Paris (LiZ). Sie galt als das "Prestige-Projekt" des neuen französischen Präsidenten François Hollande: die Reichensteuer. Vor der Wahl hatte Hollande damit den Anspruch begründet, sozialistische Positionen zu vertreten. Wie zu erwarten hat das höchste Gericht diesen ungedeckten Scheck aus dem Wahlkampf kassiert.
Ebenso wie bei der Atomenergie und beim Mindestlohn wurde nun auch bei der Steuerpolitik offensichtlich, daß sich Hollande in keiner Hinsicht von seinem neoliberalen Vorgänger Nicolas Sarkozy unterscheidet.
Der für 2013 versprochene Steuersatz von 75 Prozent auf Jahreseinkommen von mehr als einer Million Euro sei in der Anwendung auf verschiedene SteuerzahlerInnen unfair, begründete der Verfassungsrat heute seine Entscheidung. Damit bleibt es dabei, daß die kleinen Leute allein für das gigantische Staatsdefizit zur Haftung gezogen werden. Dies- wie jenseits des Rheins erweist sich pures Lamentieren wie etwa "Wir zahlen nicht für eure Krise!" als wirkungslos. Wer weiterhin selbst nichts tun will und sich daauf verlassen möchte, daß Partei-PolitikerInnen die Arbeit erledigen, darf weiter hoffen: Hollande versprach umgehend, er wolle einen zweiten Anlauf zur Realisierung einer Reichensteuer nehmen. Zugleich aber meldete das französische Finanzministerium ein Statement, das zwar weniger wahrgenommen wurde, dafür aber um so bedeutsamer ist: Der "Fahrplan zur Defizitverringerung" sei trotz Ausfalls der Reichensteuer nicht gefährdet.
Die Reichensteuer à la Hollande war im übrigen so konstruiert, daß sie der französischen Oberschicht nicht allzu tief ins Fleisch geschnitten hätte: Bei veranschlagten Einnahmen von gerade einmal 300 Millionen Euro hatten KritikerInnen bereits von einer reinen Symbolpolitik gesprochen. Von daher hatte der schauspielernde Wüterich Gérard Depardieu mit seiner Drohung, der Reichensteuer mit einer Verlegung seines Wohnsitzes nach Belgien auszuweichen, für den nötigen Glaubwürdigkeitsschub des präsidialen "Prestige-Projekts" gesorgt.
Anmerkungen
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