15.02.2011

Öl-Konzern Chevron
droht höchste Umwelt-Strafe aller Zeiten

blinde Justizia Quito (LiZ). Ein Gericht in Ecuador hat den US-amerikanischen Öl-Konzern Chevron zu einer Strafe von 9,5 Milliarden US-Dollar verurteilt. Es geht um gigantische Umweltschäden im Amazonas- gebiet, die auf die Ölförderung zurückgehen. Da bereits absehbar ist, daß der Multi das Urteil anfechten wird, erteilte das Gericht die Auflage, daß Chevron sich für die verursachten Schäden binnen 15 Tagen öffentlich in Zeitungsanzeigen in Ecuador und den USA entschuldigen muß. Andernfalls werde die Strafe verdoppelt.

Das aktuelle Urteil geht auf einen mittlerweile 18 Jahre währenden Gerichtsstreit zurück. Rund 30.000 EcuadorianerInnen hatten den juristischen Kampf gegen den ungleichen Gegner aufgenommen. Dieser hatte das zunächst in New York eingeleitete Gerichtsverfahrn mit formalen Einwänden und juristischen Kniffen über viele Jahre hinweg verzögert. Ständig wurden neue Gutachten gefordert - zuletzt waren es mehr als 100 - und die Zuständigkeit des Gerichtes oder die Unparteilichkeit der Richter angezweifelt. Zeugen wurden gekauft oder eingeschüchtert, politischer Druck ausgeübt, internationale Gerichte eingeschaltet. Der Fall diente auch als Vorlage für den Film 'Crude'. Zahlreiche Prominente unterstützten die KlägerInnen, darunter die Schauspielerin Daryl Hannah und der Sänger Sting.

Der Öl-Konzern Texaco, der im Jahr 2001 von Chevron geschluckt wurde, hatte in dem zu Ecuador gehörenden Teil des Amazonas-Gebiets zwischen 1964 und 1991 Öl gefördert. Am Ende hatte Texaco hunderte offener Öl-Bassins zurückgelassen, aus denen besonders in der Regenzeit eine giftige Brühe in die Umgebung schwappt. Einer schwedischen Studie zufolge hat Texaco mehr als 113 Millionen Kubikmeter Giftstoffe in der Region hinterlassen. Giftige Schlämme, die bei der Erdölförderung anfallen, wurden unter freiem Himmel in offenen, schlecht abgedichteten Becken gelagert oder als Straßenbelag auf den Schotterpisten im Amazonas verwendet. Die Krebsrate, die Zahl der Fehlgeburten und die Kindersterblichkeit in der Region schnellten daraufhin in die Höhe.

Nach Angaben des 'Wall Street Journal', das Einblick in das noch unveröffentlichte Urteil hat, soll Chevron 9,5 Milliarden US-Dollar Strafe zahlen. 5,4 Milliarden sollen für die Reinigung des verseuchten Bodens verwendet werden und 1,4 Milliarden für den Aufbau eines Gesundheitssystems für die betroffene Bevölkerung. Hinzu kommen könnten Schadensersatzzahlungen an die 'Frente de Defensa de la Amazonia', die Vereinigung der KlägerInnen. Es würde sich dabei um die bislang höchste Umwelt-Strafe handeln, die je ein Gericht verhängt hat, schreibt das 'Wall Street Journal'.

Das Verfahren hat in den Kreisen der Mineralöl-Industrie bereits für Nervosität gesorgt. Die Branche befürchtet, daß das Urteil rechtskräftig und damit zu einem Präzedenz-Urteil werden könnte. Exxon (Gewinn 2009: 19,3 Milliarden US-Dollar), BP (Gewinn 2009: 16,8 Milliarden US-Dollar), Shell (Gewinn 2009: 12,7 Milliarden US-Dollar), Elf (Gewinn 2009: 10,9 Milliarden US-Dollar), Chevron (Gewinn 2009: 10,5 Milliarden US-Dollar) und Co. liefen dann Gefahr, für eigene Umwelt-Verbrechen und für Sünden von Unternehmen (wie MobilOil, Total, Fina) die sie übernommen haben, büßen zu müssen. Erst kürzlich habe Chevron ein Memo öffentlich gemacht, demzufolge die KlägerInnen ein positives Urteil in Ecuador als Grundlage für weitere Rechtsstreitigkeiten in Dutzenden anderen Ländern nutzen wollen.

Der für die Gemeinschaft der 30.000 KlägerInnen tätige Anwalt Pablo Fajardo lobte das Urteil, nannte die Summe jedoch zu gering. Ein vom Gericht bestellter Gutachter hatte eine Entschädigungszahlung von 27,3 Milliarden US-Dollar als angemessen bezeichnet. Wissenschaftliche Beweise für die durch Texaco verursachte Umweltverschmutzung im Amazonas lagen dem Gericht vor. Der zuständige Richter Nicolas Zambrano sagte, Texaco habe die technischen Mittel gehabt, um die Umweltkatastrophe im Amazonas zu verhindern.

Chevron will das Urteil mit dem Argument abwehren, die Ölfelder in Ecuador seien von Texaco wie vereinbart hinterlassen worden. Das Urteil sei "nicht durchsetzbar" und durch "betrügerische Absprachen" zustande gekommen. Chevron beschuldigt die Regierung Ecuadors der Einflußnahme. Tatsächlich hatte Präsident Rafael Correa den Kampf der Bevölkerung gegen Chevron stets öffentlich unterstützt - eine Einmischung in den Prozeß aber verneint. Der US-Konzern hat bereits in den vergangenen Monaten bei internationalen und US-Gerichten juristische Schritte unternommen, um ein für ihn ungünstiges Urteil in Ecuador zu blockieren. Tatsächlich hatte ein Gericht in Den Haag Chevron in der vergangenen Woche eine einstweilige Verfügung ausgestellt, mit der sich das Urteil aus Ecuador vorläufig aufhalten ließe. Durch ein Berufungsverfahren könnte sich der Prozeß noch Jahre hinziehen.

 

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Anmerkungen

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