14.04.2011

Stark erhöhte Radioaktivität
im "Versuchs-Endlager" Asse II

Atommüll illegal abgekippt Remlingen (LiZ). Im "Versuchs-Endlager" Asse II bei Wolfenbüttel wurde ein starker Anstieg der Radioaktivität in der aus Ein- lagerungskammern austretenden Lauge gemessen. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) veröffentlichte einen Wert von 240.000 Becquerel Cäsium 137 pro Liter, der an Kammer 12 festgestellt wurde. Die Menge der radioaktiven Lauge wurde jedoch nicht bekannt gegeben.

"Das ist der bislang höchste Wert von Cäsium 137 in einer Lösungsprobe, der in der Asse nach dem Ende der Einlagerung im Jahr 1978 gemessen wurde," sagte BfS-Sprecher Werner Nording. Angeblich kann das BfS nicht einschätzen, ob Gefahr besteht. Die im Januar 2010 angekündigte Rückholung des Atommülls, wird derweil weiter hinausgezögert. Obwohl inzwischen nicht mehr umstritten ist, daß die Rückholung wegen der in den kommenden Jahren wachsenden Gefahr eines Absaufens des ehemaligen Bergwerks äußerst dringend ist, bewegt sich nichts. Die Dringlichkeit der von der Anti-Atom-Bewegung bereits seit über zehn Jahren geforderten Bergung des Atommülls, der bei einem Zusammenbruch der Schachtanlagen das Grundwasser gefährdet, wurde zuletzt im Dezember 2010 deutlich. Zu diesem Zeitpunkt wurde bekannt, daß sich der Wasserzufluß innerhalb weniger Monate verdoppelt hat.

Neben dem strahlenden Cäsium-Isotop wurden in der Lauge laut Nording auch "in einer geringen Konzentration" Kobalt 60 festgestellt. Die sogenannte Freigrenze für die Cäsium-137-Aktivitäts-Konzentration liegt bei 10.000 Becquerel pro Kilogramm. Bei dem veröffentlichten Wert von 240.000 Becquerel Cäsium 137 pro Liter handelt es sich daher um eine Überschreitung um mehr als das 20-fache. (Ein Liter Lauge ist schwerer als ein Kilogramm.)

Nach offiziellen Angaben wurde im Jahr 2008 an der selben Stelle bei Kammer 12 in 750 Meter Tiefe noch eine Konzentration von rund 90.000 Becquerel pro Liter gemessen. Dies bedeutet, daß die Radioaktivität um rund das 2,7-fache gestiegen ist. Inoffiziell ist bereits seit 1994 bekannt, daß die dort festgestellte Lauge radioaktiv kontaminiert ist. Dies deutet darauf hin, daß die eingelagerten Fässer mit radioaktivem Müll bereits in der Zeit zwischen 1978 und 1994 undicht geworden sind. Dennoch wurde sowohl vom damals zuständigen Helmholtz-Zentrum als auch von dem Aufsicht führenden Bundeswissenschaftsministerium (bis Ende 2008 trug Ministerin Annette Schavan die Verantwortung, danach der heutige "Oppositionsführer" Sigmar Gabriel) immer wieder behauptet, das "Versuchs-Endlager" sei "absolut sicher" und der Zutritt von Wasser "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" ausgeschlossen.

In dem als "Versuchs-Endlager" bezeichneten ehemalige Kali- und Salz-Bergwerk Asse II wurden von 1967 bis 1978 angeblich rund 126.000 Behälter mit schwach- und 1300 mit mittelradioaktivem Müll untergebracht. Vollständige Aufzeichnungen fehlen jedoch und es ist bis heute unklar, was genau eingelagert wurde. In den vergangenen Jahren wurde entdeckt, daß außer radioaktivem Müll auch Giftstoffe wie Arsen und Blei sowie Tierkadaver und Sprengstoff in den Stollen und Kammern "entsorgt" wurden. Asse II sollte als Beweis dienen, daß ein Salzstock als "Endlager" für radioaktiven Müll geeignet ist. Es sollte somit nicht zuletzt der Durchsetzung von Gorleben als Standort für ein Endlager für hochradioaktiven Müll dienen.

Zur Zeit ist eine Radioaktivität von 240.000 Becquerel pro Liter Lauge - wie laut BfS gemessen - nicht sonderlich gefährlich. In einem Meter Entfernung und ohne direkten Kontakt liegt die Belastung für das Personal vor Ort bei weniger als einem Zehntel µSv/h. Nach der Einschätzung von Strahlenschutz-ExpertInnen ist das veröffentlichte Meß-Ergebnis dennoch besorgniserregend, denn bei Kontakt mit dem Grundwasser kann ein immenser und nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen. Dabei ist zumindest im Raum Wolfembüttel bekannt, daß die beiden benachbarten Schächte Asse I und Asse III bereits vor langer Zeit abgesoffen sind. Von dem weniger als zehn Kilometer entfernten Salzbergwerk Hedwigsburg war nach einem Wassereinbruch nur noch ein wassergefüllter Krater übrig geblieben. Und einer der Gründe, warum der Vorbesitzer des Bergwerks Asse II 1964 die Salzförderung aufgegeben hatte, war das Fehlen eines Fluchtwegs "im Falle eines größeren Wassereinbruchs."

Udo Dettmann vom Asse-Koordinierungskreis kritisiert: "Die Hälfte der Information fehlt. Es ist nicht klar, wie viel belastete Lauge tatsächlich angefallen ist." Dettmann fordert, die Vorarbeiten für die Bergung der Fässer müßten umgehend beginnen. Derzeit schreibe das BfS aber Antrag auf Antrag während das Niedersächsische "Umwelt"-Ministerium Auflage um Auflage mache. Die erste Probe-Bohrung, die für Sommer 2010 geplant war, hat noch immer nicht stattgefunden. Auch Bundes-Atom-Minister Norbert Röttgen muß in dem seit Monaten herrschenden "Papierkrieg" noch eine Stellungnahme abgeben und kann so die dringend erforderliche Bergung des Atom-Mülls weiter verzögern. Immer deutlicher wird mittlerweile, daß Partei-PolitikerInnen und Behörden bewußt auf Zeit spielen, um die für die deutsche Atom-Mafia äußert peinliche Rückholung des Atommülls zu vermeiden.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Drei Monate Denkpause
      auch für Gorleben? (30.03.11)

      "Versuchs-Endlager" Asse II
      Wasserzutritt verdoppelt (15.12.10)

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      Neue wissenschaftliche Studie:
      AKW und tote weibliche Embryos (19.11.10)

      CDAK interveniert
      gegen Wiederwahl Annette Schavans in Parteivorstand
      (14.11.10)

      In Asse II wird probegebohrt
      Weitere Zeitverzögerung vor der Rückholung (27.03.10)

      Einsturzgefahr im "Versuchs-Endlager" Asse II
      Atommüll wird rückgeholt (15.01.10)

      "Versuchs-Endlager" Asse II:
      Mit Spezialbeton Hohlräume verfüllt (8.12.09)

      Morsleben-Kongreß
      Forderung nach Offenlegung einer geheimen Studie
      zur Rückholbarkeit des radioaktiven Mülls
      (21.11.09)

      "Versuchs-Endlager" Asse II:
      Decke eingestürzt (9.10.09)

      "Versuchs-Endlager" Asse II:
      Rückholung des Atommülls laut Bundesamt möglich
      (2.10.09)

      Verstärkter Laugeneinbruch
      im "Versuchs-Endlager" Asse II (18.09.09)

      Skandal-Serie Asse II: Noch mehr Plutonium
      im "Versuchs-Endlager" (29.08.09)

      Skandal-Serie Asse II:
      Hochradioaktiver Müll im "Versuchs-Endlager"?
      MONITOR veröffentlicht Siemens-Unterlagen (24.07.09)

      Skandal-Serie Asse II:
      Erneuter Fund radioaktiver Lauge (15.07.09)

      Skandal-Serie Asse II:
      Nun auch noch Sprengstoff (26.06.09)

      Asse II: Strom-Konzerne drückten
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      Asse II: Mehr radioaktiver Müll als vermutet
      Greenpeace findet Hinweise auf zu niedrige Angaben
      in den Inventar-Listen (7.05.09)

      Asse II: Einsturzgefahr in Kammer 7 akut
      (29.04.09)

      Asse II diente auch der Bundeswehr als Atomklo
      Endlager-Skandal nimmt immer neue Dimensionen an
      (24.04.09)

      Asse II: Auch Fässer mit Pestiziden,
      Arsen und Blei im "Versuchs-Endlager" Asse II (15.04.09)

      Versuchslager Asse II
      Wer hat den radioaktiven Müll produziert? (23.02.09)

      Lauge aus Atommüll-Lager Asse erneut nach 'Mariaglück'
      Dringend nötige Rückholung weiter verzögert (7.02.09)

      Einsturzgefahr im Atommüll-Lager Asse
      Seit Dezember nicht veröffentlicht (15.01.09)

      Asse II: Der Wechsel zum BfS ist nur Pop
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      Gefahr durch atomares Versuchslager Asse II
      nicht länger geleugnet
      Atom-Minister Gabriel: "Zustände in Asse sind unhaltbar"
      Wird das Bergwerk geräumt? (2.09.08)

      Verdacht auf hochradioaktiven Müll
      im Versuchslager Asse II
      "Brennstäbe in Blechdosen" (29.07.08)

      Skandal-Grube Asse II
      Eindringendes Wasser radioaktiv kontaminiert (12.06.08)

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      Folge 12 der Info-Serie Atomenergie