19.04.2011

Grünes Recycling?
Greenwashing bei EnBW

Recycling 2011 in Baden-Württemberg Stuttgart (LiZ). Die neue "grün-rote" Koalition hat sich nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg (27. März) hinter verschlossenen Türen darauf geeinigt, daß die frühere Bundesvorsitzende der Pseudo-Grünen, Gunda Röstel, einen Aufsichtsratsposten beim Atomstom-Konzern EnBW erhält. Bereits im Jahr 2000 war Röstel nach dem erfolgreichen Deal mit den "Großen Vier", der in den Mainstream-Medien als Atom-Ausstieg gefeiert wurde, mit einem Managerposten bei der E.on-Tochter Gelsenwasser versorgt worden. Die neue Rolle Röstels besteht offenbar darin, dem baden-württembergischen AKW-Betreiber ein grünes Mäntelchen umzuhängen, im PR-Jargon wird dies als Greenwashing bezeichnet.

Der Atom-Strom-Konzern EnBW betreibt in Baden-Württemberg die beiden Atomkraftwerke Philippsburg und Neckarwestheim mit jeweils zwei Reaktorblöcken. Block I des AKW Neckarwestheim (Beginn des Leistungsbetriebs: Dezember 1976) ist nach Block A des AKW Biblis (Beginn des Leistungsbetriebs: Februar 1975) der zweitälteste Reaktor, der in Deutschland in Betrieb ist. Da die deutschen Atomkraftwerke auslegungsbedingt nur für eine Betriebsdauer von 25 Jahren gebaut wurden, hätte Neckarwestheim I bereits im Jahr 2001 stillgelegt werden müssen. Der "Atom-Ausstieg" des Jahres 2000 bedeutete also für EnBW eine erste Laufzeitverlängerung um etliche Jahre. Jeder Tag, den ein abgeschriebenes AKW am Netz ist bedeutet für einen Konzern wie EnBW einen Reingewinn von rund einer Million Euro pro Tag und pro Reaktor.

Noch bis ins Jahr 2006 - also auch noch nachdem das "Umwelt"- und Atom-Ministerium von Jürgen Trittin an Sigmar Gabriel übergegangen war - fand sich auf der Internet-Seite des Ministeriums eine Tabelle mit exakten Abschalt-Terminen. Hier nur mal die Termine der ältesten vier deutschen Reaktoren:
Laufzeitentabelle

Für Block I des AKW Neckarwestheim hätte also allein schon dieser Termin im Dezember 2008 eine Laufzeitverlängerung um sieben Jahre bedeutet.

Dennoch verstrichen diese Termine, ohne daß in den Mainstream-Medien auch nur ein Hinweis zu finden gewesen wäre. Erst am 9. Januar 2010 bemerkte die 'Stuttgarter Zeitung' - wiederum ohne jeden Hinweis auf die jahrelang verkündeten angeblichen "Restlaufzeiten" - , daß es nun noch hundert Tage bis zur Stilllegung von Neckarwestheim I seien. Bekanntlich konnte EnBW mit Tricks, die in den Vertrag aus dem Jahr 2000 bewußt eingebaut worden waren, die Stilllegung von Neckarwestheim I noch etliche Monate hinauszögern, bis durch die neue "schwarz-gelbe" Bundesregierung eine weitere Laufzeitverlängerung genehmigt wurde.

Für diesen "Atom-Ausstieg" hatte sich Gunda Röstel als damalige Bundesvorsitzende der Pseudo-Grünen maßgeblich eingesetzt. Als Röstel - von ihrer Ausbildung her Lehrerin - kurze Zeit später aus dem Amt schied, wurde sie gewissermaßen als Gratifikation vom Strom-Konzern E.on mit einem Managerposten bei der E.on-Tochter Gelsenwasser versorgt.

Röstel war nicht der einzige "grüne" Versorgungsfall: Simone Probst, frühere Staatssekretärin unter Atom-Minister Jürgen Trittin, wurde 2005 nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag mit einem Beratervertrag bei E.on belohnt. Matthias Berninger, Staatssekretär unter Ministerin Renate Künast wurde Abteilungsleiter in der Europazentrale des US-Nahrungsmittel- und Süßwarenkonzerns Mars. Und Rezzo Schlauch, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium wurde Beiratsmitglied beim AKW-Betreiber EnBW, Aufsichtsratsvorsitzender der Textilfirma Spredshirt AG und Berater eines Entsorgungsunternehmens.

Röstel machte sich bei Gelsenwasser durchaus nützlich. So fädelte sie die Privatisierung der Dresdener Stadtentwässerung mit ein. Knapp die Hälfte des kommunalen Betriebs übernahm der Gelsenkirchener Konzern im Jahr 2004. Röstel wurde Geschäftsführerin des Dresdener Unternehmens, diesen Posten hat sie bis heute inne.

Weniger nützlich war Gunda Röstel für die pseudo-grüne Partei. Als sie 1996 neben Antje Radke Bundesvorsitzende wurde, war sie Vorsitzende des sächsischen Landesverbandes. Dieser hatte unter ihrer Ägide bei der Landtagswahl im September 1994 lediglich 4,1 Prozent der abgegebenen Stimmen eingefahren und damit den Einzug in den Landtag verfehlt. Als Bundesvositzende sollte sie nun für den Aufbau der Partei in den "neuen Bundesländern" zuständig sein. Die Pseudo-Grünen, die seit 1993 als "Bündnis 90 / Die Grünen" firmieren und damit suggerieren, sie hätten der Bürgerrechtsbewegung der 1989 zusammengebrochenen DDR eine politische Heimat gegeben, waren 1996 nur in einem der fünf ostdeutschen Landtage vertreten. Doch es kam noch schlimmer: Bei der Bundestagswahl 1998 kamen die Pseudo-Grünen in keinem einzigen der "neuen Bundesländer" über die 5-Prozent-Hürde.

Übrigens wurden eine ganze Reihe weiterer Aufsichtsratsposten beim Atomstom-Konzern EnBW neu besetzt - und zwar mit Personal, an dessen Auswahl noch die "schwarz-gelbe" Landesregierung unter Stefan Mappus beteiligt war. Damit wird die energiepolitische Ausrichtung des Konzerns für Jahre fortgeschrieben. Eine Umwandlung von EnBW in einen Ökostrom-Anbieter ist allein von daher kaum zu erwarten. Mehr als Greenwashing ist bei EnBW ohnehin nicht machbar. Bereits vor Jahren hatte der bekannte Solar-Pionier Hermann Scheer vor der Illusion gewarnt, große Energie-Konzerne könnten zu Ökostrom-Anbietern transformiert werden. In seinem wegweisenden Buch 'Energieautonomie' schrieb Scheer im Jahr 2005: "Es spricht jedoch entschieden mehr dagegen als dafür, dass nunmehr die großen Energiekonzerne die treibenden Kräfte werden könnten. (...) Investitionen in Großkraftwerke und Infrastrukturen haben Amortisationszeiten von zwei bis drei Jahrzehnten. Die jeweiligen einzelnen Investitionen erfolgen nie zum gleichen Zeitpunkt. Die Zahl vorfinanzierter Großinvestitionen ist immer ungefähr so groß wie die der abgeschriebenen. (...) Die Lokomotivführerrolle für erneuerbare Energien wird auch in Zukunft nicht aus dem konventionellen Energiesystem kommen. Es sei denn, wir würden einen Bummelzug für ausreichend halten."

Daß Winfried Kretschmann als baden-württembergischer Ministerpräsident auch in anderer Hinsicht schwarze Politik unter grünem Deckmäntelchen betreiben wird, zeichnet sich bereits in der Frage des Volksentscheids zu "Stuttgart 21" und in einem weiteren Politikfeld ab. Schon wenige Tage nach der Wahl machte Kretschmann klar, daß er entgegen den vor der Wahl am 27. März verkündeten Versprechen die Zahl der LehrerInnen in Baden-Württemberg verringern wird. Der Verband Bildung und Erziehung, der Philologenverband und die GEW warfen "Grün-Rot" am 12. April vor, ihre Wahlversprechen zu brechen. Scharfe Kritik kam auch vom Landeselternbeirat. Schuldmindernd muß Kretschmann allerdings zugebilligt werden, daß WählerInnen, die Wahlversprechen für bare Münze nehmen, längst den Kontakt zur Realität verloren haben.

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Landtagswahl
      Recycling in Baden-Württemberg (27.03.11)

      Linkspartei Brandenburg weiter auf Rechtskurs
      Wirtschaftsminister Christoffers setzt sich mit CCS durch
      (7.03.11)

      Vattenfall
      Ein Fall von Greenwashing (6.01.11)

      Parteitag der Pseudo-Grünen
      Gorleben als Verhandlungsmasse (21.11.10)

      Gericht erlaubt Lügenpropaganda
      Vebraucherzentrale unterliegt Atom-Industrie (11.11.10)

      "Bundeshauptstadt im Klimaschutz 2010"
      Wie kommt Freiburg zu der Ehre? (26.10.10)

      Freiburg bleibt schwarz
      Salomon knapp über 50 Prozent (25.04.10)

      Aus für AKW Neckarwestheim I in hundert Tagen?
      ...oder ein Dornröschenschlaf? (11.01.10)