7.12.2014

Gegen "grün-rote" Flüchtlingspolitik
Demo in Freiburg mit 1200 Menschen

Demo gegen Abschiebung von Flüchtlingen, Freiburg, 6.12.2014 - Foto: Radio Dreyeckland
Freiburg (LiZ). Rund 1200 Menschen demonstrierten am Samstag in Freiburg gegen die Abschiebung von Flüchtlingen. Scharfe Kritik gab es dabei an der "grün-roten" Landesregierung. Als ein Zivilpolizist durch Schilder kenntlich gemacht wurde, kam es zu einem massiven Übergriff der Polizei.

Gegen 14 Uhr kamen in der Freiburger Innenstadt rund 1200 DemonstrantInnen zusammen, um gegen die unmenschliche Flüchtlingspolitik der angeblich grün-roten Landesregierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu protestieren. Die vorderen Reihen der Demo bildeten Roma aus mehreren Flüchtlingswohnheimen. Nach dem Start bei der Johanneskirche gab es eine Zwischenkundgebung auf dem Augustinerplatz.

Im Vorfeld hatte es juristische Auseinandersetzungen um die Demo-Route gegeben. Das Freiburger Amt für öffentliche Ordnung hatte per Auflagenbescheid versucht, der Demo den Weg durch die KaJo (offiziell: Kaiser-Joseph-Straße), die zentrale Shopping Mall, zu untersagen. Das Freiburger Verwaltungsgericht verteidigte jedoch das grundgesetzlich verbürgte Demonstrationsrecht gegen das vermeintliche Recht auf unbehinderten Konsum. In der Urteilsbegründung erklärten die RichterInnen, sie könnten nicht erkennen, auf welcher Rechtsgrundlage eine Demo im Hinblick auf die Wegstrecke Rücksicht auf die Umsatzinteressen des Einzelhandels nehmen müsse. Dies kann von interessierter Seite allerdings auch als Aufforderung zu einer weiteren Demontage des Grundgesetzes verstanden werden.

In Redebeiträgen kam zur Sprache, daß in den Bundesländern Schleswig-Holstein und Thüringen aus humanitären Gründen ein "Winter-Abschiebe-Stop" verfügt wurde, eine "grün-rote" Landesregierung es aber offenbar vorziehe, Härte zu zeigen. Demo-TeilnehmerInnen äußerten die Vermutung, der pseudo-grüne Ministerpräsident Kretschmann wolle sich so das Wohlwollen rechter WählerInnen für seine Wiederwahl Anfang 2016 sichern.

Gerade unter den Roma-Flüchtlingen herrscht große Angst und Unsicherheit, da es bereits mehrfach zu unangekündigten nächtlichen Überfällen durch deutsche Behörden-VertreterInnen kam, um Menschen möglichst ohne viel Aufsehen abzuschieben. "Wir wollen bleiben!", skandierten sie. Der Vater eines kürzlich nach Serbien Abgeschobenen prangerte in seiner Rede bei der Zwischenkundgebung auf dem Augustinerplatz die Praxis unangekündigter, nächtlicher Abschiebungen an. Demo-TeilnehmerInnen kündigten an, bei der für den 9. Dezember geplanten "Sammelabschiebung" auf dem Gelände des Flugplatzes Baden Airpark gewaltfreien Widerstand zu leisten.

Medinetz, ein Projekt das seit 1998 versucht, Illegalisierten eine medizinische Versorgung zu bieten, kritisiert die maßgeblich durch den pseudo-grünen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann durchgesetzte Neuregelung des Asylbewerber­leistungsgesetzes. Wie so oft wurden Wahlversprechen gebrochen: Statt sich für die Abschaffung des diskrimi­nierenden Asylbewerberleistungsgesetzes einzusetzen, stimmte die "grün-rote" Landesregierung im Bundesrat einer Verschärfung zu, die lediglich durch ein wenig mehr Geld für die Flüchtlingsunterbringung begleitet wird.

Am 3. Dezember beschloß die "schwarz-rote" Bundes­regierung den Gesetzentwurf zur Neubestimmung von Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigung. Danach sollen Behörden künftig Aufenthaltsverbote, Einreisesperren und Abschiebehaft aus einer Vielzahl geringfügiger Gründe veranlassen können. KritikerInnen befürchten, daß das Gesetz insbesondere Roma benachteiligt und zur Folge haben wird, daß sie kaum mehr Chancen haben, eine Bleiberechtsregelung in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus verursachen diese Neuregelungen laut Medinetz nicht selten eine lebensbedrohliche Unterversorgung für Flüchtlinge in Deutschland, da diese nur in akuten Fällen Anspruch auf medizinische Behandlung haben.

TeilnehmerInnen der Demo, die nach eigener Aussage dem 'Arbeitskreis Antirepression' angehören, versuchten, mit Schildern einen anwesenden Zivilpolizisten kenntlich zu machen. Darauf hin wurden sie von Polizei-BeamtInnen massiv bedrängt, die grundlos die Feststellung von Personalien durchsetzen wollte. Außerdem wurde die Berichterstattung durch das kommerzfreie 'Radio Dreyeckland' von Polizei-BeamtInnen behindert. Laut Aussage der Betroffenen wurden sie von Polizei-BeamtInnen auch bedroht. Plakate wurden durch die Polizei widerrechtlich beschlagnahmt. Ein Zivil-Polizist versuchte offenbar, DemonstrantInnen mit Pfefferspray anzugreifen, soll dabei aber von seinen eigenen KollegInnen zurückgehalten worden sein. Im Anschluß kam es dennoch zur Festnahme von drei Demo-TeilnehmerInnen. Diese wurden nach eigener Aussage bis zum späten Abend auf dem Polizei-Revier Süd festgehalten.

"Der Freiburger Staatsschutzabteilung ist es ein Dorn im Auge, wenn sie auf Demonstrationen nicht unerkannt operieren können," erklärte Jannis Blindler vom 'Arbeitskreis Antirepression'. Aus seiner Sicht ist die berührungsfreie Kennzeinchung von Zivil-PolizistInnen legitim. "Die nicht als Polizei gekennzeichneten Beamten stellen eine inakzeptable Einschränkung des Rechts auf Versammlungsfreiheit dar, indem sie letztlich Intransparenz erzeugen und Versammlungsteilnehmende einschüchtern sollen," so Blindler.

Das Vorgehen der Polizei findet "im rechtsfreien Raum" statt. Nach der Videoüberwachung der KTS, den Schikanen gegen die Wagengruppe 'Sand im Getriebe' und "massenhaften Pius-Verfahren" läßt sich nach Ansicht von Blindler "eine weitere Steigerung der Repression gegen die linke Szene in Freiburg feststellen".

 

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Anmerkungen

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