8.04.2014

Der US-amerikanische Drohnen-Terror
und die Drehscheibe Deutschland

Drohne - auch über Deutschland?
Berlin (LiZ). Die US-amerikanische Regierung setzt seit über zehn Jahren Drohnen - also ferngesteuerte Kleinflugzeuge - ein, um gezielt mutmaßliche "feindliche Kombattanten" zu töten. Dieser Drohnen-Terror wurde nach Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama deutlich ausgeweitet. Dabei wurden nach unabhängigen Schätzungen weltweit rund 3000 Menschen ohne Anklage, Gerichtsverfahren oder Verurteilung ermordet. Deutschland steht - unter anderem in Ramstein - hierfür als bedeutende Drehscheibe zur Verfügung.

Laut dem Stockholmer Friedensforschungs-Institut SIPRI werden derzeit weltweit in keinen anderen militärischen Sektor mehr Finanzmittel investiert als in Drohnen. Die US-Militärzeitschrift 'Defense News' schätzt, daß in den kommenden zehn Jahren rund ein Drittel des weltweiten Waffenhandels auf Geschäfte mit Drohnen und Kampfrobotern entfallen wird. 100 Milliarden Euro sollen dafür in die Kassen der Rüstungs-Konzerne fließen. Alleine die US-Regierung steckt jährlich rund sechs Milliarden Dollar aus ihrem Etat für Militärforschung in ferngesteuerte Luftfahrzeuge, Schiffe und Panzer.

Bereits im April 2013 enthüllte das ARD-Nachrichtenmagazin 'Panorama', daß Deutschland eine bedeutende Rolle bei dem durch US-Drohnen in etliche Länder der Welt getragenen Terror spielt. Über den Stützpunkt Ramstein, den größten US-Militärflughafen außerhalb der USA, werden nicht nur Drohnen-Angriffe in Pakistan, Somalia und vielen anderen Ländern koordiniert und rund um die Uhr Live-Bilder der Drohnen ausgewertet. Das 'Air and Space Operation Center' auf dem Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz ist zugleich die Drehscheibe für sämtliche US-amerikanischen Drohnen-Aktivitäten.

Die Auswertungen von Dokumenten des US-amerikanischen Militärs und Aussagen des ehemaligen Drohnen-Piloten Brandon Bryant beweisen, daß Deutschland bei dem weltweit mit Hilfe von US-Drohnen verübten Terror eine bedeutende Rolle spielt. "Deutschland ist essenziell für alle US-Drohnen-Operationen weltweit," sagte der ehemalige Drohnen-Pilot der 'Süddeutschen Zeitung'. Und in 'Panorama' erklärte er: "Die Luftwaffen-Basis in Ramstein spielt eine ganz wesentliche Rolle für den weltweiten Drohnen-Krieg. Ohne diese Basis in Deutschland würde das alles nicht funktionieren. Es ist das Epizentrum aller Informationsflüsse für die Übersee-Operationen der USA."

Als Brandon Bryant auf einem Militär-Stützpunkt im US-Bundesstaat New Mexico an seinem Steuergerät - das frappierend einem Joystick ähnelt - saß, "gab es bei mehr als 6000 Stunden, die ich geflogen bin, und Tausenden Missionen, die ich geflogen bin, keinen einzigen Fall, in dem ich Ramstein nicht angerufen hätte, um mich mit meiner Drohne verbinden zu lassen." Denn auf der Luftwaffenbasis Ramstein befinde sich die zentrale Relais-Station, die den Piloten in den USA mit seiner Drohne in Einsatzgebieten wie Pakistan oder Jemen verbindet. Wegen der großen Entfernung zwischen den Einsatzgebieten im Nahen Osten und den Drohnen-Piloten in den Vereinigten Staaten müsse das Signal der Drohne über Deutschland umgeleitet werden - per Satellit und Glasfaser-Kabel.

Bei dem "Drohnen-Krieg", den US-Präsident Barack Obama zum wichtigsten Mittel im "Krieg gegen den Terror" erklärt hat und der auch zum Tod deutscher Staatsbürger führte, spielen US-Militäreinrichtungen in Deutschland eine wesentliche Rolle. In Ramstein befindet sich das 'Distributed Ground System 4' (DGS-4). Weltweit gibt es nur fünf DGS-Einheiten. Diese sind rund um die Uhr in Betrieb. Drei davon befinden sich in den Vereinigten Staaten, eines in Südkorea und eines - das DGS-4 - in Ramstein. Zu dem Hochsicherheitsbereich haben nur ausgewählte SoldatInnen Zutritt. Im DGS-4 arbeiten AnalystInnen, TechnikerInnen und Militärs. Ihre Aufgabe besteht darin, die Live-Bilder der Drohnen auszuwerten, die über Satellitenverbindungen nach Deutschland gelangen. Die Erkenntnisse gleichen sie dann unter anderen mit Geheimdienst-Datenbanken ab und interpretieren die von Drohnen aufgenommenen Bilder und Video-Sequenzen. "Sie sind diejenigen, die dafür verantwortlich sind, sicherzustellen, daß wir die bösen Typen töten," sagt Drohnen-Pilot Bryant über das DGS.

Bryant hat die US Air Force verlassen, weil er an der Integrität seiner Vorgesetzten zu zweifeln begann. "Sie haben internationales Recht gebrochen und Menschenrechts­verletzungen begangen. Wir sind eine regelrechte Tötungsmaschinerie," begründet Bryant seinen Abschied aus dem US-Militär.

Auch die US-Militärbasis in Stuttgart-Möhringen, auf der sich seit 2008 die Kommando-Zentrale AfriCom - Hauptsitz des Afrika-Kommandos der USA - befindet, spielt eine wesentliche Rolle beim weltweiten Drohnen-Terror. Das AfriCom ist eines von insgesamt sechs Kommando-Zentren des US-Militärs. In Stuttgart werden die Todes-KandidatInnen für die Drohnen-Einsätze in Afrika ausgewählt. Die US-Regierung baut seit langem ein Netz von Stützpunkten auf afrikanischen Flugplätzen aus. Die Betreiber sind oft als zivile Firmen getarnt. Sie unterhalten und warten die US-Drohnen, die unter anderem mit Spionage-Technik wie Video-Kameras, Nachtsichtgeräten und Technik zur Ortung und Bespitzelung von Mobiltelefonen gespickt sind.

Seit Juli 2013 ist publik, daß insgesamt 57 Drohnen des US-Militärs in Deutschland stationiert sind. Die entsprechenden Standorte sind die Militär-Basen Bamberg, Hohenfels, Vilseck, Grafenwöhr und Illesheim. Auch wurden “Gebiete mit Luftbeschränkungen” eingerichtet, damit die Drohnen überhaupt starten dürfen. Insbesondere hat die Deutsche Flugsicherung - zweifellos mit Zustimmung der Bundesregierung - in Zusammenarbeit mit dem US-Militär Luftkorridore eingerichtet, so daß die Drohnen zwischen einzelnen Standorten verkehren können. Offenbar dient dies vor allem Übungszwecken.

Die ersten Fluggenehmigungen für US-Drohnen im deutschen Luftraum wurden bereits im Jahr 2005 erteilt. Vorausgegangen war eine Prüfung durch das zuständige Flugbetriebsreferat im Verteidigungsministerium.

Doch auch deutsche Bundesregierungen - gleich welcher Couleur - sind seit langem daran interessiert, die Bundeswehr mit Drohnen aufzurüsten. Dies erscheint Militärs aus drei Gründen als attraktiv: Mit Drohnen kann ein verdeckter Krieg geführt werden, der zudem kaum eigene Opfer fordert und daher gegenüber einer kritischen Bevölkerung leichter durchzusetzen ist. Zweitens können Drohnen auch bei der Aufstandsbekämpfung im Inland eingesetzt werden. Und Drittens bietet der "Drohen-Krieg" angesichts schwindender Finanzmittel, einer sich zuspitzenden Weltwirtschaftskrise und dem sich so verschärfenden Konkurrenzkampf um die globalen Rohstoff-Vorkommen erhebliche finanzielle Vorteile im Vergleich zu konventionellen Kriegen.

Für Michael Rühle, Leiter des Referates Energiesicherheit der NATO, hat "die Konkurrenz um Rohstoffe in den vergangenen Jahren eine deutliche militärische Dimension angenommen." Um in Zeiten knapper Kassen hier militärisch mithalten und handlungsfähig bleiben zu können, "ist die Konzentration auf neue Technologien und Wehrformen erforderlich, die eine weniger personal- und kostenintensive Streitkräftestruktur versprechen." Dies äußerte Rühle ganz offen gegenüber der 'Financial Times Deutschland' (23.05.12).

Ganz offen wird mittlerweile auch das Thema Aufstandsbekämpfung mit Hilfe von Drohnen in Deutschland behandelt. Aufstandsbekämpfung ist etwa am Institut für Sicherheitspolitik (ISPK) der Uni Kiel ein Forschungsprojekt. Im April 2013 wurde vor einem kleinen Kreis geladener Gäste dazu eine Studie unter dem Titel "Counterinsurgency - Erfahrungen, Strategien und Aussichten unter besonderer Berücksichtigung des ressortübergreifenden Ansatzes" präsentiert. Auftraggeber war das Bundesministerium für Verteidigung. Und Aufstandsbekämpfung steht auch für die vom Verteidigungsministerium finanzierte Fraunhofer Gesellschaft in Pfinztal bei Karlsruhe im Mittelpunkt des Interesses.

Allein in die Entwicklung der Spionage-Drohne Euro-Hawk flossen 650 Millionen Euro an Steuergeldern, bevor das Projekt gestoppt wurde. Bereits im Februar 2012 war im Bundesverteidigungsministerium ein zusätzlicher Finanzbedarf von 250 bis 600 Millionen Euro festgestellt worden. Ein großer Teil dieser Gelder dürfte allein zu dem Zweck geflossen sein, den Rüstungs-Konzern EADS zu subventionieren. Nun ist damit zu rechnen, daß nach der "Beerdigung" von Euro-Hawks das Projekt unter anderem Namen fortgesetzt wird.

So entsteht etwa in Ottobrunn bei München ein deutsches Drohnen-Zentrum. Mit dem 'Bavarian International Campus Aerospace and Security' (BICAS) soll die deutsche "Innovations- und Technologieführerschaft in den Bereichen Luft- und Raumfahrt sowie Sicherheit" für die Zukunft gesichert werden. Rüstungs-Konzerne, wissenschaftliche Institute und Bundeswehr sollen hier eng zusammenarbeiten. Beteiligt sind bereits die TU München, die Universität der Bundeswehr, IABG, Siemens und der Rüstungs-Konzern EADS.

spiegel-Titel 47/2006 - Die Deutschen müssen das Töten lernen
Zugleich wird seit Jahren publizistisch in Deutschland konsequent die Linie verfolgt, die Deutschen von ihrem Pazifismus zu heilen. Einen ersten Höhepunkt erreichte dieser Kampagnen-Journalismus im Jahr 2006 mit der 'spiegel'-Titelstory "Die Deutschen müssen das Töten lernen." (spiegel 47/2006 vom 20.11.06) Und in der 'spiegel'-Ausgabe 13/2013 wurde der Bundesregierung in einem Artikel mit der Überschrift "Die zaghaften Deutschen" vorgeworfen, nicht auf den militärischen Errungenschaften der "rot-grünen" Ära (Kosovo-Krieg 1999, Afghanistan-Krieg seit 2001) aufzubauen: “Seit 20 Jahren ist die Bundeswehr an Kampfeinsätzen im Ausland beteiligt. Schrittweise gewöhnte die rot-grüne Regierung das Land an eine neue Normalität. Doch nun ist ausgerechnet Schwarz-Gelb dabei, das Erreichte wieder zu verspielen." Wortwörtlich wird in diesem spiegel'-Artikel ein "Rückfall in den Pazifismus" angeprangert. Die Wochenzeitung 'Die Zeit' schlug am 21.03.13 in dieselbe Kerbe. In einem Artikel unter der Überschrift "Wir tun doch nix. Deutschlands Rolle in der Welt" wurde hier gegen eine "Rückabwicklung deutscher Interventionsbereitschaft" polemisiert.

Renommierte VölkerrechtlerInnen werten den "Drohnen-Krieg", bei dem sämtliche zwischenstaatlichen Normen, die im Falle eines Krieges gelten, umgangen werden, als Bruch des Völkerrechts. Der pakistanische Journalist Ahmed Rashid, der über etliche tödliche Einsätze von US-Drohnen in seinem Land berichtete, fragt: "Wollen wir wirklich akzeptieren, daß ein Staat Bürger eines anderen Landes hinrichten kann? Was werden wir tun, wenn die Chinesen irgendwann Drohnen einsetzen, um das Gleiche zu tun? Mit welchen Argumenten wollen wir sie bremsen?"

Die deutsche Bundesregierung zieht sich jedoch nach wie vor auf die Erklärung zurück, die US-Regierung habe ihr versichert, "daß von US-amerikanischen Stützpunkten in Deutschland Einsätze bewaffneter ferngesteuerter Luftfahrzeuge weder geflogen noch befehligt werden". Ein Rechtsgutachten vom 30. Januar 2014, aus dem die 'Süddeutsche Zeitung' zitiert, gelangt zu dem Ergebnis, es sei "unstrittig", daß Deutschland "völkerrechtswidrige Militär-Operationen", die "durch ausländische Staaten von deutschem Territorium" aus durchgeführt werden, nicht dulden darf. Sollte das US-Militär einen Terror-Verdächtigen "außerhalb eines bewaffneten Konflikts" völkerrechtswidrig per Drohne hinrichten, könnte dies "eine Beteiligung an einem völkerrechtlichen Delikt darstellen", sofern die Bundesregierung davon wisse und nicht dagegen protestiere. Der Menschenrechts-Anwalt Hans-Eberhard Schultz bereitet zur Zeit eine Strafanzeige gegen die Bundesregierung wegen Beihilfe zur Tötung und zu Kriegsverbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch vor.

Die Menschenrechts-Organisation 'Amnesty International' (ai) forderte im vergangenen Oktober, die deutsche Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel müsse "endlich öffentlich einfordern, daß auch die USA sich an das geltende Recht halten. Deutsche Behörden dürfen die rechtswidrigen Drohnen-Angriffe der USA nicht auch noch unterstützen."

Mittlerweile wurde durch Geheimdokumente, die der Whistleblower Edward Snowden publik machte, bewiesen, daß Deutschland auch durch die Beihilfe der Geheimdienste BND und MAD in den US-amerikanischen Drohnen-Terror verstrickt ist. Die deutschen Geheimdienste gaben etwa Mobilfunk-Daten weiter, die zur Lokalisierung von "Zielpersonen" und damit deren Ermordung genutzt werden konnten. Welche Verbrechen den Ermordeten zur Last gelegt wurden, spielt bei der rechtlichen Beurteilung der Morde keine Rolle - selbst in den USA kann ein Todesurteil erst nach einer Verhandlung vor einem ordentlichen Gericht gesprochen werden. Amnesty International hat zudem die Ermordung einer Vielzahl von ZivilistInnen in Pakistan durch US-Drohnen aufgedeckt. So wurde eine 68-jährige Großmutter im Oktober 2012 vor den Augen ihrer Enkel bei der Feldarbeit getötet. Die Kinder seien bei einem zweiten Luftangriff verletzt worden. "Besonders perfide ist die Praxis, einem ersten Drohnen-Angriff kurz darauf den nächsten folgen zu lassen, der dann diejenigen Menschen trifft, die den Verletzten helfen wollten," urteilt der ai-Bericht.

Am 18. Oktober 2013 hatte der 'UN-Sonderberichterstatter für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terrorismus', Ben Emmerson, in einem Bericht Zahlen der pakistanischen Regierung veröffentlicht. Emmerson hatte sich zusammen mit einem Team auch vor Ort in Pakistan selbst informiert. Nach seinem Bericht gab es allein in Pakistans halbautonomen Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan seit 2004 mindestens 330 Drohnenangriffe mit über 2.000 Toten. Laut den vom 'Bureau of Investigative Journalism' gesammelten Informationen starben bei US-amerikanischen Drohnen-Einsätzen in diesem Zeitraum weltweit rund 3.000 Menschen (Siehe unseren Artikel v. 22.10.13).

Festzustellen bleibt: Wer sich am weltweiten US-amerikanischen Drohnen-Terror beteiligt und hierfür Militärbasen zur Verfügung stellt, macht sich mitschuldig.

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Mord in Pakistan mit Drohnen
      Amnesty-Bericht prangert Obama an (22.10.13)

      Mord in aller Welt mit Drohnen
      Obama als Ankläger, Richter und Henker (22.08.13)

      De Maizières Drohnen-Affaire
      Bundeswehr ließ Daten verschwinden (2.06.13)

      Schwarzbuch Waffenhandel
      Jürgen Grässlin zeigt die Blutspur (24.05.13)

      Mehr Menschen beim Ostermarsch
      Protest gegen Atombombe, Drohnen und Waffenexporte
      (30.03.13)