Lausanne (LiZ). Ein unabhängiges ExpertInnen-Team aus der Schweiz hat in Gewebeproben aus der Leiche des früheren PalästinenserInnen-Chefs Jassir Arafat deutlich erhöhte Werte des radioaktiven Polonium-210 festgestellt. Das Gift wurde 2006 in der breiten Öffentlichkeit bekannt, nachdem der russische Putin-Gegner Alexander Litwinenko in London damit ermordet worden war.
Ähnlich wie im Falle von Plutonium ist das Radionuklid Polonium-210 äußerst giftig: Schon ein Millionstel Gramm der Substanz im Inneren des menschlichen Körpers ist tödlich. Polonium-210 ist - wie das am häufigsten produzierte Plutonium-Isotop, Plutonium-239 (Halbwertszeit: 24.000 Jahre), ein Alpha-Strahler. Diese Strahlung hat zwar eine geringe Reichweite und kann beispielsweise allein durch ein Blatt Papier abgeschirmt werden - eine Stahlen-Quelle im menschlichen Körper richtet jedoch furchtbare Schäden an.
Das mit der Untersuchung - neben zwei weiteren Teams aus Rußland und Frankreich - betraute Schweizer ÄrztInnen-Team hat erhebliche Mengen Polonium-210 in den Gewebeproben festgestellt. Die hohe Konzentration von Polonium-210 fand sich laut Gutachten in den Gewebeproben aus den Rippen und dem Becken der Leiche. Sie lag demnach um das 18-fache höher als bei unbelasteten Menschen und war daher im Jahr 2004 tödlich.
Die Witwe des am 11. November 2004 gestorbenen PalästinenserInnen-Chefs sieht in dem Befund des Schweizer Teams einen Beweis, daß ihr Mann getötet wurde: "Wir decken ein echtes Verbrechen auf, ein politisches Attentat," sagte Suha Arafat. Jassir Arafat, der 1994 zusammen mit dem israelischen Politikern Shimon Peres und Jitzack Rabin - alle drei ehemalige Terroristen - den Friedensnobelpreis erhalten hatte, starb in einem französischen Krankenhaus. Bereits vor neun Jahren wurden wegen der seltsamen Todesumstände Gerüchte laut, Arafat sei ermordet worden.
Nach dem Tod Arafats wurde zunächst keine Autopsie vorgenommen, weil dies seine Witwe verweigert hatte. Erst in jüngster Zeit stellte sich heraus, daß ihre Haltung darauf zurückzuführen war, daß sie kein Vertrauen in die Nachfolger Arafats besaß. Erst im Jahr 2012 erstattete Suha Arafat in Frankreich Anzeige wegen Mord-Verdacht.
ExpertInnen-Teams aus der Schweiz, Frankreich und Rußland erhielten nach der in diesem Jahr erfolgten Exhumierung der Leiche Arafats Gewebeproben, um sie auf Polonium-210 hin zu untersuchen. Die russischen ExpertInnen gaben vor wenigen Wochen bekannt, daß Arafat ihrer Einschätzung nach nicht mit der radioaktiven Substanz vergiftet worden sei. Wissenschaftlich korrekt hätte es aber heißen müssen, daß aus dem Befund der russischen ExpertInnen keine Schlußfolgerung gezogen werden kann, da sich Polonium-210 nicht etwa gleichmäßig im Körper verteilt. Vereinfacht gesagt: Wenn in einem solchen Fall nichts gefunden wird, heißt dies nicht, daß kein Polonium-210 in der Leiche vorhanden wäre.
Anmerkungen
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