Stuttgart (LiZ). Nach einer Um- frage des Meinungsforschungs- Instituts Forsa lehnt eine absolute Mehrheit von 51 Prozent der Menschen in Baden-Württemberg das Mega-Projekt "Stuttgart 21" ab. Noch klarer ist die Ablehnung in der Landeshauptstadt: Dort spricht sich mit 67 Prozent eine satte Zweidrittel-Mehrheit der Menschen gegen "Stuttgart 21" aus. Nachdem Bahn-Chef Rüdiger Grube die GegnerInnen des Projekts am vergangenen Freitag zu Gesprächen am "runden Tisch" einlud, jedoch ohne den weiteren Abbruch des historischen Stuttgarter Hauptbahnhofs zu stoppen, hatte dies wenig Gehör gefunden. Nun versucht der pseudo-grüne Fraktions-Chef im Stuttgarter Landtag, Winfried Kretschmann, im Verein mit Ministerpräsident Stefan Mappus den Widerstand zu spalten, indem er für den "runden Tisch" wirbt. Mittlerweile wurde bekannt, daß 865 Millionen Euro an neuen Kosten für "Stuttgart 21" auf Baden-Württemberg zukommen.
Die vom 'stern' in Auftrag gegebene Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts Forsa liefert mit 51 Prozent im Land und 67 Prozent in Stuttgart nicht nur beeindruckende Zahlen für die Gegnerschaft gegen das laut unabhängigen Schätzungen bis zu 11 Milliarden Euro teure Prestige-Projekt. Auf der anderen Seite sind die Ergebnisse für die PolitikerInnen von "Schwarz-Rot-Gelb", die das Projekt in einer Einheitsfront - unempfänglich für Argumente wie einst Filbinger 1975 im Falle des AKW Wyhl - durchboxen wollen, beschämend: In Baden-Württemberg antworteten lediglich 26 Prozent mit einem "ja" für "Stuttgart 21" und 23 Prozent waren unentschieden ("weiß nicht"). In Stuttgart haben sich nur 30 Prozent für das Projekt erklärt und drei Prozent blieben unentschieden.
Die Mainstream-Medien spekulieren mit unverhohlener Sympathie, ein "runder Tisch" mit BefürworterInnen und GegnerInnen des Milliarden-Projekts scheine "in greifbare Nähe" gerückt. SprecherInnen des Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hatten bislang eindeutig ein Aussetzen der Abrißarbeiten am Hauptbahnhof zur Bedingung für einen Krisengipfel gemacht. Die baden-württembergischen Pseudo-Grünen versuchen seit Wochen, sich an die Spitze der Proteste gegen "Stuttgart 21" zu stellen und der Fraktionsvorsitzende der "Grünen" im Landtag, Winfried Kretschmann, ruft nun trotz ununterbrochener Abrißarbeiten zur Teilnahme am "runden Tisch" auf. Auch der "grüne" Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der noch bis vor wenigen Tagen sagte, ein Abrißstop sei unabdingbare Voraussetzung für Gespräche, stellte sich auf die Seite Kretschmanns. Die GegnerInnen sind über diesen Versuch, den Widerstand zu spalten, verärgert. Selbst der "grüne" Verkehrsexperte und Fraktions-Chef im Stuttgarter Gemeinderat, Werner Wölfle, erklärte zum Spaltungsversuch von Kretschmann und Palmer, daß Gespäche ohne einen vorherigen Baustop keinen Sinn machen: "Sonst macht niemand mit." Doch beispielsweise die 'Süddeutsche Zeitung' titelte bereits am 31. August: "Stuttgart-21-Gegner auch ohne Baustopp zu Gespräch bereit".
Inzwischen wurde bekannt, daß der Bund einen höheren Beitrag zu dem im Paket "Stuttgart 21" enthaltenen Umbau der Bahnstrecke Stuttgart - Ulm fordert und damit auf das Land Baden-Württemberg Mehrkosten in Höhe von 865 Millionen Euro zukommen. Der baden-württembergische Verkehrsminister Peter Ramsauer weiß zwar, daß die Landesregierung nur um diesen Zuschlag herumkäme, wenn sie das Mega-Projekt stoppte, erklärte aber gegenüber den Medien: "Für mich ist klar, daß der hohe dreistellige Millionenbetrag auf mehreren Schultern verteilt werden muß." Zugleich mußte die Landesregierung eingestehen, daß es keine Gespräche zwischen Land und Bund über die Kostenverteilung gibt und stellt sich naiv: Nachforderungen entsprächen nicht gutem Kaufmannsgebaren.
Während die PropagandistInnen von "Stuttgart 21" weiterhin verkünden, ein Stop des Projekts sei "eine völlige Illusion", fährt ihnen das Flagschiff des Springer-Konzerns, 'Welt', in die Parade: Am 30. August verglich 'welt-online' die Argumentation, das Projekt sei nicht mehr zu stoppen, weil bereits so viel investiert wurde, mit dem Fiasko, das Basel mit der Geothermie erlebte. Wie die BefürworterInnen von "Stuttgart 21" argumentierte vor Jahren auch der Betreiber des groß angelegten und extrem teuren Geothermie-Projekts in Basel. Trotz Warnungen wurden Unsummen in die Projekt-Entwicklung gesteckt. 2006 und 2007 kam es zu Erdbeben, worauf die Bohrungen eingestellt werden mußten. Die Gelder seien - so 'welt-online' - buchstäblich "in den Sand gesetzt" worden.
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Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
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21.000 bei Menschenkette
gegen Stuttgart 21 (14.08.10)
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Stuttgart 21 provoziert Nadelöhr (12.08.10)
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16.000 gegen Stuttgart 21 (7.08.10)
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