9.01.2011

Twitter zwischen den Fronten
im Info-War USA gegen Wikileaks

Wikileaks-Logo Reykjavík (LiZ). Die isländische Parlaments- Abgeordnete Birgitta Jónsdóttir geriet ins Visier der US-amerikanischen Ermittlungs- behörden. Da die US-Regierung über sie offenbar an Informationen über Wikileaks und deren Gründer Julian Assange gelangen wollte, setzte sie den Kurznachrichtendienst Twitter am 14. Dezember unter Druck, Verbindungsdaten von Birgitta Jónsdóttir innerhalb von drei Tagen herauszugeben. Zudem wurde angeordnet, Twitter dürfe die Öffentlichkeit über das Auskunfts-Ersuchen der US-Behörde nicht informieren. In einem Bericht der britischen Zeitung 'Guardian' wird vermutet, daß auch die Internet-Dienste Google und Facebook ähnliche Aufforderungen erhielten.

Die US-Regierung unter Präsident Barack Obama versucht seit geraumer Zeit mit immer fragwürdigeren Methoden gegen die Whistleblower-Plattform Wikileaks vorzugehen. Die Veröffentlichung geheimer Militärberichte und einer Video-Aufnahme mordender US-Militärs setzt Barack Obama und dessen Image als Friedensnobelpreisträger heftiger zu, als die nach außen hin gewahrte Fassade vermuten läßt. Unter US-ExpertInnen scheint sich zudem die Erkenntnis durchzusetzen, daß der Vorwurf der Spionage gegen Assange mit der aktuellen Rechtslage in den USA kaum in Übereinstimmung zu bringen ist.

Assange nahm öffentlich zum aktuellen US-amerikanischen Ausforschungs-Versuch gegen die isländische Abgeordnete Jónsdóttir Stellung und bezeichnete diesen nach einem Bericht des Senders BBC als Angriff auf die Menschenrechte und eine "Bedrohung". "Wenn die iranische Regierung versuchen würde, solche Informationen über ausländische Journalisten oder Aktivisten zu erzwingen, würde es einen Aufschrei von Menschenrechtsgruppen aus der ganzen Welt geben," sagte der Wikileaks-Gründer. Assanges Londoner Anwalt Mark Stephens sagte gegenüber BBC, die US-Regierung versuche offenbar, die Menschen einzuschüchtern. Die Forderungen seien nicht juristisch, sondern politisch motiviert.

Von Twitter waren Informationen über User-Namen und Nicknames, Adressen, Netzwerk-Verbindungen, Telefonnummern und finanzielle Details mehrerer Personen angefordert worden. Twitter hatte zwischenzeitlich Rechtsmittel vor einem US-Gericht eingereicht, um die Verschwiegenheits-Anordnung der US-Ermittlungsbehörde außer Kraft zu setzen. Am 5. Januar hob ein US-Bundesgericht die Verschwiegenheits-Anordnung auf. Nur so erfuhr die isländische Abgeordnete Birgitta Jónsdóttir von diesem Angriff gegen ihr informelles Selbstbestimmungsrecht. Twitter teile allerdings mittlerweile mit, sich gegen das Auskunfts-Ersuchen der US-Ermittlungsbehörde nicht rechtlich zur Wehr setzen zu können und die angeforderten Daten bis zum 17. Januar zu übermitteln.

Nun haben nur noch Jónsdóttir und die übrigen betroffenen Personen die Möglichkeit, gegen die Herausgabe der Daten durch Twitter zu klagen und dies rechtzeitig zu stoppen. Zu den Betroffenen zählt offenbar auch der US-Amerikaner Bradley Manning, der im Verdacht steht, die jüngst veröffentlichten Depeschen von US-Diplomaten an Wikileaks weitergegeben zu haben. Manning sitzt derzeit in Virginia unter weltweit kritisierten menschenunwürdigen Bedingungen in Militär-Haft.

Jónsdóttir hat einen US-Anwalt eingeschaltet, um die Herausgabe von Daten durch Twitter zu verhindern. Sie vermutet, daß die US-Behörden mit den Daten an Informationen zu gelangen hoffen, um eine Auslieferung von Assange an die USA zu begründen. Sollte Assange zu einem persönlichen Erscheinen vor der schwedischen Staatsanwaltschaft gezwungen werden, um dort Stellung zu den Vorwürfen wegen sexueller Straftaten zu nehmen, könnte dies dazu führen, daß er im Anschluß an das Verhör von Schweden an die USA ausgeliefert wird.

Mitglieder der Regierung in Reykjavík reagierten mit Kritik und Empörung auf die Nachricht, daß die US-Justiz über Twitter versuchte, an Informationen über die isländische Parlamentsabgeordnete Birgitta Jónsdóttir zu gelangen. Innenminister Ögmundur Jónasson bezeichnete den Vorfall als "sehr merkwürdig und ausgesprochen ernst". Außenminister Össur Skarphéðinsson kritisierte den Angriff als "nicht akzeptabel" und kündigte an, deshalb mit der US-Regierung Kontakt aufzunehmen: "Es kann nicht toleriert werden, daß gewählte Abgeordnete unseres Staates so behandelt werden."

 

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Anmerkungen

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