Mord in aller Welt mit Drohnen
Obama als Ankläger, Richter und Henker
Washington (LiZ). Der US-amerikanische Präsident Barack Obama, 2009 mit dem Friedensnobelpreis geehrt, bezeichnet Drohnen als legale Waffen. Ihr Einsatz sei "im Krieg gegen den Terrorismus" gerechtfertigt. Damit beansprucht Obama für sich, weltweit Ankläger, Richter und Henker in Personalunion zu sein.
Seit der Amts-Übernahme Obamas von seinem Vorgänger George W. Bush im Januar 2009 nahm die Zahl der Drohnen-Angriffe enorm zu. Unter ihm wurden bisher sechsmal mehr Drohnen-Angriffe geflogen als unter Bush. Allein die Zahl der Drohnen-Angriffe in Pakistan stieg von 252 im Jahr 2008, über 473 im Jahr 2009 auf 874 im Jahr 2009. In den Jahren zuvor waren es nie mehr als 102 Drohnen-Angriffe.
Obama ist unter anderem für die Ermordung eines 20-jährigen Deutschen türkische Abstammung verantwortlich. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft starb er am 4. Oktober 2010 im Alter von 20 Jahren, als er mit einer Gruppe von acht Männern bei Mir Ali, einem pakistanischen Ort im Gebiet Nord-Waziristan, zusammensaß, um über einen Selbstmordanschlag zu sprechen. Laut Mainstream-Medien soll er "für einen Selbstmordanschlag auf Militäreinheiten vorgesehen gewesen" sein. Dies genügte der US-Regierung offenbar für ein Todesurteil ohne Richter und ohne Verteidigung. Auch die deutsche Bundesanwaltschaft stellte beschämender Weise die Ermittlungen in diesem Fall Ende Juni 2013 ein.
Mittlerweile wurde ein zweites Opfer US-amerikanischer Drohnen-Angriffe bekannt, das die deutsche Staatsangehörigkeit besaß. Auch der damals 29-jährige Samir H., Sohn einer Deutschen und eines Tunesiers, der vor seiner Ausreise in Aachen lebte, wurde mit Hilfe einer US-Drohne in Pakistan ermordet. Er lebte zuvor in Aachen.
Zu den Drohnen-Opfern gehören auch drei US-Staatsangehörige, darunter Anwar al-Awlaki, der am 30. September 2011 ermordet wurde, und sein sechzehnjähriger Sohn, der einige Wochen später im Jemen ermordet wurde. Bei letzterem Drohnen-Angriff war Awlakis Sohn laut der 'Washington Post' nicht das beabsichtigte Ziel. Der US-amerikanische Staatsbürger ohne Verbindungen zu Al Qaida sei eher ein "unbeabsichtigtes Opfer" gewesen.
Der steile Anstieg der Todeszahlen bei Drohnen-Angriffen ist dadurch zu erklären, daß US-Präsident Barack Obama auf diese Weise einen seiner Popularität schadenden Anstieg der Gefangenen-Zahl auf Guantanamo vermeiden wollte. Die 'Washington Post' berichtete im Dezember 2011 unter dem Titel "Unter Obama steigt die Zahl der Tötungen durch Drohnen" als Grund für die zunehmenden Drohnen-Angriffe, daß die weltweiten Verhaftungs-Programme der CIA und die Überführung neuer Häftlinge nach Guantanamo gestoppt wurde. Daher bleibe "außer Drohnen-Angriffen wenig übrig". Obama erachtete es offensichtlich als für seine Popularität zuträglicher, vermeintliche TerroristInnen heimlich mit Hilfe von Drohnen zu ermorden als sie einsperren zu lassen.
Die 'Washington Post' berichtete zudem von zweierlei Zuständigkeiten für die Erstellung von "Todeslisten". Die eine stamme vom US-Geheimdienst CIA, die andere vom Joint Special Operations Command (JSOC) des Militärs. Offenbar lechzte Barack Obama geradezu danach, einmal selbst "auf den Knopf zu drücken". Eine seiner ersten Amtshandlungen als Präsident bestand darin, einen Drohnen-Angriff in Pakistan zu befehlen.
Laut 'Washington Post' werden die beiden "Todeslisten" von separaten Ausschüssen des US-Kongresses kontrolliert. Allerdings sei kein Ausschuß-Mitglied "in der Lage, die Todesliste der CIA mit derjenigen des JSOC zu vergleichen, oder auch nur die Regeln zu verstehen, nach denen sie aufgestellt werden.“ Allerdings sind sich die Führer der beiden US-Parteien im Kongress, sowie die Chefs der US-Geheimdienste und Militärkomitees über die Durchführung des Mord-Programms auf der Grundlage der "Todeslisten" einig und versuchen, eine öffentliche Diskussionen zu vermeiden. "Hohe Funktionäre der 'Demokraten' verziehen kaum eine Miene bei der Vorstellung, daß ein Präsident ihrer Partei solch eine hocheffiziente Tötungsmaschinerie für vermeintliche Terroristen aufgebaut hat," schriebt die 'Washington Post'.
Wie effizient diese Tötungsmaschine tatsächlich ist, steht dahin. Denn bislang sind die USA hieb- und stichfeste Beweise, daß das berüchtigte Terror-Netzwerk Al Qaida tatsächlich existiert und nicht etwa eine Erfindung von Geheimdiensten ist, schuldig geblieben. Bis heute ist es mangels nachprüfbarer Informationen von Seiten der US-Regierung auch höchst umstritten, wie viele ZivilistInnen bei Drohnen-Angriffen der USA ums Leben gekommen sind. Die US-Regierung erklärt pauschal, daß ihre Drohnen-Angriffe mit "chirurgischer Präzision" erfolgten und kaum zivile Opfer forderten. Sie bezeichnet aber auch schlichtweg alle männlichen Getöteten im kampffähigen Alter als Terroristen. Da die pakistanische Armee ebenfalls JournalistInnen und MenschenrechtsexpertInnen den Zugang zu den Regionen im Norden, wo die weit überwiegende Zahl von Drohnen-Angriffen erfolgt, verwehrt, gibt es kaum unabhängige Angaben zu einzelnen Angriffen.
Organisationen, die Opfer zählen und kategorisieren, sind zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Die Statistik des 'Bureau of Investigative Journalism' ist die detaillierteste. Die in Großbritannien beheimatete Organisation wertet lokale Medienberichte und offizielle Stellungnahmen aus, beruft sich aber auch auf Informanten vor Ort. Laut ihren Schätzungen sind seit 2004 in Pakistan bei 372 Drohnenangriffen bis zu 3570 Personen getötet worden. Unter den Opfern befanden sich demnach 411 bis 890 erwachsene ZivilistInnen und 167 bis 197 Kinder.
Die Bevölkerung im nordpakistanischen Waziristan bezeichnet die alltägliche Präsenz US-amerikanischer Drohnen nahezu ausnahmslos als Terror. "Wir hören permanent das Brummen der Drohnen," berichtet ein junger Mann aus dem Gebiet, der in Peshawar studiert. "Tagsüber wagt man sich kaum aus dem Haus, nachts kann man nicht schlafen." Angstzustände, Stress und Depressionen seien weit verbreitet, erklärt der Student. Wer es sich leisten könne, habe die Stammesgebiete längst verlassen.
Karim Khan, ein Journalist aus einem Dorf in der Nähe von Mir Ali im Norden Waziristans, nennt US-Präsident Barack Obama umstandslos einen Lügner: "In Pakistan tötet die US-Regierung seit Jahren unschuldige Zivilisten und behauptet, diese seien Mitglieder von Al Qaida." Karim Khan gehört dem Stamme der Patschunen an und damit derselben Volksgruppe wie der afghanische Marionetten-Präsident Hamid Karzai. Es sagt, am 31. Dezember 2009 seien bei einem US-Angriff auf sein Haus sein 16-jähriger Sohn und sein 35-jähriger Bruder ermordet worden, zudem ein Gast, ein Maurer, der mit Arbeiten an der Moschee im Dorf beschäftigt gewesen sei.
Keiner der Getöteten sei ein Terrorist gewesen oder habe je gegen US-Amerikaner gekämpft. Sein Bruder sei einer der gebildetsten Männer im Dorf gewesen und habe in Islamabad als Englischlehrer gearbeitet. Sein Sohn habe eine staatliche Schule besucht und sei Klassenbester gewesen. "Meine Familie ist kein Einzelfall," betont Karim Khan. "In den Dörfern um Mir Ali sind Dutzende von Zivilisten getötet worden."
Die Stammes-Tradition der Patschunen hätte von Karim Khan gefordert, persönlich Rache für den Tod seines einzigen Sohnes zu nehmen. Stattdessen entschloß er sich, vor einem Gericht in Pakistans Hauptstadt Islamabad Klage gegen den US-amerikanischen Geheimdienst CIA zu erheben. Sein Anwalt, Mirza Shahzad Akbar, sagt, die fehlende Verantwortlichkeit im Fall von Drohnen-Angriffen sei inakzeptabel. Familien ziviler Opfer von Militäroperationen in Afghanistan würden von den USA wenigstens entschädigt. In Waziristan bekämen sie weder eine Entschuldigung noch ein Blutgeld.
Nach Ansicht von Mirza Shahzad Akbar ist "der Preis, den die Bevölkerung bezahlt, schlicht zu hoch." Die Drohnen-Angriffe seien zwar sehr präzise, die Geheimdienstinformationen der USA aber nicht. In vielen Fällen würden keine identifizierten Personen ins Visier genommen, sondern Unbekannte, deren Verhaltensmuster verdächtig wirkten. "Nicht jeder, der in Waziristan einen Geländewagen fährt, eine Waffe trägt und sich mit anderen Männern trifft, ist ein Taliban," betont der Anwalt, der Dutzende von Opfern vor Gericht vertritt. "Regelmäßig werden Häuser unbescholtener Bürger, Moscheen, Trauergemeinden und Stammesversammlungen angegriffen." Der bisher dramatischste Vorfall ereignete sich im März 2011, als die CIA Raketen auf ein Treffen von Stammesältesten abschoß, die zusammengekommen waren, um Landstreitigkeiten zu lösen. 40 Männer wurden dabei getötet.
Weil der US-amerikanische Drohnen-Krieg in Pakistan von einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird, verurteilte Pakistans Regierung unter Präsident Asif Ali Zardari diesen als Verletzung der staatlichen Souveränität. Doch Geheim-Dokumente, die Wikileaks 2010 veröffentlichte, beweisen, daß sowohl Zardari als auch Pakistans Militärchef, Ashfaq Pervez Kayani, in Gesprächen mit US-Diplomaten die Drohnen-Angriffe befürworteten. Die CIA hat ihre Drohnen unter anderem sogar von zwei Militärbasen in Baluchistan und Sindh aus eingesetzt. Pakistans Armee hat die Einsätze nie - wie behauptet - zu stoppen versucht. Sie hat sich vielmehr hinter den Kulissen darum bemüht, mehr Einfluß auf das Drohnen-Programm zu nehmen.
Der neugewählte Premierminister, Nawaz Sharif, wie auch der Oppositionspolitiker Imran Khan hatten im Wahlkampf die Drohnen-Angriffe übereinstimmend verurteilt und den Abzug der USA aus Afghanistan gefordert. Daß sich in Pakistan dennoch nichts ändert, hat sich jedoch bereits in den ersten Wochen der neuen Regierung erwiesen. Sharif hat seit seinem Amtsantritt im Juni mindestens drei Angriffe geduldet, obwohl er im Wahlkampf versprochen hatte, diese umgehend zu stoppen. Auch der Oberste Gerichtshof Pakistans hat in Peshawar im Mai die Drohnen-Angriffe in einem spektakulären Urteil für illegal erklärt und die Regierung angewiesen, diese nicht mehr zu tolerieren. Daß dies in Zukunft jedoch anders als verbal erfolgt, ist kaum anzunehmen.
Der pakistanische Journalist Ahmed Rashid empört sich über den weit verbreiteten Zynismus: "Wollen wir wirklich akzeptieren, daß ein Staat Bürger eines anderen Landes hinrichten kann? Was werden wir tun, wenn die Chinesen irgendwann Drohnen einsetzen, um das Gleiche zu tun? Mit welchen Argumenten wollen wir sie bremsen?" Die US-amerikanische Regierung hat mit den Drohnen-Morden ein in der zivilisierten Welt über Jahrhunderte bewährtes und allgemein anerkanntes Rechtsprinzip über den Haufen geworfen. Bereits im Jahr 2003 kritisierte Lord Steyn, der dritthöchste der zwölf Londoner Law Lords, die das Oberste Gericht Großbritanniens bilden, der rechtlose Zustand, in dem die US-Gefangenen auf Guantanamo gehalten werden, als "monströsen Rechtsbruch." Die geplanten Militärverfahren erfüllten "nicht einmal minimale internationale Standards für faire Prozesse." Diese in Aussicht genommenen Verfahren nämlich, erklärte Lord Steyn, sähen das US-Militär als Verhörpersonal, als Ankläger, als Verteidiger, als Richter und als Henker.
Die eigene, britische Regierung forderte Lord Steyn auf, den USA gegenüber "öffentlich und in unzweideutiger Weise klar zu machen, wie sehr wir diese äußerste Gesetzlosigkeit verurteilen." Selbstverständlich reagierte der damalige britische Premier, Tony Blair, nicht hierauf. Aber ebenso selbstverständlich gilt das Verdikt Lord Steyns um so mehr dem heutigen US-Präsidenten Barack Obama, der sich mit den Drohnen-Morden in aller Welt eine Rolle als Ankläger, Richter und Henker in Personalunion anmaßt.
Anmerkungen
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