Straßbourg (LiZ).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Mazedonien wegen der Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Geheimdienst CIA bei Entführung und Folterung des Deutschen Khaled al-Masri zur Zahlung von 60.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt. Mit einer Verurteilung der USA ist jedoch nicht zu rechnen.
Die RichterInnen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sahen es als erwiesen an, daß die mazedonischen Behörden im Jahr 2003 den heute 49-Jährigen Khaled al-Masri festgenommen und der CIA übergeben hatten. Die Regierung in Skopje muß dem Deutschen nun 60.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Damit wurde erstmals ein europäischer Staat wegen Teilnahme am US-Entführungsprogramm verurteilt. Schon vor zehn Jahren war die "Rendition"-Praxis der USA bekannt: CIA-Agenten entführten ohne Rechtsgrundlage Verdächtige und verschleppten diese in Staaten, wo sie gefoltert werden konnten.
Eine im Dezember 2005 von der 'American Civil Liberties Union' im Namen al-Masris in den USA erstattete Strafanzeige gegen den damaligen CIA-Direktor und unbekannte CIA-Agenten wurde abgewiesen. Als Begründung wurde der "Schutz von Staatsgeheimnissen" vorgeschoben. In Deutschland wurde ein Strafverfahren zur Aufklärung der Vorwürfe al-Masris eröffnet. Die Staatsanwaltschaft München erließ im Januar 2007 Haftbefehle gegen eine Reihe von CIA-Agenten. Diese wurden zwar namentlich bekannt und ein internationaler Haftbefehl wurde ausgestellt. Auf einen Auslieferungsantrag verzichtete Interpol jedoch wegen "mangelnder Aussicht auf Erfolg".
Im Oktober 2008 erstattete al-Masris Anwalt in Mazedonien Strafanzeige gegen unbekannte Justizbeamte wegen der Haft und Entführung. Diese Anzeige wurde von der Staatsanwaltschaft Skopje im Dezember 2008 abgewiesen. Der Bundestag setzte im April 2006 einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß zur Klärung deutscher Geheimdienstaktivitäten im Zusammenhang mit der Bekämpfung des internationalen Terrorismus ein. Der Ausschuß kam 2009 unter anderem zu dem Ergebnis, daß al-Masris Darstellung seiner Gefangenschaft in Mazedonien und in Afghanistan glaubwürdig sei.
Khaled al-Masri wurde 1963 in Kuweit geboren, wuchs im Libanon auf und kam 1985 als Asylbewerber nach Deutschland. 1994 erhielt er die deutsche Staatsangehörigkeit. Bis zu seiner Entführung im Jahr 2003 war er nie straffällig geworden. Bei einem Aufenthalt in Mazedonien nahmen ihn die mazedonischen Behörden Ende 2003 ohne Haftbefehl fest und hielten ihn für 23 Tage unter Kontaktsperre in einem Hotel in Skopje gefangen. Auch bei einer ersten Folterung al-Masris durch CIA-Agenten waren mazedonische Beamte anwesend. Nach der Übergabe an die CIA wurde er nach Afghanistan geflogen, dort über mehrere Monate eingesperrt und weiter mehrfach gefoltert. Zwischenzeitlich wurden die deutschen Behörden informiert, die jedoch untätig blieben. Insbesondere wurde der damalige "rot-grüne" Innenminister Otto Schily vom früheren US-Botschafter Daniel Coats über den Fall unterrichtet.
Irgendwann muß auch der CIA aufgegangen sein, daß sie al-Masri zu unrecht verdächtigte. Ende Mai 2004 wurde al-Masri - ohne Geld und ohne daß seine Familie irgendeine Information erhielt - auf einem albanischen Waldweg unmittelbar an der mazedonischen Grenze ausgesetzt. Beim Grenzübergang erhielt er seinen Reisepaß und andere persönliche Gegenstände ausgehändigt. Am 3. Juni erreichte er Deutschland. Er hatte in den Monaten seiner Entführung 18 Kilogramm Körpergewicht abgenommen.
Die Verschleppung wurde durch die deutsche Journalistin Souad Mekhennet enthüllt. Gemeinsam mit ihrem amerikanischen Kollegen Don van Natta Jr. berichtete sie am 9. Januar 2005 in der New York Times über al-Masri. Erst hierdurch wurde der Fall zur CIA-Affäre und erst ab diesem Zeitpunkt berichteten internationale Medien über al-Masris Entführung und Folterung.
Anmerkungen
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