16.05.2011

"Subventionen selbst berechnet"
Zukunft E-Mobilität oder
Umleitung von Milliarden Euro
an Steuergeldern?

Elektro-Auto mit Strom von... Berlin (LiZ). Mehrere große Umweltverbände haben im vergangenen Jahr den von der "schwarz-gelben" Bundesregierung verkündeten Aufbruch in die "Elektro-Mobilität" als umweltpolitische Sackgasse kritisiert. Dennoch steuert die Bundesregierung weiter exakt in diese Richtung. Für die kommenden Monate wurden Milliarden-Subventionen für Automobil- und Strom-Konzerne zugesagt. Bundesforschungsministerin Annette Schavan hat bereits 60 Millionen Euro an Steuermitteln für die Entwicklung von Autobatterien verschleudert.

Am 13. Mai verkündete Ministerin Schavan die Förderung einer Produktionsanlage für Lithium-Ionen-Batterien in Ulm. Schavan sieht dies bereits als "Umsetzung einer zentralen Forderung der Nationalen Plattform Elektro-Mobilität." Die Pilotproduktionsanlage in Ulm sei "ein großer Schritt in Richtung Elektro-Mobilität," sagte Schavan.

Seit Anfang 2011 arbeiten dort bereits das Helmholtz Institut für Batterieforschung und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und der Universität Ulm. Die Kombination von Schavan und Helmholtz weckt düstere Erinnerungen an die Verschleierung der gigantischen Mißstände im deutschen "Versuchs-Endlager" Asse II und das ZSW ist berüchtigt, vielversprechende Ansätze bei der Wasserstoff-Technologie an sich zu ziehen und sodann an die Wand zu fahren.

Das "Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterie" (KLiB) mit dem Schavan die Pilotanlage in Ulm vereinbart hat, setzt sich aus 25 Mitgliedsunternehmen und -organisationen zusammen, die allesamt nicht gerade für ein Engagement im Bereich der erneuerbaren Energien bekannt wären: So etwa BASF, Deutsche Accumotive, VARTA, Evonik und SGL Group. Zusätzlich zu den bereits verausgabten 60 Millionen Euro für die Pilotanlage fließen 38 Millionen Euro aus dem "Konjunkturpaket II" in sogenannte Kompetenzverbünde Elektrochemie, die dazu dienen entsprechende Forschung im Bereich der Batterietechnologie zu subventionieren.

Für die Überführung der neu entwickelten Technologien "in eine serienreife Produktion" hat das Bundesforschungsministerium unter Schavan allein im Rahmen des Konjunkturpakets II 45,2 Millionen Euro in die Entwicklung von Produktionstechnologien für Lithium-Ionen-Zellen und -Batteriesysteme gesteckt. Und mit dem Programm "Schüsseltechnologien für die Elektromobilität" (STROM) sollen weitere 90 Millionen Euro in "Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit Blick auf das Gesamtfahrzeug" fließen.

Doch mehrere Nachrichten der vergangenen Monate belegen, daß andernorts ohne Millionen an Steuergeldern bedeutende Fortschritte in der Forschung erzielt werden konnten: So entwickelten etwa WissenschaftlerInnen der Uni Duisburg-Essen Materialien, die den Energieinhalt von Lithium-Ionen-Batterien um 15 Prozent steigern und die Kosten um sieben Prozent senken. Und am 12. Mai wurde bekannt, daß die Konzerne Evonik und Daimler kurz vor dem Beginn der Serienproduktion von Lithium-Ionen-Batterien für E-Autos stehen. Ein gemeinsames Tochterunternehmen im sächsischen Kamenz soll seine Produktion von derzeit 300.000 Batteriezellen noch in diesem Jahr verzehnfachen. Die Batterien will Daimler in die nächste Generation des Elektro-Kleinwagens Smart einbauen. Dieser soll bereits im ersten Halbjahr 2012 auf den Markt kommen.

Die Subventionen in einer Gesamthöhe von mehr als 150 Millionen Euro aus dem Bundesforschungsministerium fließen übrigens zu großen Teilen in die Taschen der BMW-Großaktionärin und Multimilliardärin Susanne Klatten. Die 25 Mitgliedsunternehmen und -organisationen, die das "Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterie" (KLiB) bilden, nagen eben so wenig am Hungertuch und wären durchaus in der Lage, die finanziellen Mittel für die Batterien-Forschung selbst zu stemmen.

Wenn Ministerin Schavan mit Susanne Klatten eine Frau subventioniert, die beim Forbes-Ranking im März auf über 8 Milliarden Euro geschätzt wurde und auf Platz 44 der Weltrangliste verzeichnet wird, hat dies möglicherweise auch ganz profane Gründe. Entsprechend neuen Gesetzesänderungen dürfen deutsche PolitikerInnen Beträge unter 10.000 Euro an "Nebeneinnahmen" undeklariert einkassieren. Wenn von allen 25 KliB-Miltglieden 10.000 Euro aus dem warmen Subventions-Regen an Schavan zurückfließen, könnten so 250.000 Euro in die weitere politische Karriere Schavans "gut angelegt" sein.

Der heute vorgestellte Bericht der "Nationalen Plattform Elektro-Mobilität" sieht nun unter anderem die staatliche Förderung von Elektro-Autos mit bis zu 220 Millionen Euro bis 2014 und zusätzlich "Forschungs- und Entwicklungsgelder" in Höhe von vier Milliarden Euro vor. Neben dieser finanziellen Dimension der "Nationalen Plattform Elektro-Mobilität" erscheint der versprochene Umwelt- und Klima-Effekt äußerst bescheiden. Bei alledem sollen bis zum Jahr 2020 nach offiziellen - und vermutlich äußerst optimistischen - Prognosen gerade einmal eine Million Elektro-Autos auf deutschen Straßen rollen. Derzeit sind in Deutschland 42 Millionen PkW zugelassen.

Auch die Pseudo-Grünen haben sich dem von Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigten Subventions-Segen mit vermeintlich klimapolitischer Zielsetzung angeschlossen. Um sich ein wenig abzuheben, fordern sie eine Kaufprämie von 5000 Euro für Elektro-Autos. Und die neue baden-württembergische "grün-rote" Landesregierung unterstützt diesen Trend. So heißt es im Koalitions-Vertrag, Baden-Württemberg solle "zum Leitmarkt für Elektro-Mobilität" werden. In der heutigen 'taz' wird die "schwarz-gelbe" Förderung von Elektro-Autos breit ausgemalt, während als einziger Kritikpunkt zur Sprache kommt, daß die Marke von einer Million Elektro-Autos bis 2020 verfehlt werden könnte.

Unbeachtet bleibt der Appell von fünf deutschen Umwelt-Verbänden, die bereits im April vergangenen Jahres den Hype um die "Elektro-Mobilität" kritisierten und zu einer realistischen Betrachtungsweise auriefen. Die von Regierung und Industrie angepriesenen Elektro-Autos brächten weder den Klimaschutz in den kommenden zehn Jahren voran, noch lösten sie die Verkehrsprobleme von heute. Die geplanten Milliarden-Subventionen für die Industrie zur Förderung der "Elektro-Mobilität" wären nach Ansicht der Umwelt-Verbände besser angelegt, wenn sie zielgerichtet in klima- und umweltverträgliche Mobilitätslösungen für die gesamte Gesellschaft aufgewendet werden. Die Regierung dürfe die angebliche Entscheidung der Industrie für Elektro-Motoren nicht auch noch mit Steuergeld bemänteln, sondern müsse technikneutral die klimafreundlichsten Antriebstechniken fördern.

Heute schloß nun auch der ansonsten eher als wirtschaftsnahe eingeschätzte WWF die Reihen der kritischen Umwelt-Verbände. Der WWF attackiert die Bericht der Nationalen Plattform Elektro-Mobilität "aufs schärfste." Es handele sich dabei "fast ausschließlich um ein Industriepapier, in dem sich die beteiligten Industriezweige ihren Subventionsbedarf selbst errechnet haben."

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Die Dreckschleudern der Nation
      PolitikerInnen und ihre Dienstlimousinen (18.04.11)

      Statistisches Bundesamt: Personenverkehr
      auf der Schiene wächst
      Eisenbahn legt zu, Autoverkehr schrumpft (28.01.11)

      Vattenfall:
      Ein Fall von Greenwashing (6.01.11)

      Nur heiße Luft in Cancún
      Keine konkreten Verpflichtungen (12.12.10)

      CDAK interveniert gegen Wiederwahl
      Annette Schavans in "C"DU-Parteivorstand (14.11.10)

      Umweltverbände warnen
      vor Hype um Elektro-Auto:
      "Potemkinsches Dorf der Elektromobilität" (29.04.10)

      Europäische Nachbarn bauen Eisenbahn aus
      In Deutschland wird das Schienennetz abgebaut
      (29.04.10)

      Was ist eigentlich aus Mülheim
      als RWE-Vorzeigestadt geworden? (28.02.10)

      Welt-Klimagipfel in Kopenhagen:
      Profit vor Klima (20.12.09)

      Solarer Wasserstoff
      ...eine praktikable Alternative (3.11.07)