Nationalpark im Schwarzwald kommt
Kleiner Fortschritt in Baden-Württemberg
Stuttgart (LiZ). Der baden-württembergische Landtag hat mit 71 zu 63 Stimmen der Einrichtung eines Nationalparks in der Nähe von Freudenstadt zugestimmt. Für diesen Waldnationalpark sollen jedoch weniger als ein Prozent der Wald-Fläche im Südwesten "geopfert" werden.
Auch am elenden Zustand der Wälder, denen es nach wie vor so schlecht geht wie zu Zeiten des "Waldsterbens" in den 1980er-Jahren, wird das neue Etikett wenig ändern. Die industrielle Landwirtschaft, die mit ihren Ammoniak-Emissionen den größten Teil der Schädigung der Wälder verursacht, wird auch im "grün-rot" regierten Baden-Württemberg nicht zurückgedrängt, der Zuwachs der Biolandwirtschaft kommt nur schleppend voran und eine Agrar-Wende ist nicht erkennbar. Auch die von Vielen vor der Landtagswahl am 11. März 2011 erhoffte Energie-Wende wird in Baden-Württemberg nach wie vor massiv blockiert (Siehe unseren Artikel v. 28.10.13).
Die für den Nationalpark - ein Wort, das angesichts der Flächen US-amerikanischer Nationalparks eigentlich nur Beschämung auslösen kann - vorgesehene Fläche von 10.000 Hektar ist gerade eben die in Deutschland für einen Nationalpark vorgesehene Mindestfläche. Sie entspricht kläglichen 0,7 Prozent der Waldfläche im Südwesten.
Baden-Württemberg ist nicht nur bei der Energie-Wende Schlußlicht in Deutschland, sondern neben Rheinland-Pfalz das einzige Bundesland ohne Nationalpark. Dabei ist der Schutz eines Nationalparks in Deutschland im Vergleich zu den USA mehr als "bescheiden". Erst zum Ende einer 30-jährigen "Entwicklungsperiode" darf auf 75 Prozent der Fläche kein Holz mehr geschlagen werden. Das Gejammere der Holzindustrie, der Nationalpark bedeute einen merklichen Verlust an Holzeinschlag ist angesichts der Dimension schon geradezu grotesk: Bei der Fläche von 10.000 Hektar entgeht den Sägewerken jährlich maximal ein Holzeinschlag von rund 30.000 Festmeter. Da in Baden-Württemberg jährlich im Durchschnitt 8,5 Millionen Festmeter geschlagen werden, entsprechen diese 30.000 Festmeter gerade einmal 3,5 Promille. Auch der Wildbestand bleibt keineswegs sich selbst überlassen: Die Jagd im Nationalpark wird lediglich umetikettiert und heißt in Zukunft "Wildmanagement".
In Anbetracht der winzigen Fläche des "Nationalparks Nordschwarzwald" - so der offizielle Titel - ist die Kritik der "Schwarzen", die sich weit überwiegend für einen nur halb so großen Nationalpark ausgesprochen hatten, berechtigt: Was im Falle einer von den angrenzenden Waldflächen aus drohenden Borkenkäfer-Invasion zum Schutz des "Nationalparks Nordschwarzwald" unternommen werden kann, ließ "Grün-Rot" offen.
Um so hohler klingt das Selbstlob der Pseudo-Grünen um Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die wieder einmal von einem "historischen Tag" für Baden-Württemberg fabulierten. Daß sich der pseudo-grüne Landtagsabgeordnete Markus Rösler bei dieser Gelegenheit ausgerechnet auf Bundeskanzlerin Angela Merkel berief, die das Ziel ausgegeben habe, daß bis 2020 fünf Prozent der deutschen Waldfläche als "Naturwald" ausgewiesen werden solle, zeigt überdeutlich den Realitätsverlust dieser Partei-PolitikerInnen. Tatsächlich wurde dieses Ziel im Jahr 2007 von der damaligen "schwarz-roten" Bundesregierung großartig im Rahmen in einer "nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt" verkündet - allerdings stehen real nach wie vor lediglich 1,9 Prozent der deutschen Waldfläche unter Naturschutz. Und das Bundesamt für Naturschutz verlautbarte am 14. Oktober, bis 2020 könnten allenfalls 2,3 Prozent der deutschen Waldfläche der natürlichen Entwicklung überlassen werden (Siehe unseren Artikel v. 15.10.13).
Positiv zu vermerken ist dagegen, daß immerhin 65 Prozent der baden-württembergischen Bevölkerung laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag von Greenpeace die Einrichtung eines Nationalparks befürworten. Die Überlassung großer Teile der Wälder in den Naturzustand ist eigentlich dringend geboten, denn infolge von Flächenfraß (Siehe unseren Artikel v. 13.10.13) und Emissionen nimmt die Artenvielfalt immer mehr ab (Siehe unseren Artikel v. 26.09.13). Gerade Totholz, das aus Wirtschaftswäldern nahezu vollständig ausgeräumt wird, ist für viele Arten überlebenswichtig. Im Gegensatz zu bewirtschafteten Wäldern können nutzungsfreie Urwälder außerdem effektiver CO2 speichern und damit einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Der Wolfsmilchschwärmer
ist Schmetterling des Jahres 2014 (21.11.13)
Wald zu 98 Prozent Rohstofflieferant
Nur 2 Prozent Naturwald dienen als Alibi (15.10.13)
Flächenfraß
Täglich 74 Hektar mehr Siedlungs- und Verkehrsfläche
(13.10.13)
Bedrohte Arten in Europa
Viel Minus - wenig Plus (26.09.13)
Illegales Tropenholz?
Greenpeace erstattet Anzeige (13.08.13)
Artenvernichtung
Esoterik tötet Nashörner (4.07.13)
Sitzbänke aus Tropenholz
Streit in Göttingen um FSC-Siegel (24.06.13)
Illegaler Fischfang
Wirft deutscher Super-Trawler Fisch über Bord? (20.03.13)
Bienen und Wildinsekten sind überlebenswichtig
Industrielle Landwirtschaft ohne Zukunft (27.02.13)
Dem deutschen Wald geht es schlechter
als in den 1980er-Jahren (4.02.13)