Hamburg (LiZ). Die "Großen Vier" haben ein Image-Problem: Nach RWE versucht nun mit Vattenfall ein weiter der vier Konzerne, die den deutschen Strommarkt beherrschen, sich über das Vehikel "Elektro-Auto" einen grünen Anstrich zu verpassen. In der Neujahrsausgabe der Wochenzeitung 'Die Zeit' erschien eine ganzseitige Werbung, die den Anschein erweckt, bei Vattenfall handele es sich um einen Ökostrom-Anbieter. Doch der "grüne Lack" ist so dünn, daß er geradezu dazu reizt, hinter die Fassade zu blicken.
"Mit grünem Strom wird Fahrspass umweltfreundlich" steht da in den Wolken über dem Bild eines Elektro-Autos, das offenbar gerade aufgeladen wird.
Nun wurde bereits hinreichend analysiert, daß der - auch von der "schwarz-gelben" Bundesregierung im Dienste der Konzerne propagierte - Umstieg von Benzin- auf Elektro-Motoren beim Individualverkehr keineswegs Klimaschutz oder Umweltfreund- lichkeit garantiert.1 Hinzu kommt die Gefahr, daß für den Irrweg einer Umrüstung auf Elektro-Autos Steuermittel als verdeckte Subventionen verbraten werden und zugleich die Durchsetzung des zukunftsträchtigen Betriebs von Verbrennungsmotoren mit solar erzeugtem Wasserstoff weiter blockiert wird.2
Um so überraschender muß es da wirken, daß die neue Greenwashing-Kampagne von Vattenfall auf derart tönernen Füßen steht: Zwar wird mit dem Bild auf der Anzeigenseite suggeriert, es würde Öko-Strom getankt, doch dem ist nicht so. Auch zielt die Anzeige darauf, den Stromanbieter Vattenfall als Anbieter von Öko-Strom darzustellen. Die Realität ist hingegen das krasse Gegenteil.
Juristisch ist Vattenfall nicht beizukommen. Denn der Strom-Konzern behauptet strenggenommen nur, daß er in Berlin Ladesäulen aufstelle, an denen saubere Elektrizität "getankt werden kann", und daß er "die Infrastruktur für eine emissionsfreie automobile Zukunft liefert". Was steckt dahinter?
Der "große Alltagstest", von dem im Kleingedruckten die Rede ist, findet derzeit gar nicht statt. Das Berliner Pilot-Projekt, eine Kooperation von Vattenfall mit dem bayerischen Automobil-Konzern BMW, wurde bereits vor vier Monaten beendet. Ein zweiter Durchgang soll zwar in diesem Jahr starten, aber im Moment gibt es - außer 50 blauen Ladesäulen - real nichts zu bewerben.
Auch der angeblich "grüne Strom", der an den Berliner Ladesäulen gezapft werden kann, stammt nicht von Vattenfall, sondern von einem - keineswegs neuen - norwegischen Wasserkraftwerk. Als Öko-Strom könnte der Strom aus dem Wasserkraftwerk allenfalls dann gelten, wenn für den Aufschlag auf den durchschnittlichen Strompreis neue Anlagen der erneuerbaren Energieerzeugung gebaut würden. Vattenfall ließ sich zwar den Strom aus Norwegen vom "o.k.-power-Label" zertifizieren, doch dies ist nur ein weiteres Beispiel dafür, was dieses Label taugt.
Die Stromlieferung aus Norwegen wirft zugleich ein Licht auf die Art der Stromerzeugung, die Deutschlands drittgrößer Strom-Konzern neben E.on, RWE und EnBW zu bieten hat. Vattenfall verzeichnet zwar unter den eigenen Kraftwerken in Deutschland sechs "Wasserkraftwerke", doch dabei handelt es sich samt und sonders um Pumpspeicher-Anlagen, die keine Energie erzeugen, sondern lediglich zwischenspeichern. Fast ebenso trist ist die Bilanz bei der Windenergie: Vattenfall betreibt einen einzigen Windkraft-Park im brandenburgischen Jänschwalde, einer der Hochburgen seiner landschaftsfressenden Braunkohle-Kraftwerke, einige Kleinanlagen und ein Testprojekt in der Nordsee. Und unter dem Stichwort "Biomasse", unter dem sich Uneingeweihte bäuerliche Biogas-Anlagen vorstellen, hat Vattenfalls größtenteils nur Müllverbrennungs-Anlagen zu bieten.
Der Anteil von Wasserkraft in der deutschen Stromerzeugungs-Statistik von Vattenfall beträgt unterm Strich null, der von Windenergie 0,1 Prozent. 91,8 Prozent der hierzulande von Vattenfall erzeugten Elektrizität stammt aus Kohlekraftwerken, zu einem erheblichen Teil aus besonders klimafeindlichen Braunkohle-Kraftwerken. Kein anderer Energieversorger stößt pro erzeugter Kilowattstunde (kWh) so viel Kohlendioxid aus wie Vattenfall: 1.020 Gramm CO2 pro kWh. Also alles andere als "grüner" Strom.
Vattenfall erklärt auf Nachfragen, die Anzeige in der 'Zeit' beziehe sich auf die geplante zweite Phase des Berliner Pilot-Projekts. Derzeit laufe die Bewerbungsphase, in der sich Testfahrer melden können. Und das vier Jahre alte Wasserkraftwerk Blåfalli Vik in Westnorwegen sei eine "neu errichtete Anlage".
Anmerkungen
1 Siehe hierzu:
Umweltverbände warnen vor Hype um Elektro-Auto:
"Potemkinsches Dorf der Elektromobilität" (29.04.10)
2 Siehe hierzu:
Solarer Wasserstoff
Seit über 20 Jahren eine praktikable Alternative (3.11.07)
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