Tokio (LiZ). Rund 5000 Menschen demonstrierten heute in Tokio für einen Ausstieg aus der Atomenergie. Für japanische Verhältnisse ist dies eine ungewöhnlich hohe Beteiligung an einer Demonstration. Zugleich wird immer deutlicher, daß die Reaktorkatastrophe von Fukushima erheblich gravierender ist als bislang von Regierung und Mainstream-Medien dargestellt. Der Kampf der Hilfskräfte vor Ort zur Eindämmung der aus mehreren Reaktoren und Brennelemente-Lagerbecken austretenden Radioaktivität wird sich vermutlich über Monate hinziehen.
Auf Transparenten und Schildern hieß es: "Nein zum Atom" und "Nie wieder Fukushima". Auch die Anti-AKW-Bewegung, die bislang in Japan nur wenig in der Öffentlichkeit in Erscheinung trat, bekommt angesichts der Offenkundigen Hilflosigkeit von Regierung und AKW-Betreiber TEPCO massiven Zulauf.
Ministerpräsident Naoto Kan, der schon vor der Reaktor-Katastrophe von Fukushima in Umfragen sehr schlecht abgeschnitten hatte, verlor mit seinem mangelhaften Krisenmanagement bei der Bewältigung der Folgen von Erdbeben, Tsunami und Reaktor-Katastrophe deutlich weiter an Rückhalt in der Bevölkerung. Ähnlich wie die deutsche Bundesregierung, die chinesische und die US-amerikanische Regierung versucht auch die japanische Regierung mehr oder weniger unverhohlen am Atomkurs im Sinne der großen Konzerne wie TEPCO, Hitachi, Toshiba oder Mitsubishi, die alle im Atom-Geschäft mitmischen, festzuhalten. Ähnlich wie die deutsche Bundeskanzlerin Merkel, die ein dreimonatiges Atom-Moratorium ausrief, versucht in Japan der AKW-Produzent Toshiba mit einer PR-Aktion Entgegenkommen zu signalisieren: Laut der japanischen Nachrichten-Agentur Kyodo schlägt Toshiba einen Zehnjahresplan zur Stilllegung von vier der sechs Reaktoren des AKW Fukushima Daiichi vor.
Die japanische Regierung hatte noch vor kurzem erklärt, für einen konkreten "Fahrplan aus der Atomkrise" sei es noch zu früh. Japanische ExpertInnen bestätigten mittlerweile die zuerst in den USA publik gewordene Einschätzung von US-amerikanischen WissenschaftlerInnen aus einem Geheim-Bericht der NRC (siehe unseren Artikel v. 6.04.11), wonach zu erwarten ist, daß die Arbeiten zur Stabilisierung der Fukushima-Reaktoren noch Monate dauern werden.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Aktuelle Hintergrund-Informationen
zur Reaktor-Katastrophe von Fukushima
US-ExpertInnen befürchten negative Entwicklung
in den kommenden Monaten
Fotos von cryptome.org (6.04.11)
Japanischer AKW-Experte:
Reaktor I vermutlich schon am 11. März leck (29.03.11)
Fragen zur Situation in Japan,
zur Atomenergie und zu Deutschland (25.03.11)
Gesellschaft für Strahlenschutz:
Super-GAU ist längst Realität (23.03.11)
Die Situation in den havarierten japanischen AKW
Stand: Sonntag 16 Uhr (13.03.11)
Notkühlfall in japanischem AKW
Situation in Reaktor Fukushima Daiichi I spitzt sich zu
(11.03.11)
Nach jahrelangem Stillstand
Japanischer Schneller Brüter Monju im Probebetrieb
(7.05.10)
Feuer in japanischem AKW
Ein Arbeiter verletzt (5.03.09)
Brand im weltgrößten AKW
Seit Juli wegen Erdbeben-Schäden
auf unabsehbare Zeit abgeschaltet (20.09.07)
Japanisches AKW durch Erdbeben schwerer beschädigt
als bisher bekannt
Über 50 Prozent mehr Radioaktivität ausgetreten
(18.07.07)
Erdbeben verursachte Unfall in japanischem AKW
Radioaktives Wasser trat aus (16.07.07)
Schweres Erdbeben erinnert an
AKW-Stilllegung vor einem Jahr (26.03.07)
Japan: AKW Shika abgeschaltet
Gericht erkennt auf mangelhafte Erdebebensicherheit
(25.03.06)
11 AKWs in Japan abgeschaltet
Zweiter japanischer Strom-Konzern
muß Konsequenzen ziehen (14.08.04)
Atom-Ausstieg ist möglich
in Japan 17 AKWs abgeschaltet (22.04.03)