29.07.2010

Lügt Freiburgs Erzbischof Zollitsch?

Neue Fakten im Kindesmißbrauchs-Fall Pater Gregor

Erzbischof Robert Zollitsch Freiburg (LiZ). Im Fall des wegen Kindesmißbrauchs versetzten Paters Gregor mehren sich die Anzeichen, daß der Freiburger Erzbischof und Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz Robert Zollitsch versuchte, seine Verstrickung durch Falschangaben zu vertuschen. Entgegen den Angaben Zollitschs hatte Pater Gregor etliche Zeit nach der Tat erneut in Birnau, am Ort des Verbrechens, Gläubige der Erzdiözese Freiburg betreut.

Vor seiner Wahl zum Freiburger Erzbischof 2003 war Zollitsch seit 1983 als Personalreferent für den Einsatz aller seelsorglichen Mitarbeiter im Erzbistum verantwortlich. Bisher jedoch wurde die Darstellung des Erzbistums nicht angezweifelt, es habe keinen zweiten Einsatz in Birnau gegeben, und wenn, dann nur als Aushilfe ohne Wissen von Zollitsch. Die Verantwortung wurde auf den Abt eines in der Nähe gelegenen Zisterzienserklosters abgeschoben.

Monate nach dem öffentlichen Bekanntwerden des Falls kam durch Recherche der Journalistin Anne-Kathrin Weber nun jedoch zu Tage, daß Pater Gregor bei seiner zweiten Amtszeit in Birnau in den Jahren 1987 bis 1992 nicht etwa nur gelegentlich als Aushilfe tätig war, sondern zuständiger Seelsorger für den gesamten Bereich Deisendorf. So findet sich etwa eine entsprechende Notiz aus dem Sommer 1987 im 'Deisendorfer Blättle', das im Stadtarchiv Überlingen eingesehen werden kann. Und für die darauffolgenden Jahre finden sich Bestätigungen in den Protokollen des Pfarrgemeinderats.

Dennoch versucht sich Zollitsch weiterhin herauszuwinden. Über die Pressestelle seines Bistums ließ er verlauten: "Es mag sein, daß Pater Gregor M. in seiner zweiten Phase in Birnau von 1987 bis 1992 als Seelsorger für Deisendorf wahrgenommen wurde." Dies ändere jedoch nichts daran, daß er lediglich in der Diözese und nicht für die Diözese gewirkt habe. Nach wie vor wird bestritten, daß Pater Gregor einen Auftrag durch das Ordinariat Freiburg - sprich: Zollitsch - gehabt habe.

Dieser Argumentation fährt eine Expertise des US-amerikanischen Kirchenrechtlers Thomas P. Doyle in die Parade: Ein "Gestellungsvertrag" wie im Falle des Pater Gregor werde nicht mit der betreffenden Person, sondern mit dem Orden geschlossen, der dann einem Priester in dem ihm anvertrauten Gebiet Aufgaben übertrage. Jeder Priester, der daraufhin in der betreffenden Gemeinde tätig werde, müsse jedoch dem Bischof gemeldet werden und benötige dessen Genehmigung - in diesem Falle des damit betrauten Personalreferenten, also Robert Zollitsch. Denn zur Zeit des damaligen Erzbischofs Oskar Saier war Zollitsch der für die Personalpolitik zuständige Referent. Laut Doyle ist es "nahezu unmöglich", daß in Freiburg niemand über den Einsatz Pater Gregors Bescheid wußte.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Freiburger Erzbischof Zollitsch
      soll Kindesmißbrauch vertuscht haben (18.07.10)

      'spiegel'-Enthüllung im Fall Peter H.
      "Sündenbock" für Benedikt XVI.? (18.04.10)

      Mißbrauchs-Skandal: Bischof Müller vergleicht
      Berichterstattung mit Nazi-Unterdrückung (22.03.10)

      Mißbrauchs-Skandal erreicht den Papst
      Versetzungspraxis auch in Ratzingers Bischofszeit
      (12.03.10)

      Sexueller Mißbrauch an Odenwaldschule
      Buch Cohn-Bendits in neuem Licht (7.03.10)

      Katholische Kirche und Glaubwürdigkeit:
      Systematischer Mißbrauch in Klosterinternat Ettal
      Sex-Skandal im Vatikan (5.03.10)

      Pädophilie-Affaire der katholischen Kirche
      Geheimschreiben aus dem Jahr 2001
      belastet Papst Benedikt XVI. (22.02.10)

      Ratzinger ohne Kondom
      Französische Regierung will Papst schützen (4.09.08)

      Der arme Vater Staat hat außer fürs Militär
      auch Milliarden für die Kirchen (29.02.04)