Lissabon (LiZ). Mit einem Empfang im Lissaboner 5-Sterne Hotel Tivoli feiert der deutsche Chemie-Konzern Bayer am heutigen Dienstag das 100-jährige Bestehen seiner portugiesischen Nieder- lassung. Kaum zur Sprache dürften dabei die kriminellen Machenschaften des Konzerns mit schwarzen Kassen und Todesopfern bei Medizin-Versuchen kommen. Die portugiesische Justiz hat bis heute Dank bester Kontakte des Konzerns bis in die Staatsspitze wenig unternommen.
Die 'Coordination gegen Bayer-Gefahren' (CBG) nimmt den Festakt zum Anlaß erneut die Forderung an die portugiesische Justiz zu richten, den Konzern etwa für die jahrelang praktizierte Bestechung von ÄrztInnen endlich zur Rechenschaft zu ziehen. Der deutsche Chemie- und Pharma-Konzern hatte in Portugal über Jahre hinweg zwischen fünf und zehn Prozent des Umsatzes in schwarze Kassen umgeleitet, um das Verschreibungsverhalten von portugiesischen ÄrztInnen zu beeinflussen. Zudem führte Bayer in Portugal Medizin-Versuche durch, die bei den Gesundheitsbehörden nicht angemeldet waren und bei denen es zu Todesopfern kam. Durch enge Verbindungen zur Staatsspitze gelang es dem Konzern bislang, der Strafverfolgung mit Ausnahme von kleineren Geldstrafen zu entgehen.
Philipp Mimkes von der seit 1978 - zunächst als AnwohnerInnen-Initiative - arbeitenden CBG erklärt: "Durch korrupte Praktiken hat Bayer in Portugal öffentliche Kassen geplündert und Patienten geschädigt. Die Vorgänge in Portugal müssen endlich vollständig untersucht werden, die Verantwortlichen müssen bestraft werden. Politik und Justiz dürfen sich von großen Unternehmen nicht an der Nase herumführen lassen."
Ins Rollen gebracht wurden Untersuchungen der portugiesischen Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige von Alfredo Pequito, der jahrelang als Pharmareferent für Bayer Portugal gearbeitet hatte. Als Pequito in den 90er Jahren seine Arbeit aufnahm, wurde er von seinen Vorgesetzten darauf aufmerksam gemacht, daß ihm zur "Verkaufsförderung" hohe Summen zu Verfügung stünden. Hiermit sollten Urlaubsreisen, Elektrogeräte und Geldgeschenke finanziert werden. Auch wurden die PharmareferentInnen von Bayer dazu angehalten, Dossiers über ÄrztInnen anzufertigen, die unter anderem die Zahl der Kinder, Hobbys, die politische Einstellung und sogar sexuelle Vorlieben enthielten. Pequito hatte sich geweigert, die schwarzen Kassen des Konzerns zu nutzen, und war deshalb von Bayer gefeuert worden.
Zum 25. Jubiläum der "Nelkenrevolution" war eine Amnestie verhängt worden, unter die auch die Vergehen der Pharma-Industrie fielen. Der Justizminister, der die Amnestie ausgearbeitet hatte, gehörte zur Kanzlei Jardim, Sampaio und Caldas, die auch den Bayer-Konzern anwaltlich vertrat. Auch Jorge Sampaio, langjähriger Präsident Portugals, ist Teilhaber dieser Kanzlei.
Auf Alfredo Pequito wurden mehrere Mordanschläge verübt. Er steht seitdem unter Polizeischutz. Auf Einladung der CBG sprach er vor zwei Jahren in der Hauptversammlung des Bayer-Konzerns und forderte vom Vorstand die Offenlegung aller korrupten Praktiken.
Im Jahr 2005 war Bayer zusammen mit Johnson&Johnson und drei weiteren Pharma-Unternehmen zu einer Kartellstrafe von 16 Millionen Euro verurteilt worden. Die Firmen hatten die Preise bei der Belieferung von portugiesischen Krankenhäusern künstlich aufgebläht. Seit vielen Jahren steht der deutsche Konzern weltweit wegen dem Wirkstoff Glufosinat in der Kritik, der in Pestiziden eingesetzt wird. Im Februar 2010 wurde Bayer von einem spanischen Gericht zu einer Strafzahlung von 145.000 Euro verurteilt. Wegen mangelhafter Warnung vor Risiken bei Cholesterin-Senkern war es bei einem Patienten im Jahr 2001 zu einem Nierenversagen gekommen. Seit April 2010 steht der Konzern in der Kritik wegen der Errichtung eines Werks in Leverkusen, wo Nano-Röhren produziert werden sollen.
Anmerkungen
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