerichtsverfahren mit Anhörung des Angeklagten, Verteidigung und unabhängiger Gerichtsbarkeit vermieden. Bei diesen Drohnen-Morden kamen nachweislich bereits zahlreiche Unschuldige ums Leben. Das 'Bureau of Investigative Journalism' legt Zahlenangaben vor, die sich auf lokalen Medienberichte, offizielle Stellungnahmen und Informanten vor Ort stützen. Demnach sind bei 376 CIA-Drohnenangriffen seit 2004 zwischen 2525 und 3613 Menschen getötet wurden. Darunter sind zwischen 407 und 926 ZivilistInnen, wovon zwischen 168 und 200 Kinder waren.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Mord in aller Welt mit Drohnen
Obama als Ankläger, Richter und Henker (22.08.13)
De Maizières Drohnen-Affaire
Bundeswehr ließ Daten verschwinden (2.06.13)
Schwarzbuch Waffenhandel
Jürgen Grässlin zeigt die Blutspur (24.05.13)
Mehr Menschen beim Ostermarsch
Protest gegen Atombombe, Drohnen und Waffenexporte
(30.03.13)